Diabetologie und Stoffwechsel 2015; 10(04): 186-187
DOI: 10.1055/s-0034-1398205
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Referat – Konsensus für einheitliches diagnostisches Vorgehen in Europa

Michael Hummel
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Publication Date:
13 January 2016 (online)

Hintergrund: Bisher weichen die Kriterien für Screening und Diagnose eines Gestationsdiabetes (GDM) in einzelnen europäischen Ländern voneinander ab. Die im Wesentlichen auf einem internationalen Konsensus beruhenden WHO-Kriterien geben eine neue Richtung für eine gemeinsame Screeningstrategie vor. Den Konsensus des Europäischen Board & College of Obstetrics and Gynaecology (EBCOG) stellen Benahlima et al. vor.

Nachdem die ersten Kriterien der Diagnose eines GDM vor 50 Jahren primär auf die Reduktion des späteren Diabetes-Risikos der Mutter zielten, ist inzwischen klar, dass eine Hyperglykämie in der Schwangerschaft auch mit einem ungünstigen Schwangerschafts- und Geburtsverlauf mit negativen Folgen für das Kind einhergehen. Diese Assoziation ist ein Kontinuum, Grenzwerte eine mehr oder weniger willkürliche Festlegung. Aktuell empfiehlt die „International Association of Diabetes and Pregnancy Study Groups“ (IADPSG) einen einstufigen Diagnoseansatz: Eine abnorme Messung in einem 2-Stunden-Glukosetoleranztest mit 75 g Glukose ist ausreichend für eine GDM-Diagnose.

Als glykämische Grenzwerte wurden ein Nüchternblutzucker von ≥ 5,1 mmol / l, ein 1-Stunden-Blutzucker von ≥ 10 mmol / l und ein 2-Stunden-Blutzucker von ≥ 8,5 mmol / l festgelegt. Dabei beruht die Diagnose auf einem nur einmal gemessenen Nüchternblutzuckerwert auf einem Konsens, nicht auf klinischer Evidenz. International führten diese Festlegungen zu Diskussionen, da sie mit einem erheblichen Anstieg der Diabetes-Inzidenz und hohen Kosten verbunden sind und die Evidenz für die Empfehlungen nicht immer ausreichend ist. Die WHO verweist inzwischen auf diese Empfehlungen, die amerikanische DiabetesGesellschaft noch nicht.

Auch das EBCOG hat nun gemeinsam mit Mitgliedern der „Diabetic Pregnancy Study Group“ (DPSG), die mit der „European Association for the Study of Diabetes“ (EASD) assoziiert ist, einen Konsensus entwickelt, um die diagnostischen Kriterien in Europa zu vereinheitlichen.

Um einen nicht bekannten, vorbestehenden Diabetes frühzeitig zu erkennen, wird beim ersten pränatalen Kontakt das Screening empfohlen. Maßgeblich dabei sind die Schwellenwerte, die auch außerhalb einer Schwangerschaft gelten (Nüchternblutzucker ≥ 7,0 mmol / l oder HbA1c ≥ 6,5 % oder 47 mmol / l oder Zufallsmessung von ≥ 11,1 mmol / l). Empfohlen wird das Screening insbesondere bei einem hohen Risiko, z. B. aufgrund eines früheren GDM, bei Übergewicht oder Adipositas, bei einem erstgradigen Verwandten mit Diabetes, einer früheren Makrosomie, einem polyzystischen Ovar-Syndrom oder einem Risiko aufgrund der Herkunft (Mittelmeerraum, Südasien, Schwarzafrika, Nordafrika, Karibik, Mittlerer Osten und Lateinamerika).

Erfolgt das Screening erst zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche, wird das Vorgehen nach den aktuellen WHO-Empfehlungen mit dem 75 mg-Glukosetoleranztest und den Kriterien Nüchternblutzucker ≥ 5,1 mmol / l, 1-Stunden-Blutzucker ≥ 10 mmol / l, 2-Stunden-Blutzucker ≥ 8,5 mmol / l empfohlen. Es bleibt allerdings die Forderung nach mehr Studienergebnissen, die dieses Vorgehen untermauern, auch im Hinblick auf unterschiedliche Populationen in Europa. .

Folgerung: Letztlich wurde im europäischen Konsensus nicht eindeutig festgelegt, ob ein einstufiges, zweistufiges oder ein risikoadaptiertes Vorgehen zum GDM-Screening zu empfehlen ist. Die Integration der WHO-Kriterien in die Empfehlungen sehen die Autoren aber als wichtigen Fortschritt an für die Vereinheitlichung der diagnostischen Kriterien für einen GDM in Europa.

Friederike Klein, München