Diabetologie und Stoffwechsel 2015; 10(05): 242-244
DOI: 10.1055/s-0034-1398228
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Referat – Sozioökonomischer Status als Risikofaktor für die Mortalität

Reinhard Holl
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Publication Date:
13 January 2016 (online)

Hintergrund: Der Einfluss der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Situation auf die Sterbewahrscheinlichkeit ist für Patienten mit Typ-2-Diabetes-mellitus und mit kardiovaskulären Erkrankungen gut belegt. Die Arbeitsgruppe um Rawshani untersuchte, wie sich die Lebenssituation von Patienten mit Typ-1-Diabetes auf die Häufigkeit kardiovaskulärer Erkrankungen und die Mortalität auswirkt.

Methoden: Im schwedischen Diabetesregister werden die Daten aller erwachsenen Patienten mit einem Diabetes Typ 1 erfasst. Informationen von 24 947 Patienten lagen zu Studienbeginn vor. 2186 davon wurden aufgrund früherer Herzkreislauferkrankungen ausgeschlossen. Die Beobachtungszeit betrug 6 Jahre und das Durchschnittsalter 39,1 Jahre.

Ergebnisse: Die alters- und geschlechtsadjustierte Analyse ergab eine signifikante Assoziation zwischen Überleben und dem Einkommen, Bildungsgrad, Familienstand sowie dem Einwanderungsstatus (jeweils p < 0,05). Unter Berücksichtigung etablierter Risiko- und weiterer Einflussfaktoren war der sozioökonomische Status von Patienten mit einem Typ-1-Diabetes ein starker Prädiktor der kardiovaskulären Morbidität sowie der Mortalität.

Verglichen mit den Bestverdienern hatten Personen im niedrigsten Einkommensbereich ein 3-fach höheres Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen. Gut gebildete Patienten erlitten etwa 30 % seltener Schlaganfälle. Verheiratete hatten ein > 50 % geringeres Risiko zu sterben und für einen kardiovaskulär- oder Diabetes-assoziierten Tod. Auch bei Einwanderern mit einem Typ-1-Diabetes waren diese Risiken signifikant geringer (10–40 %). Männer waren insgesamt stärker gefährdet. Die Gesamtsterblichkeit war 44 %, die kardiovaskuläre Mortalität 63 % und die Diabetes-assoziierte Mortalität 29 % höher als bei Frauen. Das Geschlecht und der sozioökonomische Status waren robuste Prädiktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen und die Mortalität von Patienten mit einem Typ-1-Diabetes. Die Effekte waren mit den Auswirkungen eines Nikotinabusus vergleichbar (Gesamtmortalität Hazard Ratio 1,56; 95 %-Konfidenzintervall 1,29–1,91).

Folgerung: Die Lebensumstände von Patienten mit einem Typ-1-Diabetes-mellitus hatten wesentlichen Einfluss auf die kardiovaskuläre Gesundheit und die Lebenszeit. Inzidenz und Mortalität waren bei einem geringen sozioökonomischen Status um den Faktor 2 bis 3 gesteigert. Der Nachweis des sozioökonomischen Status als unabhängige Risikovariable dürfe nicht dazu verleiten, Standard-Risikofaktoren zu vernachlässigen, so die Autoren. Ihre stringente Kontrolle könne gerade in unterprevilegierten Gruppen essentiell zur Senkung der Morbidität und Mortalität beitragen. Die sozioökonomischen Ungleichheiten seien nur mit einer geänderten Gesundheitspolitik und Sozialreformen zu überwinden.

Dr. Susanne Krome, Melle