Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2017; 52(04): 260-273
DOI: 10.1055/s-0043-100499
Topthema
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Antibiotic Stewardship – From Bench to Bedside

Antibiotic Stewardship – From Bench to Bedside
Jan R. Ortlepp
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Publication Date:
03 May 2017 (online)

Zusammenfassung

Der Artikel erläutert die praktische Umsetzung eines Antibiotic Stewardship (ABS) in der Klinik. Bei steigender Prävalenz von resistenten Bakterien ist die Ärzteschaft aufgefordert, Antibiotikaverordnungen kritisch zu hinterfragen und zu reduzieren. ABS-Programme sollen dies unterstützen. Hierbei muss insbesondere das Engagement der Klinikleitungen im ABS besser werden. Das Problembewusstsein für den Antibiotikaverbrauch muss besser werden und die Daten darüber intern transparent kommuniziert werden. Jedoch auch in der Ärzteschaft gibt es Schulungsbedarf. Das pathophysiologische Verständnis sowie die akkurate Diagnostik von Infektionserkrankungen müssen verbessert werden. Ärzte brauchen den Mut, auf Antibiotika zu verzichten. Der Konsens innerhalb einer Abteilung und eines Krankenhauses zur Vorenthaltung von Antibiotika muss gestärkt werden. Dabei muss jedoch auch das Bewusstsein steigen, die Sepsis als Notfall zu behandeln und dabei primär die Fokussanierung anzustreben und nicht nur die schnelle Antibiotikatherapie. Die mikrobiologische Präanalytik ist von entscheidender Bedeutung. Hier müssen weniger Abstriche, sondern mehr aussagekräftige Analysemethoden wie Blutkulturen oder invasive Proben angestrebt werden. Schließlich kommt der Interaktionen zwischen Klinikern, Mikrobiologen und Krankenhaushygienikern ein hoher Stellenwert zu.

Das Problem ist erkannt: Hoher Antibiotikaeinsatz fördert die Selektion resistenter Erreger. Um die „Ressource“ Antibiotikum zu erhalten, bedarf es eines grundlegenden Umdenkens. Dieser Beitrag stellt die Bausteine einer interdisziplinären Strategie zum Antibiotikaeinsparen vor: intensivere Diagnostik mit besserer mikrobiologischer Analytik, bessere Dosierungen und vor allem Mut, in gewissen Situationen auf Antibiotika (zunächst) zu verzichten.

Abstract

The article explains the practical implementation of Antibiotic Stewardship (ABS) in the clinic. With increasing prevalence of resistant bacteria, the medical profession is challenged to critically question and reduce antibiotic prescriptions. ABS programs are designed to support this. In particular, the involvement of clinic management in the ABS has to improve. There has to be a greater awareness of problems associated with antibiotic use and the data about it must be communicated transparently within the hospital. However, there is also a need for training in the medical profession. The pathophysiological understanding as well as the accurate diagnosis of infectious diseases must be improved. Doctors need courage to forego the use of antibiotics. The consensus within a department and a hospital for withholding antibiotics must be strengthened. However, the awareness of sepsis as an emergency needs to be raised as well, and it is important to focus on hygiene issues and not just on the rapid antibiotic therapy. Microbiological pre-analysis is of crucial importance. In this case, fewer swabs, but more meaningful analytical methods, such as blood cultures or invasive probes, must be attempted. Finally, interactions between clinicians, microbiologists and hospital hygienists are of great importance.

Kernaussagen
  • Das Engagement der Klinikleitungen im Antibiotic Stewardship muss besser werden: Die Dringlichkeit des Problems und ein strukturierter Plan zur Reduktion der Antibiotikaverordnungen müssen vermittelt werden.

  • Das pathophysiologische Verständnis von Infektionserkrankungen muss besser werden: Alle Symptome und Befunde eines Patienten sind sorgfältig zu erfassen und zu bewerten.

  • Dafür muss die Diagnostik von Infektionserkrankungen schneller und genauer werden.

  • Das Bewusstsein, die Sepsis als Notfall zu behandeln, muss steigen. Die Fokusidentifizierung und -sanierung muss in den Vordergrund rücken, auch wenn sie mit aufwendigerer Diagnostik verbunden ist.

  • Die mikrobiologische Präanalytik muss besser werden: Abstriche sollten als Diagnostik unterbleiben, da hier meist nur Kolonisationen erfasst werden. Die Abnahme von Blutkulturen sollte vor jeder Antibiotikatherapie erfolgen bei Patienten mit Sepsis, Endokarditis, Pyelonephritis oder Pneumonie.

  • Ärzte brauchen Mut, auf Antibiotika zu verzichten: Der Konsens innerhalb einer Abteilung zur Vorenthaltung von Antibiotika muss zunehmen. Konsentierte Argumentationshilfen (Flowcharts) sind hier hilfreich.

  • Antibiotikadosierungen und -auswahl müssen besser werden: Antibiotika sollten rechtzeitig beendet werden. Lokale Resistenzen müssen berücksichtigt werden.

  • Die Transparenz des Antibiotikaverbrauchs muss besser werden: Die Verordnungsdichte DDD/100 Patiententage zur Erfassung des Verbrauchs über die Zeit sollte überall verfügbar sein.

  • Die Interaktionen zwischen Klinikern, Mikrobiologen und Krankenhaushygienikern müssen besser werden.