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DOI: 10.1055/s-0043-116545
S2k-Leitlinie zur Diagnostik, Prävention und Therapie der Tuberkulose im Kindes- und Jugendalter[*]
Eine Leitlinie unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) e. V.Consensus-Based Guidelines for Diagnosis, Prevention and Treatment of Tuberculosis in Children and AdolescentsA Guideline on Behalf of the German Society for Pediatric Infectious Diseases (DGPI)Korrespondenzadressen
Publication History
Publication Date:
10 October 2017 (online)
- Zusammenfassung
- Abstract
- Finanzierung
- Methodik
- Danksagungen
- 1 Definitionen und Datengrundlage
- 2 Epidemiologie der Kindertuberkulose in Deutschland, Österreich und der Schweiz
- 3 Klinisches Bild der Tuberkulose
- 4 Diagnostik der Tuberkulose
- 5 Infektionsschutz
- 6 Prävention
- 7 Vorgehen bei Kindern und Jugendlichen mit latenter tuberkulöser Infektion
- 8 Therapie von Kindern und Jugendlichen mit sensibler pulmonaler Tuberkulose
- 9 Extrapulmonale und weitere Manifestationsformen der Tuberkulose
- 10 Therapie von Kindern und Jugendlichen mit resistenter Tuberkulose
- Literatur
Zusammenfassung
Aktuelle epidemiologische Daten zeigen in den letzten Jahren einen Anstieg der Tuberkulose im Kindes- und Jugendalter. Es findet sich zudem auch in Deutschland ein Anstieg von Infektionen mit gegenüber Tuberkulosemedikamenten resistenten Erregern. In diesem Zusammenhang stellt die Diagnose, Prävention und Therapie der Tuberkulose vor allem im Kindesalter eine Herausforderung dar.
Leitlinien für die Diagnostik und Therapie der Tuberkulose im Erwachsenenalter können nicht generell auf das Kindesalter übertragen werden, da hier relevante altersabhängige Unterschiede bzgl. der Krankheitsprogression, Krankheitsmanifestation, Unterschiede in der Anwendung von diagnostischen Maßnahmen und der Therapie bestehen.
Unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) e. V. wurde die S2k-Leitlinie für die Diagnostik, Prävention und Therapie der Tuberkulose im Kindes- und Jugendalter verfasst, um die adäquate Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Tuberkulose-Exposition, Infektion oder Erkrankung nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu sichern.
Aktualisierte Dosierungsempfehlungen berücksichtigen die altersabhängige Pharmakokinetik in der Therapie der medikamentensensiblen, aber auch resistenten Tuberkulose. Darüber hinaus werden die Themen perinatale Exposition und Erkrankung sowie die im Kindesalter häufigeren extrapulmonalen Manifestationsformen gesondert behandelt.
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Abstract
Recently, epidemiological data shows an increase of childhood tuberculosis in Germany. In addition to this, drug resistant tuberculosis becomes more frequent. Therefore, diagnosis, prevention and therapy in childhood and adolescence remain a challenge. Adult guidelines do not work for children, as there are age specific differences in manifestation, risk of progression and diagnostic as well as therapeutic pathways.
The German Society for Pediatric Infectious Diseases (DGPI) has initiated a consensus-based (S2k) process and completed a paediatric guideline in order to improve and standardize care for children and adolescents with tuberculosis exposure, infection or disease.
Updated dosage recommendations take age dependant pharmacokinetics in the treatment of drug sensitive but also drug resistant tuberculosis in account. In addition to this, there is a detailed chapter on perinatal exposure and disease as well as extrapulmonary manifestations.
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Folgende Organisationen und Fachgesellschaften waren durch Autoren während des gesamten Leitlinienprozesses vertreten:
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Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) [C. Feiterna-Sperling]
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Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie (GPP) [F. Brinkmann, F. Ahrens]
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Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI) [P. Hartmann, U. von Both]
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Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) [S. Thee]
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Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) [K. Kranzer, D. Hillemann]
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Deutsche Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie (DGGG) [K. Weizsäcker]
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Deutsche Gesellschaft für Pneumologie (DGP) [M. Barker]
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Bundesverband d. Ärztinnen u. Ärzte des Öffentl. Gesundheitsdienstes (BVÖGD) [F. Kunitz]
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Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie (GPR) [F. W. Hirsch, L. D. Berthold]
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Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) [T. Spindler, R. Schlags]
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Gesellschaft für Tropenpädiatrie und Internationale Kindergesundheit (GTP) e. V. [C. Adamczick, E. Maritz]
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Bundesarbeitsgemeinschaft Pädiatrische Pneumologie (BAPP) [A. Pizzulli]
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Pediatric Infectious Disease Group of Switzerland (PIGS) [C. Berger, N. Ritz]
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Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) [M. Bogyi, T. Frischer]
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Robert Koch-Institut (RKI) [W. Haas]
Abschließend beratend tätig war folgende Fachgesellschaft:
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Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie (SGPP) [J. Hammer]
Finanzierung
Die Erstellung der Leitlinie wurde finanziell unterstützt von der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie e. V. (DGPI) durch einen Beitrag von € 5000,00 und von der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V. (DGKJ) durch eine Zahlung von € 3500,00. Der Verwendungsnachweis der Gelder liegt vor und kann bei den Koordinatoren angefordert werden.
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Methodik
Ziel der Leitlinie ist es, den aktuellen Wissensstand zur Diagnose, Prävention und Therapie der Tuberkulose im Kindes- und Jugendalter darzustellen. Sie richtet sich an alle in der Prävention, Diagnostik und Behandlung der Tuberkulose beteiligten Ärzte und Personengruppen und dient als Informationsquelle und Leitfaden im stationären und ambulanten Bereich. Sie gilt für alle Säuglinge ab Geburt, Kinder und Jugendliche bis zum Alter von 17 Jahren mit dem Verdacht oder Nachweis einer Tuberkulose oder latenten tuberkulösen Infektion in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Die Erstellung der Leitlinie folgte der Systematik der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF, www.awmf.org) durch eine strukturierte Konsensfindung. Die Umsetzung wurde durch die DGPI als federführende Fachgesellschaft unter Beteiligung von Experten aller für die Tuberkulose relevanten Fachgesellschaften realisiert. Da es sich um eine S2k-Leitlinie handelt, fand keine systematische Literaturrecherche oder Evidenzbewertung statt. Berücksichtigt wurden die aktuellen Empfehlungen des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK), der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der American Thoracic Society (ATS) und des Centers for Disease Control (CDC). In der konstituierenden Leitliniensitzung wurden die Mitglieder der Leitliniengruppe nach fachlicher Expertise in zehn Arbeitsgruppen eingeteilt. In den folgenden Leitliniensitzungen wurden die erarbeiteten Kapitel Schritt für Schritt auf Inhalt, Empfehlungsstärke und Konzeptionelles mithilfe eines unabhängigen Moderators unter Hinzunahme der Delphi-Technik konsentiert. Die Empfehlungsstärken sind wie folgt festgelegt:
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„soll“, „sollen“ – hohe Empfehlungsstufe
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„sollte“, „sollten“ – mittlere Empfehlungsstufe
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„kann“, „können“ – niedrige Empfehlungsstufe
Nach Fertigstellung des Manuskriptes wurde dieses allen beteiligten Fachgesellschaften zur Verabschiedung vorgelegt und eine Frist von 6 Wochen zur Kommentierung eingeräumt. Eine Erklärung zu möglichen Interessenkonflikten wurde von allen Autoren erbracht und ist über die AWMF einsehbar. Die Gültigkeit der Leitlinie beträgt 5 Jahre; sollte es zwischenzeitlich wesentliche, wissenschaftlich belegte Änderungen geben, muss die Leitlinie gegebenenfalls vorher geändert werden.
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Danksagungen
Marina Birr, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Pädiatrie m. S. Pneumologie und Immunologie, Berlin
Prof. Dr. med. Christoph Bührer, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Direktor der Klinik für Neonatologie, Berlin
Dr. med. Barbara Kalsdorf, Forschungszentrum Borstel, Borstel
Prof. Dr. med. Beate Kampmann, Imperial College London, Director of the Centre for International Child Health, London, UK
PD Dr. med. Renate Krüger, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Pädiatrie m. S. Pneumologie und Immunologie, Berlin
Dr. rer. nat. Angela Nowag, Labor Dr. Wisplinghoff, Klinische Infektiologie, Köln
Prof. Dr. med. Helmut Schöfer, Universitätsklinikum Frankfurt, Goethe-Universität, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Frankfurt/Main
Dr. med. Marc Tebrügge, Faculty of Medicine, University of Southampton & Department of Paediatric Infectious Diseases & Immunology, Evelina London Children’s Hospital, London, UK
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1 Definitionen und Datengrundlage
1.1 Definitionen[1]
→ (modifiziert nach Brodhun et al. 2016 und WHO 2014 [1] [2])
Latente tuberkulöse Infektion (LTBI): Immunologischer Nachweis einer Infektion mit Erregern des Mycobacterium tuberculosis (M. tb.)-Komplexes (durch einen Tuberkulin-Hauttest [THT] oder Interferon Gamma Release Assays [IGRAs]) ohne Symptome oder Organmanifestation.
Tuberkulose (TB): Manifeste Erkrankung (im englischsprachigen Raum „active tuberculosis“) durch Erreger des M. tb.-Komplexes.
Pulmonale TB: Erkrankung des Lungenparenchyms und/oder Tracheo-Bronchialbaums.
Extrapulmonale TB: Befall von Organen und Organsystemen außerhalb des Lungenparenchyms oder Tracheo-Bronchialbaums (z. B. Pleuritis, Urogenitaltuberkulose).
Primäre pulmonale TB: Pulmonale TB mit typischen radiologischen Veränderungen[2] ohne weitere Komplikationen im Sinne von Tracheal- oder Bronchialkompression durch vergrößerte Lymphknoten, Lymphknoteneinbruch, Atelektasen oder Ergussbildung.
Komplizierte pulmonale TB: Pulmonale TB mit Komplikationen im Sinne von Kompression der Trachea oder Bronchien, Lymphknoteneinbruch, Kavernen oder Atelektasen.
Disseminierte TB: TB mit Befall von drei oder mehr Organsystemen.
Miliar-TB: Disseminierte TB durch hämatogene Aussaat.
Offene (infektiöse) Lungen-TB: Pulmonale TB mit einem positiven Kulturnachweis oder einem mikroskopischen Nachweis (= mikroskopisch offene/positive Lungen-TB) aus Sputum, bronchoalveolärer Lavage (BAL) oder anderem respiratorischen Material sowie Magensaft (gilt als verschlucktes respiratorisches Material).
Bakteriologisch bestätigte TB: Es liegt ein Nachweis von Mykobakterien des M. tb.-Komplexes aus der Untersuchung des biologischen Probenmaterials vor. Als Nachweis gelten ENTWEDER eine positive Kultur, unabhänig vom Ergebnis einer Untersuchung mittels NAT (Nukleinsäure-Amplifikationstechnik), ODER eine positive Mikroskopie mit Nachweis säurefester Stäbchen, die durch einen positiven NAT bestätigt wurde [3]. Der alleinige mikroskopische Nachweis säurefester Stäbchen oder ein alleiniger Nachweis des M. tb.-Komplexes mittels NAT erfüllt diese Definition nicht [1].
Klinisch diagnostizierte TB: Für TB charakteristische klinische, radiologische und/oder histologische Befunde, die zur Entscheidung einer antituberkulotischen Kombinationstherapie führen, ohne bakteriologische Bestätigung.
Infektionsrelevanter Kontakt: Exposition gegenüber einer infektiösen TB, bei der aufgrund von Dauer und Intensität des Kontaktes von einer möglichen Infektion ausgegangen werden muss (s. Kap. 5).
Heilung (engl.: „cure“): Bei kulturellem Nachweis von Bakterien des M. tb.-Komplexes vor Behandlungsbeginn vollständig durchgeführte Behandlung mit Nachweis einer negativen Kultur nach Abschluss der Behandlung und zu wenigstens einem früheren Zeitpunkt.
Therapie abgeschlossen (engl.: „therapy completed“): Nachweisliche Einnahme der Medikamente über den gesamten geplanten Therapiezeitraum ohne Vorliegen eines negativen kulturellen Untersuchungsergebnisses nach Abschluss der Therapie.
Therapieerfolg (engl.: „therapy success“): Die Summe aus Heilung und Therapie abgeschlossen.
Therapieversagen (engl.: „therapy failed“): Fünf Monate nach Behandlungsbeginn andauernde – oder nach kultureller Konversion erneute – kulturell nachweisbare Ausscheidung von Bakterien des M. tb.-Komplexes.
Tod an TB[3]: Tod an TB vor Beginn oder während der TB-Behandlung.
Tod an anderer Erkrankung: Tod an anderer Erkrankung (als TB) vor Beginn oder während der TB-Behandlung.
Unterbrechung der Behandlung: Über mindestens zwei aufeinanderfolgende Monate dauernde Unterbrechung der Behandlung.
Fortführung der Behandlung (engl.: „still on treatment“): Die Behandlung der TB ist nach mehr als 12 Monaten noch nicht abgeschlossen und wird weitergeführt, Ergebnis folgt noch.
Jegliche Resistenz: Resistenz gegen mindestens eines der Erstrang-Antituberkulotika.
Multiresistenz (engl.: „multidrug-resistant tuberculosis“, MDR-TB): Gleichzeitige Resistenz gegen Isoniazid (INH) und Rifampicin (RMP) sowie ggf. gegen weitere Antituberkulotika.
Polyresistenz: Resistenz gegen mindestens zwei Antituberkulotika, außer der Resistenz gegen INH und RMP, die als Multiresistenz bezeichnet wird (s. o.).
Extensive Resistenz (XDR-TB): Gleichzeitige Resistenz gegen INH und RMP (MDR-TB s. o.) sowie weitere Resistenzen gegenüber mindestens einem Fluorchinolon und gegen mindestens eines der drei injizierbaren Zweitrangmedikamente (Amikacin, Kanamycin, Capreomycin).
Erstrangmedikamente: Vier Antituberkulotika (INH, RMP, Pyrazinamid [PZA] und Ethambutol [EMB]), deren Wirkung (hohe Wirksamkeit, gute Verträglichkeit) in großen Studien belegt ist.
Zweitrangmedikamente: Alle anderen Substanzen, die in der TB-Therapie eingesetzt werden, für die aber eines oder mehrere Kriterien der Erstrangmedikamente (hohe Wirksamkeit, gute Verträglichkeit, eindeutige Studiendaten) nicht zutreffen.
Initialphase: Die ersten zwei Monate der Standardtherapie mit dem Ziel einer raschen Verminderung der Erregerzahl und Vermeidung von Resistenzbildung.
Kontinuitätsphase: An die Initialphase anschließende Therapiedauer mit dem Ziel einer Elimination der verbleibenden vitalen Erreger, um ein Rezidiv der TB zu verhindern.
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2 Epidemiologie der Kindertuberkulose in Deutschland, Österreich und der Schweiz
2.1 Deutschland
Der langjährige Rückgang der Erkrankungszahlen an TB ist in Deutschland beendet und seit 2009 werden stagnierende Zahlen bzw. ein Wiederanstieg auf 5865 TB-Fälle im Jahr 2015 registriert, welches einer Inzidenz von 7,3/100 000 Einwohnern entspricht [4]. Die Auswertung nach Staatsangehörigkeit ergab deutliche Unterschiede im Erkrankungsrisiko: 2015 lag die Inzidenz bei ausländischen Staatsbürgern bei 50,3/100 000 Einwohnern und war damit 20-mal so hoch wie in der deutschen Bevölkerung (Inzidenz 2,5/100 000). Im Kindesalter und bei jungen Erwachsenen war dieser Unterschied besonders deutlich. Kinder mit ausländischer Staatsangehörigkeit erkrankten im Vergleich zu deutschen Kindern mehr als 37-mal so häufig an einer TB (Inzidenz 21,4 vs. 0,6/100 000).
Seit 2009 sind die Inzidenzen bei Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren ansteigend und auch 2015 setzt sich der Trend mit 196 gemeldeten Erkrankungen und einer Inzidenz von 1,8/100 000 fort. Mit 2,2/100 000 (75 Fälle) war die Inzidenz bei Kindern unter 5 Jahren am höchsten. Wie bei Erwachsenen war auch im Kindesalter die Lungen-TB mit 142 Fällen (74 %) die häufigste Organmanifestation. Extrapulmonale Erkrankungen ohne pulmonale Beteiligung wurden in 50 Fällen (26 %) gemeldet. Die extrapulmonalen TB-Fälle bei Kindern manifestierten sich hauptsächlich in den Lymphknoten (insgesamt 29 Fälle [15,2 %]).
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2.2 Österreich
Die nationale Referenzzentrale in Österreich gibt eine absteigende Inzidenz der TB für alle Altersgruppen seit 1997 an [5]. So lag die 1-Jahres-Inzidenz 1997 bei 18,6/100 000 und fiel auf 6,7/100 000 im Jahr 2015. Dies entspricht nach ECDC- (European Centre for Disease Prevention and Control) Definition einem Niedriginzidenzland für TB (< 20/100 000/Jahr). Die TB-Inzidenz zeigt seit 2008 einen kontinuierlichen Rückgang. Die jährliche Inzidenz 2015 ist in der Altersgruppe der 5 – 14-Jährigen mit 1,6/100 000 am niedrigsten. Die höchste Inzidenz findet sich bei 15 – 24-Jährigen mit 10,4/100 000.
Insgesamt wurden 20 Fälle (davon 11 Nicht-Österreicher) von TB im Kindesalter (< 15 Jahre) im Jahr 2015 gemeldet. Epidemiologische Zahlen für die LTBI sind derzeit nicht verfügbar.
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2.3 Schweiz
In der Schweiz wurden 2014 in der Gesamtbevölkerung 494 TB-Fälle gemeldet, was einer Inzidenz von 6,0/100 000 entspricht [6]. Seit 2009 ist die Inzidenz gleichbleibend niedrig zwischen 5,8 und 7,3/100 000 [7]. Der Anteil gemeldeter TB-Neuerkrankungen bei Kindern- und Jugendlichen < 15 Jahren schwankt seit 1988 zwischen 3 – 7 %, was einer Inzidenz von 1,2 – 2,2/100 000 entspricht [6]. Zwischen 1996 und 2011 waren 48 % der gemeldeten Fälle bei Kindern unter 5 Jahre alt. Der Anteil nicht-Schweizer Kinder und Jugendlicher lag in derselben Zeitperiode durchschnittlich bei 82 %; dieser war in der Altersgruppe der 10 – 14-Jährigen am höchsten (91 %). Im Jahre 2014 waren 13 der 15 gemeldeten Fälle bei nicht-Schweizer Kindern und Jugendlichen aufgetreten. Unter den nicht-Schweizer Kindern und Jugendlichen stammten zwischen 1996 und 2011 47 % aus Europa.
Wichtige Links zu aktuellen epidemiologischen Daten:
Deutschland: http://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/T/Tuberkulose/Archiv_Berichte_TB_in_Dtl_tab.html
Österreich: https://www.ages.at/themen/krankheitserreger/tuberkulose/#services
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3 Klinisches Bild der Tuberkulose
3.1 Pathogenese
Eine Übertragung der langsam wachsenden Erreger des M. tb.-Komplexes findet hauptsächlich aerogen mittels kleiner als 5 µm großer Aerosolpartikel, sogenannter „droplets“, von Mensch zu Mensch statt. Es kommt zunächst zur Aufnahme des Erregers in die Alveolarmakrophagen mit nachfolgender, spezifischer T-Zell-Aktivierung. Dieses erste Infektionsstadium verläuft zumeist ohne klinische Symptome und wird als latente tuberkulöse Infektion (LTBI) bezeichnet, d. h. es handelt sich um eine tuberkulöse Primärinfektion ohne nachweisbaren Organbefund (Kap. 7).
Bei den meisten infizierten Personen persistieren die Erreger in den Endosomen der Alveolarmakrophagen. Es entwickelt sich ein radiologisch nicht nachweisbarer kleinster granulomatöser Herd, in dem eine Balance zwischen Replikation des Erregers und spezifischer T-Zell-Antwort besteht.
Nach einer Primärinfektion besteht in den folgenden zwei Jahren das höchste Risiko der Progression zu einer TB.
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3.2 Krankheitsprogressionsrisiko nach Altersgruppen
Das Krankheitsprogressionsrisiko und klinische Bild der TB weist erhebliche altersabhängige Unterschiede auf: Für Säuglinge und Kleinkinder besteht generell ein höheres Risiko der Progredienz von einer LTBI zu einer TB sowie eine höhere Letalität im Vergleich zu älteren Kindern und Jugendlichen. Das Krankheitsprogressionsrisiko liegt bei unbehandelten Kindern im 1. Lebensjahr bei bis zu 50 %, bis zum 3. Lebensjahr bei 25 %, danach im Kindesalter bei 2,5 – 5 %. Ein erhöhtes Erkrankungsrisiko von 10 – 15 % lässt sich danach erneut im Jugendalter beobachten [8]. Unbehandelte Kinder im ersten Lebensjahr weisen das vergleichsweise höchste Risiko für eine pulmonale TB (30 – 40 %) sowie für eine TB-Meningitis und/oder Miliar-TB (10 – 20 %) auf [8]. In einer Metaanalyse lag die TB-Letalitätsrate in Studien aus der Prä-Chemotherapie-Ära insgesamt bei 21,9 %, und war bei 0 – 4-Jährigen mit 43,6 % signifikant höher als bei den 5 –14-Jährigen (14,9 %) [9]. In neueren Studien, in denen Kinder Zugang zur antituberkulotischen Therapie hatten, lag die Letalitätsrate (0,9 % insgesamt; 2,0 % bei 0 – 4-Jährigen) deutlich niedriger [9].
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3.3 Klinisches Bild in verschiedenen Altersgruppen
3.3.1 Tuberkulose des Neugeborenen
Dieses seltene Krankheitsbild tritt bei einer perinatalen Infektion und nachfolgenden Erkrankung des Neugeborenen auf und ist bei oft disseminiertem Verlauf mit z. T. septischem Krankheitsbild mit einer hohen Letalität assoziiert. Diagnostische Kriterien und empfohlene Therapie werden in Kap. 9.13 (konnatale/perinatale Tuberkulose) beschrieben.
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3.3.2 Tuberkulose bei Säuglingen und Kleinkindern (> 4 Wochen bis 5 Jahre)
Die besonderen Merkmale der TB in dieser Altersgruppe sind:
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häufiges Fehlen TB-typischer Symptome ([Tab. 2]), auch im fortgeschrittenen Krankheitsstadium [10]
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Röntgen-Thoraxbild häufig uncharakteristisch und somit als alleiniges Diagnosekriterium nicht geeignet; ein Erregernachweis gelingt nur selten [11].
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akuter Krankheitsbeginn mit z. T. foudroyantem Verlauf und Sepsis-ähnlichem Bild möglich. Bei schleichendem Verlauf können generalisierte, nicht organspezifische Krankheitszeichen wie Fieber, Abgeschlagenheit, Inappetenz, Gedeihstörung und Gewichtsverlust auf eine TB hinweisen [12].
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signifikant häufigeres Auftreten von Miliar-TB, TB-Meningitis (ca. 5 % aller Formen) und extrapulmonalen Komplikationen – insbesondere osteoartikulären Manifestationen vor allem bei sehr jungen Kleinkindern und Säuglingen [13]
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3.3.3 Tuberkulose bei Vorschul- und Schulkindern (5 Jahre bis < 15 Jahre)
Die besonderen Merkmale der TB in dieser Altersgruppe sind:
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hoher Anteil (bis zu 25 %) asymptomatischer Verlaufsformen [14] [15]
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Husten über mehr als 2 Wochen, Gedeihstörung, anhaltendes Fieber unklarer Genese sowie eine persistierende unklare Vigilanzminderung sind klinische Symptome, die auf eine TB hinweisen können.
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Das Fehlen dieser Symptome schließt eine TB keinesfalls aus.
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Das Spektrum der Manifestationsformen der pulmonalen TB variiert von der Hiluslymphknoten-TB bis zur adulten Form mit Kavernenbildung [11].
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3.3.4 Tuberkulose bei Jugendlichen (ab 15 Jahre)
Die besonderen Merkmale der TB in dieser Altersgruppe sind:
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zunehmende Manifestation der TB-Symptomatik des Erwachsenenalters [16]. Neben den klinischen Zeichen von chronischem Husten > 2 Wochen, Gewichtsverlust und persistierendem Fieber können sich im Röntgen-Thorax Kavernen und häufig einseitige Pleuraergüsse zeigen. Es kann zu Hämoptysen kommen, Thoraxschmerzen können im Zusammenhang mit einer Pleuritis auftreten [17].
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3.4 Klinische Manifestationsformen
3.4.1 Latente tuberkulöse Infektion (LTBI)
Die LTBI beschreibt die Persistenz vitaler Erreger des M. tb.-Komplexes im Organismus nach einer Infektion ohne Organmanifestation. Infizierte Personen sind klinisch gesund und nicht infektiös. Verschiebt sich das Gleichgewicht zwischen immunologischer Kontrolle und bakterieller Aktivität zu Ungunsten der Immunität, kann sich aus der LTBI eine TB entwickeln.
Die LTBI ist durch ein positives Ergebnis eines immunologischen Tests (IGRA und/oder THT) mit gleichzeitigem Ausschluss einer TB definiert. Weitere Informationen zur Diagnose und Therapie der LTBI finden sich in Kap. 7.
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3.4.2 Pulmonale Tuberkulose
Zur Primärinfektion mit M. tb.-Komplex kommt es, wenn eine nicht infizierte Person ein infektiöses Aerosol inhaliert und dieses in die Alveolen gelangt. Hier vermehren sich die Erreger und werden durch die regionalen Lymphknoten (paratracheal, perihilär und subcarinal) und Lymphbahnen drainiert. Die hieraus entstehende Lymphadenitis wird zusammen mit der lokalen Entzündungsreaktion als Primärkomplex (auch Ghon-Focus) bezeichnet, der meist nur kurz nachweisbar (4 – 6 Wochen) ist. Somit fallen in der Regel zum Zeitpunkt der Diagnosestellung nur vergrößerte mediastinale oder hilusnahe Lymphknoten auf.
3.4.2.1 Primäre pulmonale Tuberkulose
Die primäre TB verläuft oft asymptomatisch, wegweisend können Allgemeinsymptome wie Fieber, Gewichtsverlust, persistierender Husten oder Inappetenz sein.
Von einer primären pulmonalen TB bei Kindern spricht man, wenn eine TB vorliegt mit typischen radiologischen Veränderungen ohne weitere Komplikationen im Sinne von Tracheal- oder Bronchialkompression durch vergrößerte Lymphknoten, Lymphknoteneinbruch, Atelektasen oder Ergussbildung.
Von einer komplizierten primären pulmonalen TB spricht man, wenn es zu Komplikationen im Sinne von Kompression der Trachea oder Bronchien, Lymphknoteneinbruch, Kavernen, Ergussbildung oder Atelektasen kommt.
Ursache hierfür ist in der Regel eine Zunahme der Entzündungsreaktion. In diesem Falle kann es durch Lymphknotenvergrößerungen zu einer Obstruktion des Bronchiallumens kommen. Klinisch kann hier ein in- und/oder exspiratorischer Stridor imponieren. Bei intrathorakaler Obstruktion kommt es zu ein- oder beidseitigem „Wheezing“, in manchen Fällen zu einem „Ventilmechanismus“ mit „Air-trapping“ und Überblähung.
Bei Verlegung des Lumens durch Lymphknoten oder nekrotischem Material infolge einer Lymphknotenperforation können Dystelektasen oder Atelektasen entstehen, in manchen Fällen zusätzlich Pneumonien mit oder ohne Ergussbildung. In diesen Fällen ist regelhaft die Indikation zu einer diagnostischen und/oder therapeutischen Bronchoskopie gegeben (s. Kap. 4.6). Zusätzlich kann es zu einer Ausbreitung der Infektion auf komplette Lungenabschnitte im Sinne einer Pneumonie kommen. Hier werden dann die typischen klinischen Symptome in Form von Husten, Gewichtsverlust, Fieber, Nachtschweiß und Appetitlosigkeit beobachtet. In diesen Fällen kann es bei Einschmelzung der nekrotischen Areale zur Kavernenbildung kommen.
3.4.2.2 Postprimäre pulmonale Tuberkulose
Diese entsteht in der Regel bei älteren Kindern und Jugendlichen und entspricht klinisch und radiologisch der pulmonalen TB des Erwachsenen. Sie manifestiert sich häufig in den apikalen Segmenten der Oberlappen (sog. „Simon’scher Spitzenherd“).
Die klinischen Symptome entsprechen denen der Erwachsenen-TB (Gewichtsabnahme, Husten, persistierendes Fieber, Nachtschweiß, Appetitlosigkeit). Es entwickeln sich häufig verkäsende Pneumonien und/oder Kavernen und unbehandelt führt diese Form der TB zu einer Destruktion des Lungengewebes.
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3.5 Extrapulmonale und weitere Tuberkulose
Extrapulmonale und weitere Manifestationsformen der TB werden in Kap. 9 erläutert.
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3.6 Differenzialdiagnose der Tuberkulose
Zur Differenzialdiagnose der TB gehören neben den Infektionen durch nicht-tuberkulöse Mykobakterien (NTM) je nach Klinik und Lokalisation auch eine Vielzahl viraler oder bakterieller Infektionen sowie autoimmunologische oder maligne Erkrankungen. Eine kurze Übersicht der wichtigsten Differenzialdiagnosen bietet [Tab. 1]:
CPAM: zystische adenomatoide Malformation der Lunge (engl.: „congenital pulmonary airway malformation“); CT: Computertomografie; IGRA: Interferon Gamma Release Assay; NAT: Nukleinsäure-Amplifikationstechnik; MRT: Magnetresonanztomografie; THT: Tuberkulin-Hauttest; „Tree-in-bud“-Muster: „Blütenzweig“-Phänomen, noduläre Verdichtungen von zentrilobulären, sich aufzweigenden Strukturen im CT-Thorax.
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4 Diagnostik der Tuberkulose
4.1 Datengrundlage
Bei Kindern mit einer TB gelingt oft kein kultureller Nachweis von Erregern des M. tb.-Komplexes (paucibazilläre Form der TB) [18], was die Durchführung von diagnostischen Validierungsstudien und diagnostischen randomisierten klinischen Studien erschwert. Daher beruht der große Teil dieses Kapitels auf Observations- und Kohortenstudien, die zum größten Teil retrospektiv sind. Folgende Kriterien definieren (einzeln oder in Kombination, s. u.) eine behandlungsbedürftige TB im Kindesalter:
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mikrobiologischer oder molekularbiologischer Nachweis von Bakterien des M. tb-Komplexes
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Infektions-relevanter Kontakt zu infektiöser TB (Indexfall), d. h. Exposition gegenüber einer infektiösen TB, bei der aufgrund von Dauer und Intensität des Kontaktes von einer möglichen Infektion ausgegangen werden muss.
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positiver THT bzw. IGRA als Nachweis einer tuberkulösen Infektion
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Bildgebende Diagnostik und/oder klinische Symptomatik und/oder Verlauf sind hinweisend auf eine TB.
Die Diagnose einer TB gilt als gesichert, wenn der Erregernachweis erbracht wurde (a). Eine Diagnose kann angenommen werden, wenn Kombinationen von (b), (c) und (d) oder (c) und (d) vorliegen. Ein bekannter infektionsrelevanter Kontakt (b) zusammen mit einem positiven immunologischen Test (THT und/oder IGRA; c) belegen eine Infektion und erfordern weitere Untersuchungen zum Nachweis oder Ausschluss einer TB [11].
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4.2 Anamnese
Bei Kindern und Jugendlichen mit infektionsrelevantem Kontakt zu einer Person mit einer TB sollen Symptome einer TB ([Tab. 2]) gezielt anamnestisch erfragt und gleichzeitig eine weiterführende Diagnostik eingeleitet werden.
Altersgruppe |
Symptome |
Neugeborene/Säuglinge |
Pneumonie |
unerklärter Gewichtsverlust (> 5 %) oder Gedeihstörung (Perzentilenabweichung > 2 SD oder Gewicht < P 3) |
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persistierendes (> 1 Woche) und unerklärtes Fieber > 38 °C |
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unklare Hepatosplenomegalie |
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sepsisartige Erkrankung ohne Ansprechen auf eine adäquate Therapie Meningitis (Krampfanfälle, Vigilanzminderung) |
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Kinder und Jugendliche |
persistierender Husten > 2 Wochen, Hämoptysen, Nachtschweiß |
unerklärter Gewichtsverlust (> 5 %) oder Gedeihstörung (Perzentilenabweichung oder Gewicht < P 3) im Verlauf der letzten 3 Monate |
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persistierendes (> 1 Woche) und unerklärtes Fieber > 38 °C |
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Abgeschlagenheit, Spielunlust, Appetitverlust |
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Erythema nodosum |
SD: Standardabweichung; P: Perzentile.
Risikofaktoren für eine TB:
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Kontakt zu TB-Patienten oder Personen mit hohem TB-Risiko
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Herkunft des Kindes oder eines Familienmitgliedes aus einem Land mit hoher TB-Prävalenz, oder Aufenthalt in einem solchen Land
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Immundefekt, angeboren oder erworben (z. B. durch eine HIV-Infektion) [20] oder eine immunsuppressive Therapie
Weitere Faktoren, die bei der Diagnostik zu berücksichtigen sind:
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BCG-Impfstatus
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Indexpatienten (Intensität des Kontaktes, Infektiosität, Erregerresistenzprofil)
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Vorliegen von Komorbiditäten (z. B. HIV-Infektion)
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Medikamentenanamnese (z. B. immunsuppressive Therapie)
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Bei allen Kindern und Jugendlichen mit infektionsrelevantem Kontakt zu einer Person mit TB soll eine TB-Diagnostik erfolgen.
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Bei allen Kindern oder Jugendlichen mit suspekter Klinik oder Anamnese soll eine TB-Diagnostik erfolgen.
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4.3 Klinische Untersuchung
Auch bei Kindern ist die Lunge einschließlich der dazugehörigen Lymphknoten das am häufigsten betroffene Organ. Die häufigste extrathorakale Form betrifft Lymphknoten (v. a. zervikal). Die klassischen Symptome und klinischen Hinweise für eine TB (s. [Tab. 2]) finden sich bei Kindern und Jugendlichen deutlich seltener als bei Erwachsenen, viele Fälle präsentieren sich oligo- oder asymptomatisch. Eine Studie aus dem Jahr 2006 bei Kindern in Südafrika zeigte für die typische Symptomtrias von Husten, Nachtschweiß und Gewichtsverlust bei Kindern unter drei Jahren eine Sensitivität von 52 % [8]. Eine weitere aktuelle Studie aus Südafrika, in die Kinder und Jugendliche < 15 Jahren eingeschlossen wurden, bestätigte die geringe Sensitivität klinischer Symptome [21]. Sie zeigte, dass einzig ein Gewichtsverlust eine Sensitivität von 82 % aufwies, jedoch mit einer geringen Spezifität von nur 33 % [21]. Auch für eine zervikale Lymphadenopathie wird eine gute Sensitivität bei allerdings eingeschränkter Spezifität angegeben [22].
Neben einer mikrozytären, hypochromen Anämie sind bei Patienten mit einer TB häufig das C-reaktive Protein (CRP) und die Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BSG) als Marker einer systemischen Inflammation erhöht. Diese Parameter können mit dem Krankheitsverlauf korrelieren, sind jedoch unspezifisch und können durch viele Faktoren (z. B. interkurrierende Infektionen, Wirts- und mykobakterielle Faktoren) beeinflusst werden [23].
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4.4 Immunologische Testverfahren
Für die Testung stehen der Tuberkulin-Hauttest (THT) und Interferon Gamma Release Assays (IGRAs) zur Verfügung. Beide Testverfahren prüfen die Reaktion von M. tb.-spezifischen Gedächtnis-T-Lymphozyten.
4.4.1 Tuberkulin-Hauttest
Für den THT werden 0,1 ml Tuberkulin (in Deutschland, Österreich und der Schweiz 2 TU PPD-RT 23 des Statens Serum Instituts Kopenhagen) oder eine bio-äquivalente Dosis einer anderen Tuberkulin-Präparation nach Empfehlung des Herstellers und internationalen Empfehlungen [24] mittels einer Tuberkulinspritze (1-ml-Spritze mit einer kurzen angeschrägten Nadel 25 bis 27G) an der Volarseite des linken Unterarmes nach der Mendel-Mantoux-Methode streng intrakutan appliziert. Das Ergebnis wird nach 48 – 72 Stunden als transversaler Indurationsdurchmesser in mm ermittelt und im Impfausweis dokumentiert. Entscheidend ist die Induration, eine Hautrötung allein ist ohne diagnostischen Wert und wird bei der Ausmessung nicht berücksichtigt. Stempeltests sind generell nicht zu empfehlen.
Die durchschnittliche Sensitivität des THT für eine TB ist abhängig von der Größe der Induration („Cut-off“) und liegt in gepoolten Analysen zwischen 67 – 91 %. Die Spezifität des THT ist durch mehrere Faktoren beeinflusst, insbesondere durch das Alter sowie eine frühere BCG-Impfung und liegt zwischen 49 – 93 % [28] [29] [30]. Der positive prädiktive Wert des THT für die Entwicklung einer TB ist ebenfalls von mehreren Faktoren abhängig (Größe der Induration, Alter, Setting der Studie und Prävalenz der TB) und liegt in unterschiedlichen Studien zwischen 1,5 – 2 % bei 4-Jährigen und bis zu 33 % bei 5-Jährigen [31] [32] [33]. Insbesondere junges Alter und eine kürzlich erfolgte TB-Exposition sind Risikofaktoren für eine Progression zu einer TB [34].
Der THT kann aufgrund von Kreuzreaktivität mit NTM sowie nach einer BCG-Impfung falsch positiv ausfallen. Für die BCG-Impfung zeigt eine systematische Übersichtsarbeit, die Daten von mehr als 230 000 Kindern ausgewertet hat, dass bei einer Induration von ≥ 10 mm lediglich 2,6 % der THT-Testergebnisse aufgrund einer BCG-Impfung im ersten Lebensjahr falsch positiv werden [35].
Ein negatives Testergebnis schließt jedoch eine TB oder LTBI nicht aus. So kann es bei einer akuten oder disseminierten TB, aber auch nach einer Masernimpfung oder -Infektion zu einer temporären Suppression der zellvermittelten Immunantwort und damit zu einem falsch negativen THT-Ergebnis kommen [36]. Das immuno-diagnostische Screening soll deshalb zeitgleich oder vor einer Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln durchgeführt werden. Falls eine Masernimpfung kürzlich verabreicht wurde oder eine Masernerkrankung vorliegt, sollen 4 – 6 Wochen Abstand zur Masernimpfung/-infektion für die TB-Testung eingehalten werden [36]. Auch eine HIV-Infektion, eine Therapie mit Kortikosteroiden oder anderen Immunsuppressiva können zu falsch negativen Ergebnissen führen.
Bei Kindern unter 5 Jahren sollte der THT der bevorzugte immunologische Test sein, bei Kindern ab 5 Jahren und Jugendlichen kann alternativ ein IGRA oder THT eingesetzt werden. Eine simultane Testung mit THT und IGRA kann sinnvoll sein, wenn z. B. ein hohes Risiko für eine TB oder eine rasche Krankheitsprogression besteht (Kinder < 2 Jahren, Kinder mit Immundefizienz) oder eine TB-Diagnostik nach Kontakt zu einer resistenten TB erfolgt. Bei diskordanten Ergebnissen (THT +/IGRA-oder THT-/IGRA +) wird das Gesamtergebnis der Testung als positiv bewertet. Die Befundinterpretation erfolgt individuell unter Berücksichtigung der Gesamtkonstellation (z. B. BCG-Impfstatus).
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4.4.2 Interferon Gamma Release Assays (IGRA)
Als zweiter immuno-diagnostischer Test mit einer höheren Spezifität stehen die IGRAs zur Verfügung. Bei den derzeit gebräuchlichen IGRAs wird Blut 16 – 24 Stunden lang mit mykobakteriellen Antigenen inkubiert. Die Antigene, die zum Einsatz kommen, sind bei Erregern des M.-tb.-Komplexes (M. tuberculosis, M. africanum, M. bovis) und nur bei wenigen seltenen nichttuberkulösen Mykobakterien (z. B. M. kansasii, M. marinum, M. szulgai) vorhanden, kommen aber nicht in BCG-Impfstoffen vor. Die resultierende Interferon-gamma (IFN-γ)-Produktion der Gedächtnis-T-Zellen wird mittels enzyme-linked immunosorbent assay (ELISA) oder enzyme-linked immuno spot assay (ELISPOT) gemessen und das Ergebnis in IU/ml (QuantiFERON-TB Gold®, jetzt der Nachfolgetest QuantiFERON-TB Gold Plus®) oder in der Anzahl IFN-γ-produzierender Spots (T-SPOT.TB®) angegeben.
Bei dem QuantiFERON-TB Gold Plus® kommen neben Positiv- und Negativkontrolle zwei verschiedene Antigen-Röhrchen zum Einsatz, die nach Angaben des Herstellers eine spezifischere zellvermittelte Immunreaktionen von CD4-positiven T-Helfer-Lymphozyten bzw. CD8-positiven zytotoxischen T-Lymphozyten auslösen sollen. Derzeit liegen nur wenige Daten betreffend der Sensitivität dieses modifizierten IGRAs bei Kindern und Jugendlichen vor.
Bezüglich der IGRAs ist anzumerken, dass jüngere Kinder in einigen Studien häufiger falsch negative oder nicht verwertbare Testergebnisse („indeterminate results“) gezeigt haben [25] [26] [27] [28] [29] [30]. Dies kann durch eine altersabhängig geringere IFN-γ-Produktion bei jüngeren Kindern bedingt sein [29] [30] [31] [32] [33]. Aus diesem Grund ist der Stellenwert der IGRAs bei jüngeren Kindern derzeit noch unklar. Einige nationale Empfehlungen raten vom Gebrauch von IGRAs bei Kindern (< 5 Jahren) ab und empfehlen präferenziell den Einsatz des THT [34] [35].
In den letzten Jahren wurden IGRAs in zahlreichen pädiatrischen Studien geprüft und in fünf Metaanalysen verglichen [36] [37] [38] [39] [40]. In diesen Metaanalysen war die durchschnittliche Sensitivität für eine TB 70 – 83 % für den QuantiFERON-TB Gold® und 62 – 76 % für den T-SPOT.TB® Test [36] [37]. Die Spezifität für eine TB war durchschnittlich sehr hoch mit 91 – 100 % für den QuantiFERON-TB Gold® Test und 90 – 96 % für den T-SPOT.TB® [36] [37].
Leider gibt es keine gute Möglichkeit, die Sensitivität und Spezifität der immuno-diagnostischen Tests bei der LTBI zu berechnen, da für die Diagnose einer LTBI ein Goldstandard fehlt. Einige Studien haben allerdings gezeigt, dass der Grad der TB-Exposition (Dauer, Enge des Kontaktes) besser mit den IGRAs als mit dem THT korreliert [31] [41]. Eine Studie in Deutschland zeigte bei nicht-therapierten Kindern mit einer LTBI und positivem QuantiFERON-TB Gold® Test eine Progressionsrate zur TB von 29 % über drei Jahre [42]. Eine ähnliche kumulative 5-Jahres-Progressionsrate von 33 % wird in einer niederländischen Studie für Kinder < 5 Jahren nach TB-Exposition beschrieben [43].
Zwischen Kontakt mit M. tb.-Komplex und Entwicklung eines positiven Testes können mehrere Wochen vergehen. Daten zur Latenzphase des THT zwischen Infektion und Auftreten eines positiven Testresultates zeigen, dass der THT durchschnittlich nach 5 Wochen positiv wird und es selten später als nach 8 Wochen zu einer Tuberkulinkonversion kommt [44]. Daher empfehlen die meisten Richtlinien einen initial negativen THT insbesondere bei jungen Kindern 6 – 8 Wochen nach Exposition zu wiederholen [45] [46]. Spezifische Daten zur Latenzphase der IGRAs bei Kindern existieren nicht. Daten bei Erwachsenen lassen jedoch darauf schließen, dass ein positives Ergebnis typischerweise nach 4 – 7 Wochen zu erwarten ist, aber in Einzelfällen bis zu 22 Wochen dauern kann [47]. Ein negatives Ergebnis eines oder beider immunologischer Teste schließt eine TB oder LTBI keineswegs aus (THT und IGRA haben in etwa 10 % falsch-negative Ergebnisse) [36] [38].
Beide immunologische Testverfahren können über einen längeren Zeitraum auch nach Abschluss einer Behandlung positiv bleiben und erlauben keine Aussage über den Erfolg einer Therapie.
Sowohl THT als auch IGRA sind in der Sensitivität bei immunkompromittierten Kindern und Jugendlichen deutlich vermindert, sie können abhängig von der Immundefizienz auch falsch negativ ausfallen. Es bleibt unklar, ob IGRAs in dieser spezifischen Gruppe von Patienten von Vorteil sind [40]. Publizierte Studien hierzu bei Kindern und Jugendlichen sind spärlich und es gibt keine Metaanalysen in dieser Untergruppe bei Kindern. Drei Metaanalysen bei Erwachsenen zeigen jedoch, dass die Sensitivität für eine TB vermindert ist und bei 61 – 76 % für den QuantiFERON-TB Gold®- und 72 – 77 % für den T-SPOT.TB®-Test liegt [48] [49] [50]. Valide serologische Verfahren zum Nachweis einer manifesten TB existieren zur Zeit nicht [51]. Eine 2017 veröffentliche In-vitro-Studie belegt, dass Kortikosteroide und TNF-alpha-Inhibitoren falsch negative IGRA-Ergebnisse bedingen können. Dies bedeutet, dass negative IGRA-Ergebnisse bei immunsupprimierten Patienten immer mit Vorsicht interpretiert werden müssen und eine TB oder LTBI nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann [52].
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Als positive Reaktion für den THT gilt generell eine Induration von > 5 mm.
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Der THT sollte bei Kindern unter 5 Jahren der bevorzugte immunologische Test sein.
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Bei jüngeren Kindern kann ein IGRA gleichzeitig mit einem THT erfolgen, da der Stellenwert des IGRAs bei Kindern < 5 Jahren noch nicht abschließend validiert ist.
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Bei besonders gefährdeten Kindern und Jugendlichen (Alter < 2 Jahre, Immundefizienz, Kontakt zu resistenter TB) sollte eine simultane Testung mit THT und IGRA erfolgen.
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Bei gleichzeitiger Durchführung von THT und IGRA soll bei diskordanten Ergebnissen (THT +/IGRA- oder THT-/IGRA +) das Gesamtergebnis der Testung als positiv bewertet werden.
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Ein negatives Testergebnis des THT und/oder IGRA schließt eine TB nicht aus. Wurde die initiale Testung < 8 Wochen nach infektionsrelevantem Kontakt erhoben, soll eine zweite Testung mindestens 8 Wochen nach letztem möglichen Kontakt erfolgen.
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Weder THT noch IGRAs können zwischen einer LTBI und einer TB unterscheiden. Im Falle eines als pathologisch gewerteten Tests soll eine weiterführende TB-Diagnostik erfolgen.
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Fällt ein immunologischer Test positiv aus, soll er nicht im Verlauf wiederholt werden.
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Trotz der niedrigeren Sensitivität von THT und IGRA sollten bei Kindern und Jugendlichen mit einer primären oder sekundären Immundefizienz eine immunologische Infektionsdiagnostik sowie auch eine weiterführende TB-Diagnostik erfolgen.
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Derzeitig kommerziell erwerbliche serologische Verfahren sollen zur Diagnose der TB nicht eingesetzt werden.
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4.5 Bildgebende Diagnostik
4.5.1 Röntgenaufnahme der Lunge
Eine Röntgenaufnahme in p. a.-Projektion gilt im Regelfall als ausreichend. Im Kindesalter ist jedoch die Sensitivität und Spezifität des Röntgenbildes für eine TB insgesamt eingeschränkt [53] [54].
Vergrößerte Hiluslymphknoten, entweder mit oder ohne Bronchuskompression, sind bei einer TB oft zu sehen [55].
Es können isolierte, einfache pneumonische Veränderungen vorliegen, bevorzugt homogene Verschattungen, aber auch fleckige, noduläre oder streifige Verdichtungen nachweisbar sein. Bei einer Miliartuberkulose sind diffus feinnoduläre bzw. retikuläre Verschattungen charakteristisch. Typische Veränderungen des Erwachsenenalters (Pleuritis exsudativa, Kavernen, Spitzenherde) sind bei jüngeren Kindern erfahrungsgemäß selten, ebenso die im späteren Verlauf auftretenden postentzündlichen Verkalkungen der Hiluslymphknoten oder Spitzenherde.
Während bei Erwachsenen typischerweise TB-Herde in den apikalen Oberlappen gefunden werden, unterscheidet sich das Muster bei Kindern auch hier: Die Befunde sind häufiger in den Lungenabschnitten mit guter Ventilation zu finden, nämlich im Mittel- und Unterlappen sowie im anterioren Oberlappensegment [56].
Der Wert der seitlichen Röntgenaufnahme ist umstritten, sie wird jedoch in Ländern mit hoher TB-Inzidenz routinemäßig durchgeführt. Zwei neuere Studien belegen jedoch keinen zusätzlichen Nutzen [54] [57]. Sie kann in begründeten Einzelfällen ergänzend durchgeführt werden, da in der seitlichen Aufnahme gelegentlich eine infracarinal oder retrokardial gelegene Lymphadenopathie besser zu erkennen ist. Ein unauffälliges Röntgenbild schließt eine TB nicht aus.
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4.5.2 Weitere bildgebende Diagnostik der Lunge
4.5.2.1 Ultraschall
In der initialen Diagnostik der pulmonalen TB hat die Ultraschalluntersuchung aktuell in Niedriginzidenzländern einen nachgeordneten Stellenwert. Pleuraergüsse können jedoch gut im Verlauf beurteilt werden. Zudem können Ultraschall-gesteuerte Punktionen in einigen Fällen als Alternative zur Computertomografie (CT)-gesteuerten Punktion durchgeführt werden, und zwar dann, wenn der Punktionszielort nicht von belüfteter Lunge überdeckt wird.
4.5.2.2 Computer- und Magnetresonanztomografie
Die CT-Untersuchung der Lunge soll seltenen Fällen mit schwieriger Differenzialdiagnostik oder Verdacht auf Komplikationen vorbehalten bleiben. Eine Kontrastmittelgabe wird empfohlen [58]. Die Magnetresonanztomografie (MRT) kann und sollte bei entsprechender Expertise alternativ zur CT-Untersuchung eingesetzt werden. Die Untersuchung ist technisch anspruchsvoller als die CT-Untersuchung und muss unbedingt mit Atemtriggerung (Bewegungskorrektur) durchgeführt werden. Atemangehaltene Sequenzen sind bisher bei Kindern nicht etabliert [59] [60]. Bei diagnostisch unzureichenden Bildern durch Artefakte (20 % der Untersuchungen) muss eine CT-Untersuchung angeschlossen werden.
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4.5.3 Bildgebung bei extrapulmonalem Tuberkulose-Verdacht
Bei extrapulmonalem TB-Verdacht soll entsprechend der Lokalisation eine je nach betroffenem Organ differenzierte, lokale Bildgebung durchgeführt werden. Primär ist eine Ultraschalldiagnostik für extrapulmonale Manifestationen als Initialdiagnostik und Verlaufskontrolle zu empfehlen.
Knochen- und Gelenk-TB Eine typische Manifestation ist die tuberkulöse Spondylodiszitis. Hier sind Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen angezeigt, gefolgt von einer MRT-Untersuchung, die zwingenderweise eine T1-Sequenz nach Kontrastmittelgabe mit Fettsättigung enthalten muss [61]. Die radiologischen Zeichen der TB ähneln denen einer chronischen pyogenen Osteomyelitis.
Meningeale/zerebrale TB Standard-MRT des Schädels inklusive T1-gewichteter Sequenz nach Kontrastmittelgabe ist die Methode der Wahl [62]. Das zerebrale CT ist dem MRT in der Diagnostik der TB-Meningitis unterlegen, kann jedoch alternativ in der Akutdiagnostik oder bei Kontraindikationen für ein MRT durchgeführt werden [63].
Organ-TB Untersuchung des betroffenen Organs zunächst mit Ultraschall sowie bei positivem Befund eine ergänzende MRT-Untersuchung mit einem „State of the art“-MRT-Protokoll, einschließlich einer T1-gewichteten Sequenz mit Fettsättigung nach Kontrastmittelgabe [64].
Darm-TB Bildgebung mit Ultraschall, CT und MRT ist oft nicht zielführend. Bildgebende Befunde sind hierbei lediglich die Lymphadenopathie des Mesenteriums, gelegentlich jedoch auch eine lokale Darmwandverdickung, häufig ist Aszites nachweisbar.
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Wenn ein klinischer Verdacht auf eine pulmonale TB besteht oder im Rahmen einer Umgebungsuntersuchung eine Bildgebung erforderlich ist, soll ein Thorax-Röntgenbild als Diagnostik der ersten Wahl angefertigt werden.
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Eine Durchleuchtungsuntersuchung, die in den meisten Ländern nicht mehr üblich ist, soll nicht zur Diagnostik der TB im Kindes- und Jugendalter durchgeführt werden.
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Eine seitliche Röntgenaufnahme der Lunge ist nicht routinemäßig indiziert, kann aber bei unklaren Befunden ergänzend durchgeführt werden.
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4.6 Bronchoskopie
4.6.1 Indikationsstellung
Zum Erregernachweis im Atemwegsekret ist die Endoskopie mit bronchoalveolärer Lavage (BAL) nicht routinemäßig indiziert, da ihre Sensitivität der von wiederholten Magensaft- oder induzierten Sputumproben in allen Altersgruppen nicht eindeutig überlegen ist [46] [65] [66] [67]. Kinder und Jugendliche mit Verdacht auf eine Lungen-TB und radiologischem Hinweis auf eine Belüftungsstörung sollten dagegen bronchoskopiert werden, um zwischen einer endobronchialen TB mit Lumenobliteration durch Granulome und einer externen Bronchialkompression durch vergrößerte Lymphknoten zu differenzieren. Im ersteren Fall ist die Bronchoskopie auch therapeutisch indiziert, um Granulomgewebe abzutragen und damit die Belüftung im poststenotischen Lungenabschnitt zu verbessern. Darüber hinaus kann bei Schulkindern und Jugendlichen mit vergrößerten intrathorakalen Lymphknoten im Röntgen-/CT-Bild, aber mikroskopisch negativen Sputum-/Magensaftbefunden, unklarem bzw. bakteriologisch negativem Indexpatienten oder bei Verdacht auf resistente TB eine endobronchiale Ultraschall-gesteuerte transbronchiale Nadelaspiration (EBUS-TBNA) aus zentralen Lymphknoten zur Materialgewinnung eingesetzt werden. Bei Erwachsenen hat eine EBUS-TBNA eine sehr hohe diagnostische Wertigkeit von über 90 % für die Diagnosesicherung bei Patienten mit endobronchialer tuberkulöser Lymphadenopathie [68].
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4.6.2 Praktische Durchführung
Aus Infektionsschutzgründen sollte die Endoskopie als letzte Prozedur am Untersuchungstag geplant werden und Untersucher sowie Assistenzpersonal Partikel-filtrierende Atemschutzmasken, eine FFP2- (FFP: engl. „Filtering Face Piece“) oder FFP3-Atemschutzmaske und eine Schutzbrille tragen. Eine BAL sollte zur Optimierung der Erregergewinnung aus mehreren Segmenten beider Lungen gewonnen werden. Zur primären Inspektion und BAL unter Sicht hat sich eine flexible Bronchoskopie vielfach bewährt, für eine interventionelle Granulomentfernung muss eventuell auf ein starres Bronchoskop gewechselt werden. Einzelne Zentren haben positive Erfahrungen mit der EBUS-TBNA (s. o.) gesammelt, die eine effektive und sichere Gewinnung repräsentativer Gewebeproben für Mykobakterien-NAT und -Kultur ermöglicht [66] [67] [69].
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Eine Bronchoskopie soll bei radiologischen Hinweisen auf eine Belüftungsstörung durchgeführt werden.
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Bei Kindern und Jugendlichen aller Altersgruppen mit Verdacht auf eine pulmonale TB sollte der Erregernachweis primär aus Sputum/Magensaft erfolgen. In speziellen Fällen kann zur Materialgewinnung auch eine Bronchoskopie mit Sekretaspiration, Lavage und/oder Biopsie indiziert sein.
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Unmittelbar postbronchoskopisch sollten Magensaft- und/oder Sputumproben asserviert werden.
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4.7 Erregernachweis
4.7.1 Untersuchungsmaterial und Probengewinnung
4.7.1.1 Pulmonale Tuberkulose
Für den Nachweis von Mykobakterien ist bei Säuglingen und Kleinkindern die Aspiration von Magensaft die Methode der Wahl. Im Idealfall wird er morgendlich (4 Stunden nüchtern) an drei aufeinanderfolgenden Tagen wie nachfolgend beschrieben entnommen. Ab dem Schulalter (> 5 Jahre) eignet sich die dann in der Qualität ggf. überlegene oder zumindest gleichwertige Sammlung von mindestens drei induzierten Sputa.
Die BAL erfolgt allenfalls zusätzlich zu den genannten Untersuchungen. Die dreimalige Aspiration von Magensaft, der bei Kleinkindern verschluckte respiratorische Sekrete enthält, ergab 30 % höhere Erregernachweisraten als die einmalige Untersuchung und war der Diagnostik mit zwei induzierten Sputumproben überlegen [65] [70] [71]. Die Untersuchung von Nasopharyngealsekret, tiefen Rachenabstrichen und Stuhl hat eine geringere Sensitivität, ist weniger gut evaluiert und kann nicht als primäre Diagnostik empfohlen werden [72].
Anleitung zur Gewinnung von Magensaft bei Verdacht auf pulmonale TB Magensonde einführen, Lage überprüfen, 10 – 20 ml Magensekret nach einer Nüchternphase (bei Säuglingen vor der nächsten Mahlzeit) aspirieren (falls < 5 ml Sekret aspiriert, Magen mit 20 ml Aqua dest. oder NaCl 0,9 % spülen und nach 1 – 2 Minuten 20 ml des verdünnten Magensekrets aspirieren). Das Aspirat muss neutralisiert (pH7; z. B. mit pHydrion-Puffersatz in 20 ml Aqua dest. gelöst) und innerhalb von 4 Stunden ins Mikrobiologielabor versandt werden, ggf. kann diese Untersuchung auch ambulant erfolgen.
Anleitung zur Gewinnung von induziertem Sputum (ab dem Schulalter) [73] Die Inhalation mit einem Bronchodilatator (z. B. Salbutamol) vor Inhalation mit hypertoner Kochsalzlösung hat sich bewährt, dann Mund gut mit NaCl 0,9 % oder Aqua dest. ausspülen, um Kontamination mit NTM aus dem Leitungswasser zu verhindern; Inhalation mit 3 ml NaCl 3 – 5 % [74] [75] via Inhalationsgerät, idealerweise mit Physiotherapie: tief ein- und ausatmen lassen, Atem 2 – 3 Sekunden anhalten, möglichst einige Male wiederholen, um die Sputumproduktion anzuregen. Nach erneut tiefer Inspiration Sputum aushusten. Röhrchen mit Sputum (nativ) möglichst rasch, innerhalb von 4 Stunden ins Mikrobiologielabor versenden.
4.7.1.2 Extrapulmonale Tuberkulose
Bei extrapulmonaler TB sollen, wenn immer möglich, Proben vom Ort der Infektion gewonnen und untersucht werden. Neben Mikroskopie und Kultur spielt insbesondere die molekulare Diagnostik eine Schlüsselrolle.
Grundsätzlich sind Proben von üblicherweise sterilen Geweben/Flüssigkeiten (Liquor, Blut, Punktate, Gewebeproben) von anderen Proben (Stuhl) zu unterscheiden, letztere werden im Labor dekontaminiert. Wie in [Tab. 3] im Detail angegeben, Probenmaterial in genügender Menge nativ oder bei Austrocknungsgefahr in wenig sterilem NaCl 0,9 % möglichst ohne andere Zusätze (kein Formalin, keine Watteträger etc.) in einem sterilen Gefäß sofort ins Mikrobiologielabor senden. Gewebe und festeres Material eignet sich besser als klare Flüssigkeiten (bessere Sensitivität). Bei Verdacht auf eine vertikal übertragene TB auch Plazentagewebe histologisch und mikrobiologisch untersuchen [76] [77] [78]. Aszites, Pleurapunktat und Liquor können auch in dieser Weise untersucht werden.
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4.7.2 Mikrobiologische Verfahren
Die Erreger der Tuberkulose (Tuberkulosebakterien, M. tb.-Komplex) sind
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Mycobacterium tuberculosis
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M. africanum
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M. bovis ssp. bovis (Synonym M. bovis)
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M. bovis ssp. caprae (Synonym M. caprae)
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M. microti
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M. pinnipedii
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M. mungi*
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M. orygis*
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M. canettii*
* nicht valide beschriebene Spezies
Der Impfstamm BCG (Bacille Calmette-Guérin) wird nicht zu den pathogenen Erregern der TB gerechnet. Bei Patienten mit Immundefekten kann BCG auch zu disseminierten Infektionen führen, eine BCG-Impfung ist daher bei Verdacht auf einen Immundefekt kontraindiziert.
4.7.2.1 Mikroskopie
Die mikroskopische Untersuchung erlaubt den Nachweis säurefester Stäbchen im Untersuchungsmaterial. Dieser kann lichtmikroskopisch z. B. nach Ziehl-Neelsen-Färbung oder mittels Fluoreszenzmikroskopie nach z. B. Auramin-Färbung erfolgen. Für den mikroskopischen Nachweis müssen die Mykobakterien in hoher Keimzahl (104 Keime/ml) vorkommen ([Tab. 4]). Aufgrund der geringen Sensitivität der Methode kann bei einem negativen Ergebnis eine TB nicht ausgeschlossen werden. Weiterhin können durch diese Methode Erreger des M. tb.-Komplexes nicht von NTM unterschieden werden, sodass eine nachfolgende Identifizierung mithilfe molekularbiologischer Methoden erforderlich ist. Mikroskopische Untersuchungen des Sputums können bei initial positivem Befund neben kultureller Anzucht als Verlaufskontrolle sinnvoll sein.
diagnostisches Verfahren |
Nachweisgrenze (Erreger pro ml) |
Verfügbarkeit eines positiven Ergebnisses |
Verfügbarkeit eines negativen Ergebnisses |
Mikroskopie |
104 – 105 |
2 – 8 Stunden |
2 – 8 Stunden |
Flüssigkultur |
< 10 |
7 – 14 Tage |
42 Tage |
Festkultur |
< 100 |
21 – 28 Tage |
56 Tage |
NAT-Direktnachweis |
100 – 130 |
2 – 8 Stunden |
2 – 8 Stunden |
NAT: Nukleinsäure-Amplifikationstechnik
4.7.2.2 Kultureller Nachweis und Identifizierung
Kulturverfahren sind der Referenzstandard zum Nachweis von Mykobakterien. Von jedem Untersuchungsmaterial werden nach Dekontamination der Begleitflora in der Regel jeweils ein Flüssig- und zwei Festmedien angelegt [79]. Die Nachweisgrenze mittels kultureller Isolierung liegt bei unter 100 Bakterien/ml ([Tab. 4]). Flüssigmedien weisen eine höhere Sensitivität als feste Medien auf, sind allerdings auch häufiger aufgrund der Begleitkeime aus dem Untersuchungsmaterial kontaminiert. Für Festmedien werden Anzuchtzeiten von in der Regel 3 – 4 Wochen benötigt, für Flüssigmedien 1 – 2 Wochen. Für einen sicheren Ausschluss werden die Kulturen 6 Wochen (Flüssigmedien) bzw. 8 Wochen (Festmedien) inkubiert.
Die Identifizierung von M. tb.-Komplex, anderen NTMs und alle weiteren Analysen müssen in Laboratorien der Sicherheitsstufe S3 durchgeführt werden.
In den letzten Jahren haben sich molekularbiologische Verfahren auf Basis von Nukleinsäure-Amplifikationstechniken (NAT) zur Identifizierung und Differenzierung weitgehend durchgesetzt. Die Identifizierung positiver Kulturen mittels NAT gelingt in der Regel binnen 24 – 48 Stunden. Phänotypische Verfahren der Identifizierung dauern Tage bis Wochen. Die PCR kann nicht zwischen vitalen und toten Erregern unterscheiden; auch bei erfolgreich therapierter pulmonaler TB kann die PCR über einen längeren Zeitraum positiv bleiben.
4.7.2.3 Resistenztestung
Alle Erstisolate sollen phänotypisch auf Resistenz gegen die Erstrangmedikamente Isoniazid (INH), Rifampicin (RMP), Pyrazinamid (PZA) und Ethambutol (EMB) getestet werden. Dies dauert 7 – 14 Tage nach Identifizierung. Bei Vorliegen von Resistenzen sollen Zweitrang- oder Reserve-Antituberkulotika in einem Speziallabor untersucht werden. Die phänotypische Resistenztestung ist Referenzstandard, da die molekulargenetischen Methoden je nach Medikament keine 100 % Sensitivität und Spezifität aufweisen.
Molekulargenetische Methoden zur Resistenzbestimmung stehen für die Medikamente RMP, INH, Chinolone und die injizierbaren Medikamente Amikacin, Capreomycin und Kanamycin zur Verfügung. Der Einsatz molekulargenetischer Methoden für Zweitrangmedikamente sollte in Absprache mit dem Labor und mikrobiologischen Fachärzten erfolgen.
In einer Metaanalyse wurde die Sensitivität dieser Tests für die Detektion von RMP-Resistenz mit 98 % und die Spezifität mit 98 % berechnet. Für INH wurde je nach untersuchter Testregion eine höhere Variabilität und niedrigere Sensitivität (84 %) bei hoher Spezifität (99 %) bestimmt [80]. Ein entscheidender Vorteil molekulargenetischer Verfahren ist die schnelle Verfügbarkeit des Testergebnisses. Diese beträgt mehrere Tage für die phänotypische Resistenzbestimmung und nur wenige Stunden für die molekulargenetischen Methoden. Da mono-RMP-resistente Stämme weltweit sehr selten sind, wird in der Regel bei einem RMP-resistenten Ergebnis von einer MDR-TB ausgegangen.
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4.7.3 Molekulare Verfahren
NAT z. B. mittels PCR für den spezifischen M. tb.-Nachweis können ebenfalls direkt am Primärmaterial angewendet werden. Sensitivität und Spezifität der NAT liegen bei mikroskopisch positiven Sputumproben bei nahezu 100 % und dienen aus diesem Grund auch zur spezifischen Bestätigung von Erregern des M. tb.-Komplexes. Eine Metaanalyse zeigte, dass bei mikroskopisch negativen, kulturell positiven Proben die diagnostische Sensitivität (d. h. NAT im Vergleich zu Kultur) im Kindesalter bei durchschnittlich 62 – 66 % und die Spezifität bei 98 % liegen [81].
Verfahren, die unter Umgehung der Kultur direkt aus dem Untersuchungsmaterial durchgeführt werden können, verkürzen die Zeit bis zur Diagnose erheblich. Es ist jedoch zu beachten, dass ein Direktnachweis mittels NAT eine Kultur nicht ersetzt. Bei geringen respiratorischen Probenvolumina (< 1 ml) sollte deswegen immer der Kultur der Vorzug gegeben werden.
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Bei Kindern und Jugendlichen mit Verdacht auf TB soll in jedem Fall und in jeder Altersgruppe ein Erregernachweis angestrebt werden.
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Ein kultureller Nachweis der Mykobakterien soll bei einem TB-Verdacht immer angestrebt werden, auch wenn ein molekularer Direktnachweis erfolgt.
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Eine phänotypische Resistenzbestimmung soll immer bei erster positiver Kultur durchgeführt werden.
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Eine molekulare Bestimmung von Mutationen zum Nachweis von INH- und RMP-Resistenz soll bei Erregernachweis sofort vom Isolat erfolgen, um eventuell vorliegende Resistenzen frühzeitig zu diagnostizieren.
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5 Infektionsschutz
5.1 Aufgaben des Öffentlichen Gesundheitsdienstes
In Deutschland [83], Österreich [84] und der Schweiz [85] [86] [87] wird der Infektionsschutz durch entsprechende Gesetze geregelt. In allen Staaten wird der Infektionsschutz als hoheitliche Aufgabe betrachtet, die Behörden des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) werden in der Federführung bei Infektionsschutzmaßnahmen beauftragt. Allen Rechtsnormen ist der vorbeugende Schutz der Bevölkerung vor Infektionserkrankungen gemein. Sie entsprechen weitgehend den Kriterien der WHO [88], die Umsetzung liegt bei dem ÖGD, in erster Linie bei den Gesundheitsämtern.
Die gesetzlichen Regelungen legen die Mitwirkungspflicht der behandelnden Personen bei der Arbeit des Gesundheitsamts fest. Grundrechte wie der Datenschutz oder die ärztlichen Schweigepflicht werden in der Gesetzgebung gegenüber dem Infektionsschutz nicht als höherwertig angesehen. So kann das Gesundheitsamt Epikrisen, Befunde oder andere im Sachverhalt stehende Daten anfordern, dies gilt auch für die Ermittlung von Kontaktpersonen.
Als Frist für die ärztliche Meldung gilt in Deutschland 24 Stunden nach Diagnosestellung (bzw. Tod), in Österreich 3 Tage, in der Schweiz [89] eine Woche nach Therapiebeginn. Formal besteht in allen drei Staaten eine „duale Meldepflicht“, d. h. sowohl die für den Patienten verantwortlichen Ärzte als auch die Labore, die den Nachweis von M. tb.-Komplex führen, müssen unabhängig voneinander melden. Eingeschlossen in die Labormeldepflicht sind Institute der Pathologie und Gerichtsmedizin. Der TB-Verdacht oder eine LTBI sind in keinem der drei Staaten meldepflichtig. Grundsätzlich gilt: Besteht bei einem Patienten die Indikation für eine antituberkulotische Therapie oder wäre vor dem Tode eines Patienten eine Therapie indiziert gewesen, dann besteht eine namentliche Meldepflicht für die TB, unabhängig davon, ob eine infektiöse oder nicht-infektiöse TB vorliegt.
In Deutschland besteht auch eine ärztliche Meldepflicht bei Therapieunterbrechung, Entlassung bzw. Aufnahme in medizinische Einrichtungen sowie den Tod an TB. Meldepflichtig sind auch der mikroskopische Nachweis von säurefesten Stäbchen und das Ergebnis der Resistenztestung durch das nachweisende Labor.
Die aktuelle Literatur zu Kontaktuntersuchungen ist für Deutschland auf den Webseiten des DZK (www.dzk-tuberkulose.de) zu finden [90]. Für die Schweiz hält die Lungenliga Schweiz entsprechende Artikel bereit [89], und Österreichs Bundesministerium für Gesundheit hat entsprechende Texte verfasst [91].
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5.2 Isolierung und Entisolierung
Die Infektiosität und damit Indikation zur Isolierung ist abhängig von der Menge der freigesetzten Erreger. Dabei ist der mikroskopische Nachweis von säurefesten Stäbchen im Sputum oder Magensaft anders zu werten als der alleinige kulturelle Nachweis (s. Kap. 4). Darüber hinaus sollten folgende Parameter berücksichtigt werden: anatomische Lokalisation (pulmonale TB), Husten, Produktion von Sputum, Vorhandensein von Kavernen.
Alle Kinder und Jugendlichen mit Verdacht auf eine infektiöse Lungen-TB sind bis zum Ausschluss der Infektiosität zu isolieren. Eine Altersgrenze, unter der Kinder als nicht-infektiös anzusehen sind, kann nicht angegeben werden. Aufgrund des geringeren Hustenstoßes und der paucibazillären TB bei Säuglingen und Kleinkindern sind Übertragungen in dem Alter sehr unwahrscheinlich, aber bei mikroskopischem Nachweis aus Magensekret beschrieben worden [12], weshalb Isolationsmaßnahmen je nach Einzelfall zu überdenken sind. Bei diesen Überlegungen spielen sowohl die vermutete Infektiosität des Patienten, die Infektionsgefährdung der Umgebung (stationäres vs. häusliches Umfeld, Kontakt zu Immunsupprimierten) und die Resistenzsituation eine Rolle [92]. Bei initial mikroskopisch positivem Befund aus respiratorischem Sekret werden Kontrollen der Proben gefordert und der Patient soll mindestens 21 Tage isoliert werden. Des Weiteren spielen neben der Resistenzsituation des Erregers die Adhärenz des Patienten und das klinische Ansprechen bei der Dauer der Isolierung eine entscheidende Rolle.
Die Infektiosität bei Vorliegen einer extrapulmonalen TB hängt vom Ausmaß der Freisetzung erregerhaltiger Materialien ab und muss individuell beurteilt werden. Ein Atemschutz ist immer erforderlich, wenn die Gefahr der Aerosolbildung besteht (z. B. im Rahmen von diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen).
Ein wesentlicher Baustein des Infektionsschutzes ist die zeitnahe Diagnosestellung und Therapieeinleitung sowie die konsequente Durchführung einer Umgebungsuntersuchung und ggf. Einleitung präventiver Maßnahmen bei Kontaktpersonen.
5.2.1 Maßnahmen im Krankenhaus
Alle Personen mit Verdacht auf oder bestätigter TB sollen bis zum Ausschluss der Ansteckungsfähigkeit in einer geeigneten stationären medizinischen Einrichtung (z. B. Krankenhaus) isoliert werden. Die Kohortenisolierung ist nur bei gesicherter gleicher Ansteckungsquelle (z. B. innerhalb von Familien, Wohngruppen) bzw. gleichem Bakterienstamm oder einer resistenzgerechten medikamentösen Therapie der TB zulässig.
Für eine Isolierung sind spezielle räumliche Voraussetzungen zu beachten. Dabei muss gewährleistet sein, dass keine potenziell erregerhaltige Luft aus dem Patientenzimmer in andere Bereiche entweichen kann. Dies kann z. B. mittels sog. Schleusenzimmer, d. h. mit Doppeltür und Vorraum erreicht werden. Zur Reduktion der Erregerlast in der Raumluft ist auf eine gute Durchlüftung des Patientenzimmers zu achten, dies kann über ein Fenster ins Freie erfolgen oder über geeignete raumlufttechnische Anlagen. Bei letzterem ist zu beachten, dass im Patientenzimmer kein Überdruck im Vergleich zur Umgebung entsteht [93].
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5.2.2 Mund-Nasen-Schutz/Atemmaske und Desinfektionsmaßnahmen
Hustenetikette ist vor allem bei jungen Kindern nicht realistisch und das Tragen einer Atemschutzmaske wegen der Größe und Passform oft schwierig [94].
Das Personal soll bei Kontakt mit infektiöser TB eine Atemschutzmaske tragen. Dies sollte mindestens eine FFP2-Maske sein, bei besonderer Belastung mit potenziell erregerhaltigem Material (Sputuminduktion, Bronchoskopie) oder einer MDR-TB sollte eine höhere Schutzklasse, d. h. eine FFP3-Maske gewählt werden [94].
Bei hoher Kontaminationswahrscheinlichkeit (Sputuminduktion, Bronchoskopie) oder engem Kontakt soll das Personal zusätzlich Einmal-Schutzkittel und Handschuhe tragen [93].
Bei Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen ist auf die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel gegen Mykobakterien und die vorgeschriebenen Einwirkzeiten zu achten, es wird auf einschlägige Empfehlungen verwiesen [95].
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5.2.3 Mitaufnahme von Eltern („Rooming-in“)
Auch wenn aus infektiologischen Gründen nicht optimal, ist eine Mitaufnahme gesunder, nicht infizierter Eltern bei einem erkrankten Kind oder die Mitaufnahme eines gesunden Kindes bei erkrankten Eltern aus psychosozialer Indikation oft unumgänglich. Dabei soll sichergestellt werden, dass vom begleitenden Erwachsenen keine Infektionsgefahr ausgeht, d. h. dass dieser nicht selbst der Indexpatient ist. Gesunde Eltern und Besucher sollten innerhalb des Zimmers Atemschutzmasken, in der Regel FFP2-Masken tragen, Kinder und Jugendliche mit infektiöser TB sollen außerhalb des Zimmers und bei Besuch ggf. auch innerhalb des Zimmers einen Mund-Nasen-Schutz (chirurgische Maske) tragen [95].
Die Mitaufnahme gesunder Kinder bei erkrankten Erwachsenen ist aufgrund der höheren Empfänglichkeit der Kinder als kritisch zu werten. Wenn möglich sollte eine Trennung von Eltern und Kind und Unterbringung im engeren Familienumfeld erfolgen. Erhält das Kind eine Chemoprophylaxe oder Chemoprävention (s. Kap. 6.2) und liegt ein sensibler Erreger bei dem erkrankten Elternteil vor, ist eine gemeinsame Unterbringung möglich.
Bezüglich der Isolation von Neugeborenen bei mütterlicher TB wird auf Kap. 6 (konnatale/perinatale TB) verwiesen.
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5.2.4 Ambulante Betreuung
Grundsätzlich gelten die gleichen Regeln wie für stationäre Einrichtungen, d. h. bei Verdacht auf oder bestätigter TB sind die gleichen Maßnahmen zu ergreifen. Rückmeldung an das Gesundheitsamt soll bei Übernahme eines Patienten und Beendigung der Therapie erfolgen.
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5.2.5 Häusliches Umfeld
Eine häusliche Betreuung von Patienten mit infektiöser TB ist nur bei absolut zuverlässigen und gut informierten Personen in Absprache mit dem Gesundheitsamt in Erwägung zu ziehen. Im Haushalt sollte der Kontakt von Erkrankten zu Personen mit erhöhtem Infektionsrisiko (Kinder und Immunsupprimierte) vermieden werden. Bei Nachweis einer infektiösen TB ist in der Regel keine spezielle Reinigung oder Desinfektion im Haushalt notwendig.
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5.2.6 Krankentransport
Kurze Transporte innerhalb einer Einrichtung (z. B. Bettentransport zum Röntgen, Verlegung auf andere Stationen) können ohne zusätzlichen Schutz des Personals erfolgen, wenn der Patient einen Mund-Nasen-Schutz (chirurgische Maske) trägt. Bei längeren Transporten oder falls der Mund-Nasen-Schutz nicht konsequent getragen werden kann, sollte das Personal Atemschutzmasken (mindestens eine FFP-2-Maske) tragen. Wobei die nachfolgenden Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen nicht über das übliche Maß hinausgehen müssen [94] [96].
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5.2.7 Entisolierung
Eine Entisolierung ist dann möglich, wenn von einem Patienten keine Ansteckungsgefahr mehr ausgeht. Eine Therapie bewirkt eine Keimreduktion, sodass international davon ausgegangen wird, dass bei Erwachsenen nach 21 Tagen adäquater Therapie wahrscheinlich keine Infektiosität mehr besteht. Ein Nachweis von M. tb-Komplex in der PCR bei mikroskopisch negativem Befund vor Beginn einer antituberkulotischen Therapie weist auf eine gering infektiöse TB hin, unter Therapie kann keine Aussage zur Infektiosität bei positivem PCR-Nachweis von M. tb-Komplex getroffen werden. Bei Kindern gibt es bzgl. der Isolierungsmaßnahmen international keine klaren Vorgaben. Die Leitliniengruppe empfiehlt folgendes Vorgehen: Bei Kindern und Jugendlichen mit initial mikroskopisch positivem Erregernachweis sollte eine Isolierung/Entisolierung analog zu den Erwachsenenempfehlungen erfolgen, bei nur kulturellem Erregernachweis ist eine kürzere Therapiedauer von 14 Tagen wahrscheinlich ausreichend [12]. Als alleiniges Kriterium für die Entisolierung kann dies aber nicht gelten. Bei einem ausgeprägten radiologischen Ausgangsbefund (z. B. Kavernen) oder Resistenzen kann eine Infektiosität über einen wesentlich längeren Zeitraum bestehen.
Die Aufhebung der Isolierung ist im Einzelfall zu entscheiden, als Anhalt gelten:
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drei mikroskopisch negative Sputen oder Magensäfte mit jeweils 8 – 24 h Intervall oder alternativ
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klinisches Ansprechen auf die antituberkulotische Therapie und bei mikroskopisch initial positiven Patienten mindestens 21 Tage adäquate Therapie und
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kein Hinweis oder Verdacht auf Medikamentenresistenz und
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ausreichende Adhärenz des Patienten liegt vor und eine Weiterbehandlung, ggf. auch als DOT ist gewährleistet
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Bei einer MDR-TB wird die Entlassung nach mindestens zwei negativen Kulturen empfohlen [97].
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5.3 Tuberkulose-Screening in besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen (Asylsuchende)
5.3.1 Deutschland
Bei Jugendlichen, die das 15. Lebensjahr vollendet haben (mit Ausnahme von Schwangeren), wird nach Infektionsschutzgesetz ein Röntgenbild des Thorax zum Ausschluss einer infektiösen TB gefordert.
Bei Kindern und Jugendlichen < 15 Jahre hat ein radiologisches Screening eine ungenügende Sensitivität zwischen 28 – 63 % [98]. Besser geeignet sind immunologische Testverfahren wie der THT oder IGRAs mit einer Sensitivität von 60 – 80 % [98] [99]. Bei Kindern < 5 Jahren sollte in erster Linie ein THT angewendet werden; bei eingeschränkter Verfügbarkeit kann auch ein IGRA bei Kindern < 5 Jahren verwendet werden. Bei Kindern und Jugendlichen ≥ 5 – 15 Jahren sollte ein THT oder IGRA verwendet werden [98].
Die Durchführung von Screening-Maßnahmen führt bei asylsuchenden Kindern zu einer erheblichen Anzahl von neu entdeckten TB-Fällen. So wurden z. B. 2014 durch Screening bei Migranten (Asylbewerbern, Geflüchteten oder ähnliche) 10,5 % (14 von 133 Fällen) der registrierten TB-Fälle entdeckt. Die Inzidenz der Herkunftsländer bestimmt maßgeblich diesen Anteil bei Kindern und Erwachsenen [4].
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5.3.2 Österreich
In Österreich wird ein Röntgenbild des Thorax bei allen asylsuchenden Kindern > 6 Jahren und Jugendlichen empfohlen. Bei Kindern ≤ 6 Jahren wird kein generelles Screening empfohlen, dies erfolgt nur, wenn ein bekannter TB-Kontakt stattgefunden hat und/oder ein klinischer Verdacht auf eine TB besteht [100].
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5.3.3 Schweiz
In der Schweiz werden Flüchtlinge und Asylsuchende generell seit 2006 mittels eines Interviews gescreent und je nach Punktezahl des Screenings eine Röntgenaufnahme der Lunge durchgeführt. Bei asylsuchenden Kindern < 5 Jahren wird zusätzlich seit 2016 ein generelles Screening mit THT oder IGRA empfohlen [101]. Ältere Kinder und Jugendliche werden nur bei Vorliegen von Symptomen oder bekanntem TB-Kontakt gescreent.
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Grundsätzlich gilt jede pulmonale TB auch im Verdachtsfall als potenziell infektiös, Patienten sollen bis zum Ausschluss der Infektiosität isoliert werden.
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Als Atemschutzmaßnahme für gesunde Kontaktpersonen sollen FFP2- oder FFP3-Masken verwendet werden.
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Eine Entisolierung von Patienten mit initial mikroskopisch positivem Sputum/Magensaft kann nach 21 Tagen antibiogrammgerechter bzw. adäquater Therapie und guter Adhärenz erfolgen. Bei Kindern mit initial mikroskopisch negativem Befund kann eine kürzere Isolierungszeit von 14 Tagen gewählt werden.
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6 Prävention
6.1 Kontakt mit infektiösen Indexpatienten
Bei Bekanntwerden einer infektiösen TB sollen die Weiterverbreitung der Infektion verhindert, bereits stattgefundene Übertragungen erfasst und Kontaktpersonen vor der Erkrankung geschützt werden.
Im Allgemeinen gilt eine kumulative Expositionsdauer von mindestens acht Stunden bei einem Sputum-(mikroskopisch)-positiven Indexfall (beispielsweise Raumkontakt) oder mindestens 40 Stunden bei kulturellem Nachweis als Indikation zur Einleitung dieser präventiven Maßnahme. Vulnerable Kontaktpersonen mit einem erhöhten Infektions- und Erkrankungsrisiko wie Immunsupprimierte, Säuglinge und Kleinkinder sollten auch bei kürzeren Kontakten mit einem infektiösen Fall untersucht werden, da hier auch Übertragungen nach kurzem, intensivem Kontakt möglich sind [85] [86] [102] [103] [104] [105].
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6.2 Präventive Maßnahmen
Ziele präventiver Maßnahmen bestehen in der Verhinderung einer TB bei gefährdeten Personen, der frühzeitigen Diagnose einer TB-Primärinfektion und deren adäquaten Therapie.
6.2.1 Tuberkulose-Exposition und Chemoprophylaxe
Bei der Chemoprophylaxe handelt es sich um eine medikamentöse prophylaktische Behandlung TB-exponierter Personen ohne Symptome oder Befunde, die sich bisher nicht infiziert haben bzw. deren Infektion noch nicht nachweisbar ist, d. h. es kann keine messbare immunologische Reaktion auf eine Infektion mit Erregern des M. tb.-Komplexes mittels THT bzw. IGRA nachgewiesen werden.
Ziel der Chemoprophylaxe ist es, eine Infektion zu verhindern bzw. zeitnah eine bereits bestehende, noch nicht nachweisbare Infektion zu behandeln.
Bei der Entscheidung zur Durchführung einer Chemoprophylaxe ist die Berücksichtigung folgender Informationen erforderlich:
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Infektiosität des Indexpatienten
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Intensität des Kontaktes und Zeitpunkt des letzten möglichen Kontaktes zum Indexpatienten
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nach Möglichkeit Erregerresistenzbefund des Indexpatienten
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Alter und Risikofaktoren der Kontaktpersonen
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6.2.2 Vorgehen bei Kindern und Jugendlichen
Eine Chemoprophylaxe soll bei allen Kindern unter 5 Jahren aufgrund des erhöhten Erkrankungsrisikos in dieser Altersgruppe umgehend nach einem infektionsrelevanten Kontakt zu einem Erkrankten begonnen werden, wenn keine diagnostischen Hinweise für eine pulmonale oder extrapulmonale TB erbracht werden konnten. Bei älteren Kindern und Jugendlichen kann eine Chemoprophylaxe beim Vorliegen einer Immundefizienz (z. B. einer HIV-Infektion) oder anderer spezifischer Risikofaktoren erwogen werden.
Die Chemoprophylaxe erfolgt mit INH (empfohlene Dosierung 10 mg/kg Körpergewicht (KG) [7 – 15 mg/kg KG], Maximaldosis 300 mg 1 × täglich p. o. [ggf. mit Pyridoxin 1 – 2 mg/kg KG 1 × täglich bei Säuglingen, dystrophen Kindern oder Jugendlichen]), sofern beim Indexfall keine INH-Resistenz bekannt ist. Acht Wochen nach dem letzten Kontakt, bei exponierten Neugeborenen und jungen Säuglingen nach dem vollendeten 3. Lebensmonat, soll die TB-exponierte Person bei initial negativem Testergebnis erneut getestet werden [106]. Ist der letzte Kontakt nicht bestimmbar (Indexpatient lebt z. B. mit der Kontaktperson im gleichen Haushalt), geht man von dem Zeitpunkt der ersten Testung aus. Bleiben die immuno-diagnostischen Tests weiterhin negativ und bietet die Kontaktperson klinisch keinen Anhalt für eine TB, dann kann die Chemoprophylaxe beendet werden.
Bei Testkonversion wird die Chemoprophylaxe nach Ausschluss einer TB als präventive Chemotherapie (Chemoprävention) einer LTBI mit INH über eine Gesamtdauer von 9 Monaten oder INH/RMP für drei Monate fortgesetzt (s. Kap. 7.4).
Ergeben sich Hinweise auf eine TB, sollen unverzüglich weitere diagnostische Maßnahmen und eine Therapie eingeleitet werden.
Mögliche Erregerresistenzen des Indexfalles sind zu berücksichtigen. Im Falle einer isolierten INH-Resistenz soll eine Prophylaxe mit RMP erfolgen. Bei einer MDR-TB kann keine generelle Empfehlung zur Chemoprophylaxe gegeben werden, diese kann individuell unter Berücksichtigung der Resistenzlage und des Infektions- und Erkrankungsrisikos in Rücksprache mit einem spezialisierten Zentrum erwogen werden (s. Kap. 10).
Die Durchführung einer Chemoprophylaxe oder -prävention ist nicht gesetzlich verpflichtend. Sorgeberechtigte sollen in jedem Fall ausführlich über Erkrankungsrisiken, Nutzen und Risiken der Chemoprophylaxe oder -prävention aufgeklärt werden. Wird eine Prophylaxe abgelehnt, dann sollten engmaschige klinische Kontrollen erfolgen.
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Nach infektionsrelevantem Kontakt soll bei allen Kindern unter 5 Jahren nach Ausschluss einer TB eine Chemoprophylaxe durchgeführt werden.
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Nach infektionsrelevantem Kontakt kann bei Kindern und Jugendlichen mit einer Immundefizienz oder anderen Risikofaktoren eine Chemoprophylaxe altersunabhängig erwogen werden.
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Bei initial negativen Testergebnissen, die < 8 Wochen nach infektionsrelevantem Kontakt erhoben wurden, soll eine zweite Testung mindestens 8 Wochen nach letztem möglichen Kontakt erfolgen.
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6.2.3 Prävention in besonderen Situationen
6.2.3.1 Tuberkulose bei Schwangeren/präpartale Maßnahmen
Pulmonale/extrapulmonale TB Eine unbehandelte pulmonale oder extrapulmonale TB während der Schwangerschaft führt zu einer deutlich erhöhten Rate an Schwangerschaftskomplikationen wie Frühgeburtlichkeit und intrauteriner Wachstumsrestriktion [107] [108].
Die Therapie soll auch bei Schwangeren gemäß den gültigen Empfehlungen zur Behandlung im Erwachsenenalter erfolgen [16]. Mit dem Einsatz der Erstrangmedikamente INH, RMP, PZA und EMB in der Schwangerschaft gibt es ausreichend Erfahrung und keinen Hinweis auf Teratogenität oder Fetotoxizität [109] [110]. Aminoglykoside sollen aufgrund möglicher Hörschädigung bei intrauterin exponierten Kindern in der Schwangerschaft nicht eingesetzt werden [111]. Die Behandlung sollte in spezialisierten Einrichtungen stattfinden.
Konnatale TB Die konnatale TB ist eine seltene Form der TB, genaue Zahlen zur Epidemiologie fehlen [112] [113]. Es kann durch mindestens zwei Mechanismen zu einer konnatalen TB kommen: Bei einer Chorioamnionitis – ausgehend von einer genitalen oder disseminierten TB der Mutter – kommt es durch Aspiration oder Ingestion von erregerhaltigem Material zur Infektion des Fetus. Zusätzlich kann eine disseminierte TB der Mutter zu einer hämatogenen Infektion der Plazenta und in Folge auch des Feten führen [114].
Die Diagnose stellt oft eine Herausforderung dar, insbesondere wenn die TB der Mutter nicht bekannt ist. So waren z. B. in einer Übersicht von 170 Kindern mit einer konnatalen TB 52 % der Mütter bei Geburt asymptomatisch, bei 72 % erfolgte die Diagnosestellung der mütterlichen TB erst postpartal [113].
6.2.3.2 Diagnostik nach der Geburt
Wenn in der Schwangerschaft eine TB diagnostiziert wird oder der Verdacht auf eine TB besteht, soll bei der Geburt immer eine Entnahme von fixiertem und nativem Plazentagewebe zur histologischen und mikrobiologischen Untersuchung (Histologie, Kultur, NAT z. B. mittels PCR) erfolgen.
Bei TB-exponierten Neugeborenen/Säuglingen sollen in der Situation zur weiteren diagnostischen Abklärung folgende Untersuchungen durchgeführt werden:
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Röntgen-Thorax
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3 x Magensaftuntersuchung an 3 Tagen vor der Mahlzeit für Mikroskopie, NAT z. B. mittels PCR und Kultur auf M. tb.-Komplex (alternativ kann eine BAL bei Intubierten und Magensaftuntersuchung postbronchoskopisch durchgeführt werden)
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Sonografie des Abdomens mit Frage nach Hepatosplenomegalie und intra-hepatischen Läsionen
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THT, ggf. IGRA trotz eingeschränkter Sensitivität (s. u.)
Die Sensitivität der bildgebenden Diagnostik sowie der immunologischen und mikrobiologischen Untersuchungen ist bei asymptomatischen Neugeborenen aufgrund fehlender Daten unklar. Die immunologischen Teste (THT oder IGRA) in den ersten 2 – 3 Lebensmonaten sind unzuverlässig, auch bei perinatal infizierten Neugeborenen und jungen Säuglingen fallen sie häufig falsch negativ aus [115] [116].
Bei klinischen Auffälligkeiten (s. Kap. 9.13 konnatale/perinatale TB) soll auch bei initial unauffälligen Befunden eine erneute TB-Diagnostik (Röntgen-Thorax, Abdomensonografie, Magensaftuntersuchung und Liquorpunktion mit Mikroskopie, Kultur und NAT z. B. mittels PCR für M. tb.-Komplex) veranlasst werden.
Mangels fehlender Daten können keine evidenzbasierten Empfehlungen für die optimale Diagnostik bei asymptomatischen Neugeborenen von Müttern mit einer in der Schwangerschaft behandelten TB ausgesprochen werden. Eine Einzelfallentscheidung sollte in Rücksprache mit einem erfahrenen Zentrum erfolgen.
Das Risiko einer konnatalen TB ist als sehr gering einzustufen, wenn folgende drei Bedingungen erfüllt sind:
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Die Mutter hat in der Schwangerschaft eine antibiogrammgerechte Therapie einer pulmonalen TB über mindestens 2 Monate erhalten und ist nicht mehr infektiös (s. Kap. 5.2.7).
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Die Untersuchung der Plazenta mittels Histologie, Kultur (natives Material) und NAT z. B. mittels PCR für M. tb.-Komplex ergibt keinen Anhalt für eine TB.
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Das Neugeborene ist klinisch unauffällig.
In Anlehnung an südafrikanische Empfehlungen [117] kann in dieser Situation auf eine weiterführende Diagnostik und präventive Maßnahmen verzichtet werden.
6.2.3.3 Prophylaxe und Follow-up des Neugeborenen
Ergeben sich im Rahmen der initialen Diagnostik beim Neugeborenen keine Hinweise auf eine TB, dann soll bei einer infektionsrelevanten Exposition eine Chemoprophylaxe mit INH (10 mg/kg KG einmal täglich) [118] zusammen mit Pyridoxin (Vitamin B6) 1 – 2 mg/kg KG einmal täglich, minimal 10 mg/Tag) oder einer Kombination von INH und RMP (10 – 15 mg/kg KG einmal täglich) ebenfalls mit Pyridoxin über drei Monate durchgeführt werden [119]. Die kombinierte Chemoprophylaxe sollte insbesondere dann erwogen werden, wenn die Resistenzlage der mütterlichen TB (noch) unbekannt ist.
Unter der Chemoprophylaxe soll das Neugeborene in den ersten drei Monaten regelmäßige klinische Kontrollen im Hinblick auf mögliche unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAWs) oder Entwicklung einer TB erhalten (alle 14 Tage). Symptome, die auf eine TB hinweisen können, sind z. B. eine Gedeihstörung, eine unklare Hepatosplenomegalie oder persistierendes (> 1 Woche) und unerklärtes Fieber > 38 °C ([Tab. 2]).
Es soll 12 Wochen nach Beginn der Chemoprophylaxe eine immuno-diagnostische Testung sowie eine klinische Reevaluation stattfinden. Bei positivem Testergebnis oder anderen Hinweisen auf eine TB soll eine erneute TB-Diagnostik durchgeführt werden. Bei einem positiven immunologischen Testergebnis ohne weiteren Hinweis auf eine TB, d. h. Vorliegen einer LTBI, soll INH für eine Gesamtzeit von 9 Monaten oder INH/RMP über 3 Monate gegeben werden, sofern nicht eine kombinierte Gabe von INH und RMP über 3 Monate zur Prophylaxe erfolgt ist.
Sind der THT und/oder IGRA nach 12 Wochen negativ und das Kind klinisch unauffällig, kann bei gutem Therapieansprechen und Adhärenz der Mutter die Prophylaxe beim Kind beendet werden. Nach Beendigung sind regelmäßige klinische Nachkontrollen (alle 2 – 3 Monate) im gesamten ersten Lebensjahr empfohlen.
Falls ein Kind eine entsprechende, richtungsweisende Symptomatik aufweist und/oder der Verdacht auf eine TB relevant wird bzw. klinische Hinweise für eine Erkrankung vorliegen, soll eine empirische antituberkulotische Therapie (s. Kap. 9.2) erfolgen.
6.2.3.4 Stillen unter Therapie, Isolationsmaßnahmen
Prinzipiell ist das Stillen auch bei behandlungsbedürftiger mütterlicher TB möglich. Folgende Voraussetzungen sollten erfüllt sein:
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keine infektiöse pulmonale TB der Mutter (mind. drei negative Sputen nach Therapiebeginn, alternativ Therapie > 21 Tage bei guter Therapieadhärenz und sensibler TB)
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klinisch keine tuberkulöse Mastitis (sehr seltenes Krankheitsbild)
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Neugeborenes hat eine resistenzgerechte Chemoprophylaxe begonnen (s. o.)
Unter diesen Voraussetzungen muss das Neugeborene nach der Geburt auch nicht von der Mutter getrennt werden.
Inwieweit bei peripartaler Erstdiagnose einer TB bei der Mutter bzw. bei gerade erst begonnener Therapie einer pulmonalen TB eine Trennung von Mutter und Kind notwendig bzw. zu empfehlen ist, muss individuell abgewogen werden.
Wenn eine sensible TB angenommen werden kann und das Neugeborene eine Chemoprophylaxe erhält, kann die Mutter-Kind-Einheit eventuell gewahrt bleiben. Alternativ ist die getrennte räumliche Unterbringung und Zusammenführung zum Stillen mit konsequentem Tragen einer Atemschutzmaske (FFP2-Maske ohne Ventil) durch die Mutter zu empfehlen. Bei vorübergehender Trennung von Mutter und Kind kann Muttermilch abgepumpt und dem Neugeborenen verabreicht werden, eine Infektion durch Muttermilch gilt als unwahrscheinlich. Stillen ist bei Müttern, die eine Therapie mit Erstrangmedikamenten erhalten, im Prinzip möglich. Da INH und RMP nur in geringen Konzentrationen in die Muttermilch sezerniert werden [120], sollten bei gestillten Kindern keine Dosisreduktionen von INH oder RMP erfolgen. Pyridoxin erhalten gestillte Säuglinge auch dann, wenn nur die Mutter mit INH behandelt wird [121].
6.2.3.5 Vorgehen bei MDR-Tuberkulose der Mutter
Wird bei der Mutter eine MDR-TB vermutet oder bestätigt, erfolgen die diagnostischen Schritte analog zur denen der sensiblen TB (s. o.). Nach Ausschluss einer TB ist eine Prophylaxe mit dem als resistent getesteten Medikament nicht indiziert. Wir empfehlen deshalb in dieser Situation eine engmaschige klinische Kontrolle des Kindes (alle 2 Wochen) bis zur Klärung der Situation. Bei Verdacht auf eine konnatale TB beim Kind ist die Erregerresistenzprüfung der Mutter zu berücksichtigen (s. Kap. 9.13). Bei peripartaler Erstdiagnose einer MDR-TB bzw. kurzer Therapiedauer einer MDR-TB sollten aufgrund der eingeschränkten Prophylaxe-Möglichkeit beim Neugeborenen die Maßnahmen zum Kindesschutz im Vordergrund stehen, bis eine Infektiosität bei adäquater Therapie der Mutter unwahrscheinlich ist (z. B. negatives Sputum) und so lange vom Stillen abgeraten werden. Ob bei bekannter MDR-TB Stillen möglich oder zu empfehlen ist, muss individuell entschieden werden und hängt unter anderem von den eingesetzten Medikamenten und der Therapieadhärenz der Mutter ab.
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Bei schwangeren Frauen mit gesicherter oder Verdacht auf eine TB soll eine klinische Untersuchung und weiterführende Diagnostik des Kindes zeitnah nach der Geburt veranlasst werden.
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Asymptomatische Neugeborene ohne Hinweis auf eine TB, aber mit relevanter TB-Exposition sollen eine Prophylaxe erhalten.
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Bei bekannter MDR-TB der Mutter soll das Neugeborene nach Ausschluss einer TB nicht prophylaktisch behandelt, sondern engmaschig kontrolliert werden.
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6.3 Bacille Calmette-Guérin (BCG)-Impfung
Die BCG-Impfung ist eine der ältesten gebräuchlichen Impfungen zum Schutz vor einer TB. Sie ist eine Lebendimpfung basierend auf attenuierten Stämmen von M. bovis. Die Impfung kann das Risiko einer pulmonalen TB bei Säuglingen um 59 % und bei älteren Kindern um 74 % senken, wenn eine vorangegangene mykobakterielle Infektion ausgeschlossen wurde (THT-negativ) [122]. Die Protektion gegen disseminierte TB (TB-Meningitis oder Miliar-TB) wird in verschiedenen Studien auf 73 – 90 % geschätzt [122] [123]. Zusätzlich wird der BCG-Impfung ein protektiver Effekt bei der Infektion (LTBI) von 19 % und bei der Entwicklung zu einer TB von 58 % zugesprochen [124]. Aus diesen Gründen wird die BCG-Impfung in TB-Hochinzidenzländern für die Gesamtbevölkerung und in einigen europäischen Ländern für Hochrisikogruppen empfohlen.
Aufgrund der niedrigen TB-Inzidenz in Mitteleuropa und möglichen Impfkomplikationen wird die BCG-Impfung in Deutschland seit 1998 von der Ständigen Impfkommission (STIKO) nicht mehr empfohlen. Weder in Deutschland noch in Österreich besteht eine Zulassung der Vakzine für diese Indikation. In der Schweiz ist die Impfung weiterhin für Säuglinge im ersten Jahr zugelassen, wenn diese sich voraussichtlich längerfristig in einem TB Hoch-Inzidenzland aufhalten werden. Ferienreisen von beschränkter Dauer sind keine Indikation für die BCG-Impfung. Komplikationen der BCG-Impfung s. Kap. 9.15.
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Die Bacille Calmette-Guérin (BCG)-Impfung wird in Deutschland und Österreich generell nicht empfohlen. In der Schweiz wird die BCG-Impfung in einigen besonderen Situationen im ersten Lebensjahr empfohlen.
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7 Vorgehen bei Kindern und Jugendlichen mit latenter tuberkulöser Infektion
7.1 Definition der latenten tuberkulösen Infektion
Die LTBI beschreibt die Persistenz vitaler Erreger des M. tb.-Komplexes im Organismus nach einer Infektion ohne Organmanifestation. Die infizierte Person ist klinisch gesund und nicht infektiös. Verschiebt sich das Gleichgewicht zwischen immunologischer Kontrolle und bakterieller Aktivität zu Ungunsten der Immunität, kann sich aus der LTBI eine TB entwickeln.
Die LTBI ist durch ein positives Ergebnis eines immunologischen Tests (IGRA und/oder THT) mit gleichzeitigem Ausschluss einer TB definiert. Da jedoch beide diagnostischen Verfahren falsch negative Resultate liefern können (insbesondere bei Kindern < 5 Jahren), ist der immunologische Nachweis einer Sensibilisierung gegenüber Antigenen des M. tb.-Komplexes nicht immer sicher bestimmbar oder auszuschließen [125].
Aus epidemiologischer Sicht sind Kinder und Erwachsene mit einer LTBI ein wichtiges Reservoir für TB-Neuerkrankungen durch Progression.
Die immunologische Kontrolle der LTBI wird durch ein komplexes immunologisches Zusammenspiel gewährleistet. Veränderungen in den immunologischen Regulationsmechanismen können nach vielen Jahren zu einer Aktivierung der Erreger führen, die meist durch eine unkontrollierte Erregerreplikation und Destruktion des den Infektionsherd umgebenden Gewebes gekennzeichnet ist. Das Erkrankungsrisiko ist nach der Infektion in den ersten 2 Jahren am höchsten und beträgt altersabhängig bis zu 50 % bei Kindern unter 12 Monaten, bei 1- bis 2-Jährigen bis zu 25 %, danach 2,5 – 5 % und im Jugendalter dann wieder bis zu 15 %, wenn keine Therapie erfolgt [8].
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7.2 Diagnosestellung der latenten tuberkulösen Infektion
Zu Fragen der Diagnosestellung einer LTBI wird auf das Kapitel 4 verwiesen.
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7.3 Indikation zur Therapie von Kindern und Jugendlichen mit latenter tuberkulöser Infektion (Chemoprävention)
Unter Chemoprävention (Synonym: „präventive Chemotherapie“) wird die Therapie einer LTBI, in der Regel nach einem infektionsrelevanten Kontakt, verstanden. Ziel ist es, eine Aktivierung persistierender Erreger des M. tb.-Komplexes und damit die Progression zu einer TB zu verhindern. Vor Einleitung einer präventiven Chemotherapie soll eine TB ausgeschlossen werden.
Im Kindes- und Jugendalter besteht eine generelle Empfehlung einer Chemoprävention bei Vorliegen einer LTBI. Diese begründet sich zum einem auf dem erhöhten Progressionsrisiko vor allem bei infizierten Kindern < 5 Jahren und Jugendlichen, zum anderen in dem hier in der Regel zeitlich kürzeren Abstand zur Primärinfektion. Dies ist von Bedeutung für das Erkrankungsrisiko, berücksichtigt man, dass in den ersten zwei Jahren nach einer Infektion das höchste Progressionsrisiko besteht. Ein weiteres Argument für eine Chemoprävention im Kindes- und Jugendalter ist das im Vergleich zum Erwachsenen geringere Risiko für medikamenten-assoziierte Toxizitäten und der durch eine frühzeitige Erregereliminierung zu erwartende langfristige Nutzen (Prävention einer Krankheitsentstehung). In einer Beobachtungsstudie aus den Niederlanden zeigte sich, dass Kinder eine Chemoprävention nicht nur besser tolerierten als Erwachsene, sondern diese auch häufiger (in 93 % der Fälle) zu Ende führten [126].
Kinder- und Jugendliche mit folgenden Konstellationen weisen zusätzliche Risikofaktoren für eine Progression zu einer TB auf und profitieren daher ganz besonders von einer Chemoprävention [125] [127]:
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Kinder und Jugendliche mit infektionsrelevantem Kontakt zu einem an Lungen-TB (mit und ohne mikroskopischem Nachweis säurefester Stäbchen im Sputum-Direktpräparat) erkrankten Indexfall [106] [128] [129]
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HIV-positive Kinder und Jugendliche
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Kinder und Jugendliche vor Einleitung bzw. unter einer Therapie mit TNF-alpha-Inhibitoren
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bei jeder Art der Immunsuppression oder -defizienz
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7.4 Chemoprävention bei sensiblem Erreger
Für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit einer LTBI stehen primär zwei Regime zur Verfügung, die eine vergleichbare Wirksamkeit hinsichtlich des Schutzes vor Progression zu einer TB zeigen. Die meisten Erfahrungen bestehen mit einer INH-Monotherapie für eine Therapiedauer von 6 oder 9 Monaten [130] [131].
Eine Therapie mit INH reduziert für Kinder aller Altersgruppen bei guter Adhärenz und Vorliegen eines INH-sensiblen Erregers signifikant das Risiko, an einer TB zu erkranken [130] [131]. Die empfohlene Therapie erfolgt mit INH (10 mg/kg KG einmal täglich p. o., maximale Tagesdosis 300 mg) für 9 Monate. Die Verträglichkeit des Regimes ist im Kindesalter gut, bei 5 – 10 % der behandelten Kinder kann es in den ersten 2 – 6 Wochen zu einem leichten vorübergehenden Transaminasenanstieg kommen, schwere Hepatitiden sind jedoch sehr selten (< 0,1 %) [8] [132].
Alternativ und gleichwertig kann die zunächst in einer retrospektiven Kohortenstudie bei 252 Kindern evaluierte Kombinationstherapie mit INH (10 mg/kg KG einmal täglich p. o., maximale Tagesdosis 300 mg) und RMP (15 mg/kg KG einmal täglich p. o., maximale Tagesdosis 600 mg) für insgesamt 3 Monate empfohlen werden [133]. In einer prospektiven, randomisierten Studie zeigte die Kombinationstherapie bei ca. 230 Kindern eine mit der neunmonatigen INH-Monotherapie vergleichbare Wirksamkeit, wobei das 3-monatige Regime hinsichtlich der Adhärenz überlegen war, bei gleichzeitig fehlenden Hinweisen auf ein erhöhtes Risiko einer Hepatotoxizität (2,7 % bei 9 Monaten INH vs. 0,4 % bei 3 Monaten INH/RMP) oder anderer UAWs [134].
Bei der Wahl des Therapieregimes sollen mögliche Resistenzen des Indexfalls, individuelle Risiken für Toxizität und Medikamenteninteraktionen sowie die Frage der Adhärenz mit berücksichtigt werden. Zu beachten ist u. a. das Vorliegen von möglichen Komorbiditäten und Ko-Medikationen. Patienten, bei denen Medikamenten-Interaktionen mit RMP (Cytochrom p450-Induktor) zu berücksichtigen sind, z. B. bei HIV-Patienten, Patienten unter immunsuppressiver Therapie bzw. mit Zustand nach einer Transplantation, sollten bevorzugt eine 9-monatige INH-Monotherapie erhalten. Patienten, die antiretroviral behandelt werden oder andere Medikamente erhalten, die über Cytochrom p450 metabolisiert werden, sollten bei einer kombinierten Chemoprävention Rifabutin statt RMP erhalten. Andernfalls sollten unter Therapie regelmäßige Spiegelkontrollen der entsprechenden Medikamente durchgeführt werden.
Bei einer INH-Unverträglichkeit oder bekannten INH-Resistenz des Indexpatienten kann alternativ eine präventive Chemotherapie mit RMP als Monotherapie für 4 Monate durchgeführt werden. Dieses Regime zeigt bei Erwachsenen eine bessere Verträglichkeit und Adhärenz als das 9-monatige INH-Regime [135]. Bei Kindern konnte in einer retrospektiven Analyse der Vorteil bzgl. der Adhärenz bestätigt werden, UAWs waren in beiden Gruppen selten [136].
Eine weitere Option stellt ein 3-monatiges Regime der 1× wöchentlichen Gabe einer Kombination von INH und Rifapentin (RPT) dar, das in kontrollierten, randomisierten Studien eine mit der 9-monatigen einmal täglichen INH-Gabe vergleichbare Wirksamkeit bei zugleich guter Verträglichkeit zeigte [137] [138]. Aufgrund dieser Daten empfiehlt die WHO dieses Regime (12 Dosen von INH und RPT über 3 Monate) für die Chemoprävention als gleichwertige Alternative zu der 9-monatigen INH-Monotherapie für Kinder ab 2 Jahren [139]. Während RPT in den USA auch für die Chemoprävention zugelassen ist, besteht in Europa derzeit aber nur eine Zulassung als „Orphan Drug“ für die TB-Behandlung.
[Tab. 5] zeigt einen Überblick der einzelnen Regime für die Chemoprävention bei Kindern und Jugendlichen mit einer LTBI.
Regime |
Dosisintervall[*] |
Therapiedauer |
Bemerkungen |
Isoniazid (ggf. mit Pyridoxin) |
Gabe 1 ×/Tag |
9 Monate |
hohe Evidenz |
Rifampicin |
Gabe 1 ×/Tag |
4 Monate |
bei INH-Unverträglichkeit oder INH-Resistenz |
Isoniazid + Rifampicin (ggf. mit Pyridoxin) |
Gabe 1 ×/Tag |
3 Monate |
Alternative zu 9 Monaten INH-Monotherapie |
Isoniazid + Rifapentin[**] (ggf. mit Pyridoxin) |
Gabe 1 ×/Woche als DOT[#] |
3 Monate |
WHO-Empfehlung für Kinder ab 2 Jahren |
* Dosierung s. [ Tab. 6 ]
** keine Zulassung von Rifapentin in Deutschland/Österreich, Schweiz
# DOT: engl.: „directly observed treatment“
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7.5 Monitoring unter Therapie
Generell sind die meisten Antituberkulotika im Kindesalter besser verträglich als bei Erwachsenen. Dennoch sollen vor Beginn einer chemopräventiven Therapie sowie nach etwa 2 und 4 – 6 Wochen Laborkontrollen (Blutbild, Bilirubin, Serumtransaminasen, gamma-GT, Kreatinin), erfolgen, um UAWs rechtzeitig zu erkennen [135]. Weitere Kontrollen sollten je nach Klinik erfolgen. Da eine unzureichende Adhärenz den Therapieerfolg gefährden kann, sind die Patienten und Sorgeberechtigten über die Notwendigkeit einer regelmäßigen Medikamentengabe aufzuklären.
Auch bei regelmäßiger Medikamenteneinnahme sollte eine weitere Röntgenuntersuchung des Thorax am Ende der Therapie durchgeführt werden, um einen möglichen Progress (bei Versagen der Chemoprävention z. B. bei unbekannter INH-Resistenz) zu einer TB auszuschließen. Eine erneute immunologische Testung (THT, IGRA) soll nicht stattfinden.
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7.6 Chemoprävention bei Kindern und Jugendlichen mit Komorbiditäten
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HIV-Koinfektion: Die Therapie soll analog der Therapie nicht HIV-Infizierter erfolgen. Bei möglichen Interaktionen mit antiretroviralen Medikamenten bei behandelten HIV-Patienten sollte eine 9-monatige Monotherapie mit INH bevorzugt werden.
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Immundefekt: Je nach Grad und Relevanz der Immunsuppression kann die Therapie ggf. verlängert werden (z. B. INH/RMP 4 Monate). Dies sollte individuell unter Einbeziehung eines Spezialisten erfolgen, valide Daten liegen nicht vor.
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TNF-alpha-Inhibitoren Therapie (ggf. andere Biologika-Therapie): Die Therapie der LTBI sollte mindestens 8 Wochen vor Beginn der Biologika-Therapie begonnen werden, um das Risiko der Entwicklung einer TB zu minimieren [140]. Es liegen aktuell allerdings keine ausreichenden Daten zu dieser Fragestellung vor.
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Niereninsuffizienz/Leberinsuffizienz: INH/RMP können bei Niereninsuffizienz in normaler Dosierung gegeben werden. Bei Leberinsuffizienz sollte zunächst die Standardtherapie unter wöchentlichen Laborkontrollen begonnen und ggf. angepasst werden.
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7.7 Chemoprävention nach Kontakt mit monoresistentem/multiresistentem Erreger
Bei einer LTBI nach nachweislichem oder wahrscheinlichem Kontakt zu einem Indexpatienten mit INH-Monoresistenz erfolgt die Chemoprävention mit RMP über 4 Monate. Bei allen anderen Monoresistenzen wird INH in Analogie zu einer LTBI mit einem sensiblen Erreger verabreicht. Zum Vorgehen im Falle eines multiresistenten Erregers (s. Kap. 10.4 Therapie bei resistenter TB).
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7.8 Follow-up nach abgeschlossener Chemoprävention
Wenn die Adhärenz gesichert ist, haben die o. g. Therapieregime zur Behandlung der LTBI eine hohe Erfolgsrate [138]. Der Zeitpunkt und die Notwendigkeit radiologischer Kontrollen werden daher kontrovers diskutiert. Bis zu 80 % der bei unbehandelten Migranten auftretenden Tuberkulosen treten erst nach mehr als 2 Jahren auf [141]. Die routinemäßige Röntgenkontrolle nach 18 Monaten deckte bei französischen Patienten nach TB-Kontakt keine Erkrankung auf [142]. Unter 905 therapierten Kindern und Jugendlichen zwischen 2 und 18 Jahren gab es nur 3 TB-Fälle. Für Kinder unter 2 Jahren liegen keine Daten vor. Routine-Röntgenkontrollen ein Jahr nach Beendigung der Chemoprävention sind daher nicht zwingend erforderlich [143], sollten jedoch in Erwägung gezogen werden, wenn Zweifel an der Adhärenz bestanden oder eine Infektion mit einem resistenten Erreger vorlag bzw. vermutet wurde.
Nach Beendigung der Therapie sollten die Patienten erneut über die möglichen Symptome einer TB instruiert werden und sich bei deren Auftreten sofort in medizinische Betreuung begeben.
Nach Therapiebeendigung soll den Patienten ein Dokument (ärztlicher Abschlussbericht) ausgehändigt werden, in dem sowohl Diagnose, Testergebnisse inkl. THT oder IGRA, Röntgenergebnis als auch die durchgeführte Therapie aufgeführt sind. Die THT- oder IGRA-Ergebnisse sollen außerdem im Impfpass dokumentiert werden.
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Vor Beginn einer präventiven Chemotherapie aufgrund einer LTBI soll eine manifeste TB ausgeschlossen werden.
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Kinder und Jugendliche mit einer LTBI sollen eine präventive Therapie erhalten mit INH (ggf. mit Pyridoxin) und RMP p. o. für 3 Monate oder mit INH (ggf. mit Pyridoxin) p. o. für 9 Monate.
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Bei der Wahl des Therapieregimes der LTBI sollen mögliche Resistenzen des Indexfalls berücksichtigt werden.
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Unter chemopräventiver Therapie sollen in regelmäßigen Abständen klinische Verlaufskontrollen erfolgen und die Adhärenz überwacht werden.
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Nach Abschluss einer konsequent durchgeführten chemopräventiven Therapie sollte eine radiologische Verlaufskontrolle (z. B. Röntgen-Thorax in einer Ebene) durchgeführt werden. Diese kann ein Jahr nach Beendigung der Chemoprävention wiederholt werden.
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8 Therapie von Kindern und Jugendlichen mit sensibler pulmonaler Tuberkulose
8.1 Therapieprinzipien
Die Therapie der pulmonalen TB ist eine Kombinationstherapie unter Berücksichtigung möglicher oder gesicherter Resistenzen. Ein Erregernachweis mit Resistenzprüfung soll daher immer angestrebt werden. Bei klinischem TB-Verdacht sollte nach initialer Erregerdiagnostik eine antituberkulotische Kombinationstherapie begonnen und bis zum Nachweis einer anderen Ursache fortgesetzt werden. Wenn Erreger direkt vom Patienten gewonnen werden können (Magenspülwasser, Bronchoskopie, s. Kap. 4.7.1), kann eine Resistenz-PCR für INH und RMP (s. Kap. 4 Diagnostik) sofortige Ergebnisse liefern. Die kulturelle Anzucht mit Resistenztestung dauert einige Wochen. Ist die Resistenz des Indexpatienten verfügbar, soll diese für die Therapieentscheidung herangezogen werden.
Wenn diese nicht vorliegt, muss die Entscheidung aufgrund epidemiologischer Daten getroffen werden (http://www.who.int/tb/country/data/profiles/en [144]) und ggf. eine kalkulierte Therapie einer resistenten TB begonnen werden (s. Kap. 10).
Die Therapie muss insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern zügig begonnen und zuverlässig über den gesamten Therapiezeitraum fortgeführt werden. Ist dies gewährleistet, zeigt die pädiatrische TB-Therapie eine hohe Erfolgsrate. So lange eine TB nicht ausgeschlossen werden kann, soll eine empirische antituberkulotische Therapie unter Berücksichtigung möglicher Differenzialdiagnosen fortgesetzt werden. Bei fehlendem Erregernachweis soll immer die Möglichkeit von anderen Differenzialdiagnosen in Betracht gezogen werden (s. [Tab. 1]).
Bei fraglicher Adhärenz oder Schwierigkeiten der oralen Medikamentenapplikation sollte eine Therapie unter direkter Überwachung der Medikamentengabe z. B. durch medizinisches Personal im Sinne einer „directly observed therapy“ (DOT) in Erwägung gezogen werden.
Kürzere Therapieregime als Alternative zu bisher etablierten Therapieregimen wurden bei Erwachsenen im Rahmen von randomisierten, kontrollierten Studien untersucht, konnten aber bisher keine vergleichbaren Therapieerfolge zeigen [145].
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8.2 Standardtherapie von Kindern und Jugendlichen mit sensibler pulmonaler Tuberkulose
Die Standardtherapie von Kindern und Jugendlichen mit einer unkomplizierten, sensiblen TB erfolgt initial mit einer Dreifachtherapie (INH, RMP, PZA) über 2 Monate, gefolgt von einer Zweifachtherapie (INH, RMP) über 4 Monate (Gesamtdauer: 6 Monate). Als unkomplizierte TB gelten die mikroskopisch negative Lungen-TB, die Hiluslymphknoten-TB/unkomplizierte Primär-TB und die periphere Lymphknoten-TB. Diese Dreifachkombinationstherapie kann bei Kindern eingesetzt werden, da hier in der Regel geringe Erregermengen vorliegen und spontane Resistenzmutationen unwahrscheinlich sind.
Bei unbekannter Erregersensibilität sowie bei einer komplizierten TB sollte jedoch mit einer Vierfachtherapie (INH, RMP, PZA, EMB) begonnen werden.
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8.3 Empfohlene Dosierungen der Medikamente
Die Dosierungsempfehlungen der Erstrangmedikamente für Kinder sind in einer WHO-Empfehlung 2014 noch einmal angepasst worden [2]. Es handelt sich um eine praktikable Vereinfachung, die auch bei jungen Kindern eine Unterdosierung verhindert. INH ist bei Kindern sehr gut verträglich, aber in Kombination mit RMP und PZA nimmt das Risiko einer Hepatotoxizität etwas zu. Für Neugeborene und junge Säuglinge in den ersten 3 Lebensmonaten müssen die Dosierungen evtl. in Zusammenarbeit mit einem in der TB-Behandlung erfahrenen Kliniker angepasst werden. Die Medikamentendosierungen zur Therapie von Adoleszenten entspricht der bei Erwachsenen.
Isoniazid INH ist bakterizid gegenüber M. tb.-Komplex. Es wirkt intra- und extrazellulär, ist liquorgängig und diffundiert in seröse Höhlen.
Rifampicin RMP ist bakterizid gegenüber allen Stämmen von Mykobakterien und sowohl extra- als auch intrazellulär wirksam. Es ist reduziert liquorgängig.
Pyrazinamid PZA ist in saurem Milieu bakterizid, extra- und intrazellulär wirksam, liquorgängig und diffundiert in seröse Höhlen. Wahrscheinlich ist es auch in Makrophagen wirksam.
Ethambutol EMB inhibiert die Zellwandsynthese, ist bakteriostatisch und in höheren Konzentrationen auch bakterizid, extra- und intrazellulär wirksam, jedoch nur eingeschränkt liquorgängig und diffundiert in seröse Höhlen. Es vermeidet Resistenzentwicklungen, trägt aber nicht wesentlich zur Bakterizidie bei.
Die Medikamente werden in der Regel als orale tägliche Einmalgabe appliziert. Zu achten ist auf die verfügbaren Präparate, als orale Lösung ist derzeit nur RMP in Deutschland, Österreich und der Schweiz erhältlich. Die Tabletten der anderen Antituberkulotika lassen sich zerteilen bzw. zermörsern oder individuell herstellen (z. B. Verkapselung) ([Tab. 6]).
Medikament |
Dosierung pro Tag |
erhältliche Dosierungen |
unerwünschte Arzneimittelwirkungen |
Isoniazid (INH, H) |
10 mg/kg KG (7 – 15 mg/kg KG) Maximum 300 mg |
Tbl. à 50, 100, 200 mg Tbl. (mit Pyridoxin) à 100, 200, 300 mg |
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Rifampicin (RMP, R)
alternativ ggf. Rifabutin (z. B. bei HIV-Koinfektion) |
15 mg/kg KG (10 – 20 mg/kg KG) Maximum 600 mg 5 – 10 mg/kg KG) Maximum 300 mg |
Filmtbl. à 150, 300, 450, 600 mg Saft 100 mg/5 ml Infusionslösung à 300, 600 mg Kapseln à 150 mg |
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Pyrazinamid (PZA, Z) |
35 mg/kg KG (30 – 40 mg/kg KG) Maximum 2000 mg |
Filmtbl./Tbl. à 500 mg |
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Ethambutol (EMB, E) |
20 mg/kg KG (15 – 25 mg/kg KG) Maximum 2000 mg |
Tbl. à 100 mg, Filmtbl. à 400, 500 mg Infusionslösung à 1,0 g |
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8.4 Therapieeinleitung, Therapiedauer, Monitoring, Kontrolluntersuchungen
Kinder und deren Sorgeberechtigte sollen über die Prinzipien der TB-Behandlung und die Relevanz einer konsequenten Durchführung über den gesamten Therapiezeitraum informiert werden. In einzelnen TB-Behandlungseinrichtungen stehen daher auch schriftliche Informationen zur TB und deren Therapie zur Verfügung. Es kann zusätzlich auf die Broschüren des DZK (www.dzk-tuberkulose.de) verwiesen werden, die in mehreren Sprachen erhältlich sind. Zur Dokumentation ist dort auch eine Therapiekarte erhältlich. In einer App für Smartphones (iOS, Android) stehen Informationen in vielen Sprachen zur Verfügung (Explain-TB, www.explaintb.org).
Die Zusammenarbeit von verschiedenen Therapeuten und dem Gesundheitsamt muss koordiniert werden. Für jeden Fall müssen individuell die Ansprechpartner und Termine festgelegt werden. Der Patient sollte bei jedem Termin einen Folgetermin sowie einen aktuellen Therapieplan erhalten. Diese Daten können auch in einem Therapieheft festgehalten werden. Falls die Medikamente in Einrichtungen verabreicht werden, ist auch hier ein schriftlicher Therapieplan aufzustellen.
Vor allem Jugendliche sind aufgrund ihres stärker ausgeprägten Risikoverhaltens für verminderte Adhärenz gefährdet. Dies ist bei der Erstellung der Therapie- und Kontrollpläne ggf. zu berücksichtigen.
Das Risiko, verordnete Medikamente nicht einzunehmen, steigt mit der Zahl der Tabletten. Wenn möglich, sollten Kombinationspräparate verordnet werden, um die Tablettenzahl möglichst gering zu halten.
Vor der primären Therapieeinleitung wird der initiale klinische Status erhoben sowie die primäre Labordiagnostik zusätzlich zur spezifischen TB-Diagnostik (s. Kap. 4) durchgeführt (s. [Abb. 1]).
Die Entlassung aus dem Krankenhaus (mit Isolierung) erfolgt frühestens, wenn eine Infektiosität ausgeschlossen ist (s. Kap. 5).
Der Entlassungsbericht sollte zeitnah, auch wenn das Ergebnis der TB-Kultur noch aussteht, an den behandelnden Kinder-/Hausarzt und nachrichtlich an weitere involvierte therapeutische Partner (z. B. das zuständige Gesundheitsamt) verschickt werden mit Informationen über: Form der TB (infektiös, nicht infektiös), Resistenzergebnisse des möglichen Indexpatienten, Medikation (welche Dosis, wie lange), Kontrolltermine mit Datum und Uhrzeit.
Als einfache Methode zur Überwachung der Adhärenz hat sich neben der Anamnese die Rot-Orange-Färbung des Urins unter RMP, die bei den allermeisten Patienten auftritt, als sinnvoll erwiesen. Bei fraglicher oder mangelnder Adhärenz sollten Spiegelbestimmungen der Antituberkulotika durchgeführt werden.
Ein klinisches Ansprechen auf die Therapie ist frühestens nach 7 – 10 Tagen zu erwarten.
Bei Symptomen, die auf UAWs hinweisen, sollten die o. g. Laborparameter jederzeit kontrolliert werden. Bei unkompliziertem Verlauf erfolgt eine erste klinische- und Laborkontrolle nach 2 Wochen. Weitere Kontrollen werden in regelmäßigen Abständen empfohlen (s. [Abb. 1] Monitoring). Bei interkurrenten Infektionen können UAWs verstärkt auftreten, sodass dann auch entsprechend Laborkontrollen durchgeführt werden sollten.
Oft ist in einer Röntgenkontrolle nach 2 – 3 Monaten noch keine wesentliche Befundbesserung zu erwarten. Wenn jedoch klinisch, laborchemisch und/oder radiologisch der Verdacht auf ein Nichtansprechen bzw. auf einen Progress unter Therapie besteht, muss der Verlauf reevaluiert werden (s. Kap. 8.8.). Vor Beendigung einer TB-Therapie soll eine radiologische Kontrolle durchgeführt werden, um den Therapieerfolg zu dokumentieren und als Basis für den weiteren Verlauf.
Im Kindes- und Jugendalter ist die tägliche, kontinuierliche Therapie der TB unbedingt zu bevorzugen. Die Studienlage zur Begründung einer intermittierenden Therapie ist für diese Altersgruppe bisher unzureichend [148]. Besteht keine Möglichkeit, die erforderliche Therapietreue sicherzustellen, kommt nach Abwägung aller Möglichkeiten eine Therapie unter direkter Beobachtung durch „Health Care Worker“ infrage. Falls in solchen Situationen eine tägliche Gabe nicht umsetzbar ist, gibt es Dosierungsregime mit 2- oder 3-maliger Gabe pro Woche (intermittierende Therapie), die in diesen Fällen in Erwägung gezogen werden können.
In vielen Ländern sind Strukturen für die DOT etabliert und bewährt. In Deutschland, Österreich oder der Schweiz können Kinderarztpraxen, Gesundheitsämter, ambulante Pflegedienste an der Umsetzung beteiligt sein.
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8.5 Therapie von Kindern und Jugendlichen mit komplizierter pulmonaler Tuberkulose
Eine komplizierte pulmonale TB liegt bei Lymphknoteneinbruch, Kavernenbildung, Pleuraerguss und/oder Belüftungsstörungen vor. Zusätzlich zum bronchologischen Management (s. Kap. 4.6) erfolgt initial eine Vierfachfachtherapie mit INH, RMP, PZA und EMB über 2 Monate, gefolgt von einer Zweifachtherapie mit INH und RMP über 4 Monate (Gesamtdauer: 6 Monate). Alternativ kann auch initial eine Dreifachtherapie über 2 Monate mit INH, RMP und PZA, gefolgt von einer Zweifachtherapie (INH und RMP) über 7 Monate (Gesamtdauer: 9 Monate) durchgeführt werden.
Um posttuberkulöse Bronchiektasenbildungen zu vermeiden, ist es sinnvoll, Belüftungsstörungen frühzeitig und sorgfältig zu therapieren. Zusätzlich zur Bronchoskopie ggf. mit Lymphknoten-Enukleation können bei symptomatischen Belüftungsstörungen systemische Glukokortikoide eingesetzt werden [149] [150]. Üblich ist eine Therapie mit Prednisolon von 2 mg/kg KG/Tag (maximal 250 mg/Tag) oder Dexamethason mit 0,6 mg/kg KG/Tag (maximal 80 mg/Tag). Die Dauer richtet sich nach radiologischen bzw. bronchoskopischen Gesichtspunkten. Meist ist eine Dauer von 4 Wochen und ein Ausschleichen der Anfangsdosis über weitere 4 Wochen notwendig [151].
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8.6 Management von unerwünschten Arzneimittelwirkungen
Bei Kindern treten UAWs der Antituberkulotika weitaus seltener als bei Erwachsenen auf. Die wichtigste unerwünschte Wirkung ist die Hepatotoxizität. Sie tritt am häufigsten 3 – 6 Wochen nach Therapiebeginn auf und ist meist transient. Sie kann durch INH, RMP und PZA induziert werden. Eine Unterbrechung der Therapie sollte bei 3-fach über dem Normalwert erhöhten Leberwerten mit einer klinischen Symptomatik (Ikterus, Hepatosplenomegalie, anhaltende Übelkeit und Erbrechen), bei mehr als 5-fach erhöhten Leberwerten auch bei asymptomatischen Patienten bis zur Normalisierung der Laborwerte erfolgen. Ein erneuter Therapiebeginn kann entweder mit allen Medikamenten des bisherigen Regimes gleichzeitig oder sequenziell mit Einführung der einzelnen Medikamente in wöchentlichen Abständen erfolgen [16]. Nicht hepatotoxisch sind das EMB und renal eliminierte Fluorchinolone. In jedem Fall soll versucht werden, zumindest INH oder RMP in die Therapie wieder einzuführen, um eine suffiziente Therapie zu gewährleisten. Andere mögliche Ursachen einer Hepatopathie sind auch immer mit abzuklären.
Bei anhaltender Hepatotoxizität sollte ein Experte mit entsprechender Erfahrung in der TB-Therapie hinzugezogen werden.
Die häufige Erhöhung der Harnsäurekonzentrationen im Serum unter Therapie mit PZA ist in der Regel asymptomatisch und stellt keine Therapieindikation dar.
Die unter Therapie mit EMB seltene Optikusneuritis lässt sich durch Untersuchung der Rot-Grün-Unterscheidung z. B. im 4-wöchentlichen Abstand überwachen (z. B. mittels Ishihara-Farbtafeln). Dies ist bei jüngeren Kindern schwierig, eine Zusammenarbeit mit ophthalmologischen Kollegen ist zu empfehlen. Alternativ ist die Messung visuell evozierter Potenziale (VEPs) ab dem Neugeborenenalter möglich.
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8.7 Therapie bei Kindern und Jugendlichen mit Komorbiditäten
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HIV-Koinfektion: Die unerwünschten Wirkungen und Interaktionen der antiretroviralen Therapie (ART) sind zu berücksichtigen (s. Kap. 9.12).
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Immundefekt: Je nach Grad und Relevanz der Immunsuppression kann die Therapie ggf. verlängert werden. Dies sollte in individueller Entscheidung eines Zentrums erfolgen, valide Daten liegen nicht vor.
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Therapie mit TNF-alpha-Inhibitoren (ggf. andere Biologika): Die Therapie der TB sollte mindestens 8 Wochen vor Beginn der Therapie mit TNF-alpha-Inhibitoren begonnen werden, um das Risiko einer Krankheitsprogression zu minimieren, obwohl nur wenig Daten für Kinder und Jugendliche vorliegen [140].
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Niereninsuffizienz/Leberinsuffizienz: INH/RMP können bei Niereninsuffizienz in normaler Dosierung gegeben werden, EMB/PZA müssen nach GFR angepasst werden. Bei Leberinsuffizienz sollte zunächst die Standardtherapie unter wöchentlichen Laborkontrollen begonnen und ggf. angepasst werden. Ggf. sollte INH oder RMP durch ein renal eliminiertes Fluorchinolon, z. B. Levofloxacin, PZA durch EMB ersetzt werden.
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8.8 Management bei Therapieversagen, Reinfektion
Bleibt eine Befundbesserung aus bzw. entwickelt sich unter der Therapie eine Progredienz, sind zunächst die Medikamentendosierungen und die Adhärenz zu überprüfen bzw. zu sichern. Es kann einerseits eine Unterdosierung der verordneten Medikamente, andererseits eine unzureichende Adhärenz vorliegen. Die Bestimmung der Medikamentenspiegel, idealerweise 2 Stunden nach der Medikamenteneinnahme, ist in dem Fall indiziert. Eine Übersicht der therapeutischen Spitzenspiegel der einzelnen Erstrang-Antituberkulotika im Kindesalter bietet [Tab. 7].
Medikament |
Isoniazid |
Rifampicin |
Pyrazinamid |
Ethambutol |
3 – 5 µg/ml |
8 – 24 µg/ml |
(20) 35 – 60 µg/ml |
2 – 6 µg/ml |
* Spiegel in der Regel 2 Stunden nach Gabe
** Ein weiterer Serumspiegel 6 Stunden nach Gabe kann zum Ausschluss von Langsam-Absorbierern indiziert sein.
Bei adäquater Dosis und gesicherter Adhärenz ist die Möglichkeit eines resistenten Erregers zu bedenken. In sehr seltenen Fällen kann auch eine Doppelinfektion mit zwei verschiedenen Stämmen und unterschiedlichem Resistenzprofil vorliegen. Aufgrund der meist paucibazillären Erkrankung ist eine Resistenzentwicklung unter Therapie bei Kindern sehr selten.
Eine weitere Möglichkeit für ein anscheinendes Fortschreiten der Erkrankung unter einer antituberkulotischen Therapie ist das Auftreten eines IRIS (Immunrekonstitutions-Inflammations-Syndrom), einer überschießenden paradoxen immunologischen Reaktion unter der Immunrekonstitution nach einem Therapiebeginn. Dies kann vor allem bei einer HIV-Koinfektion auftreten [155], wird aber gelegentlich auch ohne eine HIV-Koinfektion beobachtet und stellt kein Therapieversagen dar (s. Kap. 9.11).
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Bei Kindern und Jugendlichen, bei denen aufgrund der klinischen oder radiologischen Befunde eine TB wahrscheinlich ist, soll auch bei fehlendem Erregernachweis eine empirische antituberkulotische Therapie begonnen werden.
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Die Therapie von Kindern und Jugendlichen mit pulmonaler TB soll über den gesamten Behandlungszeitraum täglich erfolgen.
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Die Standardtherapie von Kindern und Jugendlichen mit pansensibler, unkomplizierter pulmonaler TB soll mit 3 Medikamenten (INH, RMP und PZA) über 2 Monate und im Anschluss mit 2 Medikamenten (INH, RMP) für weitere 4 Monate durchgeführt werden.
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Falls die Erregerresistenz unklar ist, soll auch bei Kindern und Jugendlichen mit unkomplizierter pulmonaler TB eine Vierfachinitialtherapie (INH, RMP, PZA und EMB) durchgeführt werden.
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Bei Kindern und Jugendlichen unter TB-Therapie sollen in regelmäßigen Abständen klinischer Verlauf und Adhärenz überprüft werden und in Abhängigkeit davon weitere laborchemische und radiologische Untersuchungen stattfinden.
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Zum Ende einer TB-Therapie bei Kindern und Jugendlichen soll eine radiologische Verlaufskontrolle (z. B. Röntgen-Thorax in einer Ebene) durchgeführt werden.
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Die Therapie von Kindern und Jugendlichen mit komplizierter pulmonaler TB soll neben bronchologischem Management eine initiale Vierfachtherapie (INH, RMP, PZA und EMB) umfassen.
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Bei unzureichendem Therapieansprechen bzw. Therapieversagen soll eine Reevaluation mit erneuter Erregergewinnung und Überprüfung der Adhärenz und der Medikamentenserumspiegel durchgeführt werden.
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9 Extrapulmonale und weitere Manifestationsformen der Tuberkulose
Die extrapulmonale TB mit oder ohne gleichzeitiger pulmonaler Manifestation findet sich in Hoch-Prävalenzländern bei 30 – 60 % der erkrankten Kinder, in Niedrig-Prävalenzländern liegt der Anteil bei 18 – 40 % der pädiatrischen TB-Fälle [156] [157]. Die periphere Lymphadenitis stellt generell die häufigste Form der extrapulmonalen TB dar [158]. Kinder und Jugendliche mit einem Immundefekt, einschließlich einer unbehandelten HIV-Infektion, haben ein erhöhtes Risiko für extrapulmonale Manifestationen.
Die in dem Kapitel formulierten Empfehlungen für die Therapie von Kindern und Jugendlichen mit sensibler extrapulmonaler TB sind in weitgehender Übereinstimmung mit den Empfehlungen der WHO, Centers for Disease Control and Prevention (CDC), Infectious Diseases Society of America (IDSA) und American Thoracic Society (ATS) [2] [34] [121] [159].
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Kinder und Jugendliche mit einer sensiblen extrapulmonalen TB (Ausnahme TB-Meningitis, TB-Lymphadenitis und osteoartikuläre TB) oder bei denen der begründete Verdacht darauf besteht, sollen initial eine Vierfachtherapie (INH, RMP, PZA, EMB) für 2 Monate, gefolgt von einer Zweifachtherapie (INH, RMP) für mindestens 4 Monate erhalten.
9.1 Tuberkulöse Lymphadenitis
Hintergrund Die TB-Lymphadenitis ist mit ca. 15 % die häufigste extrapulmonale Manifestationsform der TB im Kindesalter [4]. Neben den hilären und intrathorakalen sind vor allem die submandibulären und zervikalen Lymphknoten (95 %) betroffen.
Klinik Einseitige, wenig druckdolente, livide verfärbte und über mehr als drei Wochen persistierende Lymphadenitiden sind verdächtig für eine Mykobakterien-Infektion. Vor allem im Kleinkindesalter ist die Abgrenzung zur häufigeren NTM-Infektion wichtig.
Diagnostik Zusätzlich zur Anamnese kann durch THT und IGRA zwischen Infektionen mit NTM und M. tb.-Komplex differenziert werden. Während bei Kindern und Jugendlichen mit einer NTM-Infektion der THT meist positiv ist, fällt der spezifischere IGRA in der Regel negativ aus (s. Kap. 4). Bei einer Infektion mit M. tb.-Komplex sind dagegen typischerweise beide Tests positiv. Allerdings sind in der Literatur mehrfach NTM-Fälle beschrieben worden, bei denen auch positive IGRA-Ergebnisse vorlagen (inklusive Infektionen mit M. kansasii, M. marinum, M. abscessus und M. celatum) [160] ([Tab. 8]). Gesichert wird die Diagnose durch den Nachweis von M. tb.-Komplex in betroffenen Lymphknoten.
Verdacht auf |
bildgebende Diagnostik |
Probenmaterial |
Routineuntersuchungen |
weitere Untersuchungen an primärem Probenmaterial (falls relevant für Diagnose und therapeutisches Management) |
Lymphknoten-TB (inkl. intrathorakale mediastinale Lymphadenopathie) |
Sonografie[1] CT MRT |
Biopsie[2] Exstirpat |
Mikroskopie Kultur Histopathologie NAT z. B. PCR |
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Aspirat |
Mikroskopie Kultur Histopathologie NAT z. B. PCR |
1 Lymphknoten meist hypertroph, meist echoarm oder mit zentraler Einschmelzung, im Verlauf Verkalkungen.
2 CAVE: Fistelbildung, die Komplettexstirpation eines Lymphknotens bzw. die Feinnadelaspiration ist zu bevorzugen.
Therapie Die Therapie von Kindern und Jugendlichen mit einer Lymphknoten-TB entspricht der bei unkomplizierter pulmonaler TB und wird über 6 Monate durchgeführt; zunächst zwei Monate mit einer Dreifachtherapie (INH, RMP, PZA), dann 4 Monate mit einer Zweifachtherapie (INH, RMP). Eine chirurgische Sanierung sollte aufgrund der Gefahr der Fistelbildung nur in Ausnahmefällen erfolgen.
Als Monitoring eignen sich je nach Lokalisation entweder radiologische Verlaufskontrollen (intrathorakal) oder sonografische Untersuchungen. Bei besonderen Fragestellungen und komplizierten Verläufen kann eine MRT-Untersuchung hilfreich sein.
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Kinder und Jugendliche mit einer sensiblen TB-Lymphadenitis oder begründetem Verdacht auf eine sensible TB-Lymphadenitis sollen eine initiale Dreifachtherapie (INH, RMP, PZA) für 2 Monate, gefolgt von einer Zweifachtherapie (INH, RMP) für 4 Monate erhalten.
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9.2 Tuberkulose des zentralen Nervensystems
Hintergrund An der tuberkulösen Meningitis (TBM) erkrankten im Jahre 2015 in Deutschland 2 von 169 Kindern mit TB [161]. Insbesondere Kinder unter 5 Jahren (Altersgipfel 2 – 4 Jahre) sind vulnerabel für diese mit hoher Mortalität und Morbidität behaftete Tuberkuloseform [162]. Meist tritt die TBM 3 – 6 Monate nach Primärinfektion auf und betrifft vor allem die basalen Leptomeningen. Nach Übertritt von M. tb.-Komplex durch die Blut-Hirn-Schranke kommt es zu einer granulomatösen Hypersensitivitätsreaktion, die sowohl einen direkten Parenchymschaden als auch eine obliterierende Endarteritis zur Folge hat.
Klinik Die frühen Symptome der TBM wie Kopfschmerzen, Nausea und Erbrechen, leichtes Fieber und Spielunlust sind häufig unspezifisch, schleichend beginnend, jedoch typischerweise persistierend. Im weiteren Verlauf kann es zu typischen Meningitis-Symptomen und Krampfanfällen kommen. Die TBM wird in 3 Stadien eingeteilt, was insbesondere für die Prognose eine Rolle spielt:
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Stadium I: Glasgow Coma Scale (GCS) 15 Punkte, kein neurologisches Defizit
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Stadium II: GCS 11 – 14 Punkte oder GCS 15 Punkte mit fokalen neurologischen Defiziten
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Stadium III: GCS < 11 Punkte, ausgeprägte neurologische Defizite
Komplikationen ergeben sich hauptsächlich durch Liquorzirkulationsstörungen sowie durch eine ausgeprägte Vaskulitis, die vor allem verantwortlich für das Ausmaß des ischämischen Hirnschadens sowie das resultierende schlechte Outcome bei Kindern mit TBM ist. Bei der Vaskulitis scheint es sich um ein immunologisches Phänomen zu handeln, dessen Ausmaß auch durch eine adäquate antituberkulotische Therapie nicht beeinflusst werden kann. Kortikosteroide reduzieren die Mortalität bei TBM ohne Einfluss auf die Inzidenz der basalen Infarkte [163]. Des Weiteren können intrazerebrale Tuberkulome auftreten, die meist unter antituberkulotischer Therapie rückläufig sind, der Zeitraum bis zur Ausheilung kann jedoch bis zu 12 Monate betragen [164]. Im Gegensatz dazu bedürfen die äußerst seltenen tuberkulösen Pseudo-Abszesse meist einer neurochirurgischen Intervention. Bei 85 % der Patienten mit TBM kommt es zu einer Hyponatriämie, die entsprechend überwacht und therapiert werden muss [165].
Diagnostik Folgende Punkte stützen die Diagnose TBM (Prozentangaben stammen aus einer südafrikanischen Studie an 554 Kindern mit TBM [162]): Gewichtsverlust bzw. Perzentilen-kreuzendes Wachstum (90 %), bekannte TB-Exposition (53 %), positiver immunologischer Nachweis (THT oder IGRA) (60 %) und ein Röntgen-Thorax mit Zeichen einer pulmonalen TB (44 %). Die immunologischen Tests können bei schwerem Krankheitsverlauf negativ ausfallen. Der Liquor ist bei TBM typischerweise makroskopisch klar, bei hohem Proteingehalt ggf. xanthochrom. Die Ausbildung sogenannter Spinnengewebsgerinnsel kann vorkommen. Häufig findet sich eine lymphozytäre Pleozytose (< 500 Zellen/µl), erniedrigte Liquorglukose (Liquor-/Plasmaglukose < 0,5 bzw. Liquorglukose < 2,2 mmol/l) sowie ein erhöhtes Liquorprotein (0,5 – 5,0 g/l). Im Gegensatz zu einer viralen Meningitis normalisiert sich der Liquor bei TBM trotz adäquater Therapie innerhalb einer Woche nicht. Eine Verlaufskontrolle des Liquors kann daher diagnostisch hilfreich sein. Bei sehr akut verlaufenden Fällen kann auch eine höhere Zellzahl mit einem Überwiegen polymorphkerniger Zellen vorliegen. Ein Erregernachweis mittels direkter Mikroskopie, Kultur und NAT (z. B. PCR) sollte immer angestrebt werden (Spezifität > 98 %, Sensitivität 60 – 85 %), wobei eine Mindestmenge von 6 ml Liquor die Nachweisquote deutlich erhöht [166] [167]. Das bildgebende Verfahren der Wahl bei TBM ist das zerebrale MRT, das immer mit Kontrastmittel durchgeführt werden sollte und bei fast 90 % der Patienten bereits in der Frühphase miliare, leptomeningeale Läsionen nachweisen kann [168]. Weitere häufige Pathologien sind Hydrozephalus, basales Enhancement, Infarkte, Ödem sowie ein Tuberkulom oder mehrere Tuberkulome [169] [170] ([Tab. 9]).
Verdacht auf |
bildgebende Diagnostik |
Probenmaterial |
Routineuntersuchungen |
weitere Untersuchungen an primärem Probenmaterial (falls relevant für Diagnose und therapeutisches Management) |
TBM |
MRT CT[1] |
Liquor |
Mikroskopie NAT z. B. PCR Kultur Zytologie |
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ZNS-TB[2] |
MRT CT[1] |
Liquor ggf. Biopsie eines verdächtigen Tuberkuloms |
Mikroskopie NAT z. B. PCR Kultur Zytologie Histopathologie bei Biopsie |
1 Methode der Wahl ist das MRT; ein CT kann alternativ eingesetzt werden, wenn kein MRT verfügbar ist.
2 Weitere ZNS-Manifestationen der TB (z. B. Tuberkulome).
Therapie Bereits bei dem klinischen Verdacht auf eine TBM soll umgehend mit der antituberkulotischen Therapie sowie einer begleitenden Steroidtherapie begonnen werden, da das Outcome der Patienten eng mit dem Zeitpunkt des Therapiebeginnes korreliert. Des Weiteren ist die Liquorgängigkeit der verwendeten Antituberkulotika zu beachten und die damit notwendigen höheren Dosierungen [171].
Bei Erwachsenen wird in Deutschland aktuell die Vierfachtherapie mit INH, RMP, PZA und Streptomycin (SM) (bessere Liquorgängigkeit als EMB) für 2 Monate, gefolgt von einer Kontinuitätsphase von 10 Monaten mit INH und RMP empfohlen [16]. Aufgrund der oralen Verfügbarkeit und sehr guten Liquorgängigkeit kann Prothionamid (PTH/Pto; Analogon von Ethionamid [ETH/Eth]) anstelle von SM verwendet werden [172]. Aufgrund der hohen Variabilität in der Resorption sollte RMP bei schwer kranken Kindern initial (7 – 14 Tage) intravenös gegeben werden [173].
In internationalen Guidelines werden neben INH, RMP und PZA für die Initialtherapie EMB, ETH (Äquivalent zu PTH/Pto) oder ein Aminoglykosid empfohlen [2] [174] [175]. Analog dazu empfiehlt die Leitliniengruppe für die Initialtherapie der TBM im Kindes- und Jugendalter eine Vierfachtherapie mit INH, RMP, PZA und PTH für 2 Monate, gefolgt von einer Zweifachtherapie mit INH und RMP für 10 Monate, wobei PTH (15 – 20 mg/kg KG/Tag in 1 ED; Maximaldosis 1000 mg/Tag aufgrund der guten Liquorgängigkeit als viertes Medikament für die Initialtherapie bevorzugt wird (Cave: Hypothyreose). Eine neuere Studie konnte gute Therapieerfolge (bei 5 % der Fälle Auftreten einer reversiblen medikamenten-induzierten Hepatopathie) mit einer intensivierten 6-monatigen Vierfachtherapie bestehend aus INH (20 mg/kg KG), RMP (20 mg/kg KG), PZA (40 mg/kg KG) und ETH (20 mg/kg KG) zeigen [176]. Allerdings sind dies Daten einer Beobachtungsstudie ohne eine randomisierte Kontrollgruppe, sodass die Daten derzeit (noch) nicht ausreichend erscheinen, um bisherige etablierte Therapieempfehlungen grundlegend zu ändern. Weitere zur Therapie der TBM verwendete Antituberkulotika sind Fluorchinolone (Levofloxacin [15 – 20 mg/kg KG/Tag in 2 ED bei Kindern ≤ 5 Jahren, 7,5 – 10 mg/kg KG/Tag in 1 ED bei Kindern > 5 Jahren], Moxifloxacin 7,5 – 10 mg/kg KG/Tag in 1 ED) [173] [177].
Antientzündliche Therapie: Zusätzlich zur antituberkulösen Therapie sollen bei einer TBM Glukokortikoide (Dexamethason 0,6 mg/kg KG/Tag; maximal 80 mg/Tag oder Prednisolon 2 – 4 mg/kg KG/Tag; maximal 250 mg/Tag) zur Reduktion der Mortalität verabreicht werden [178] [179]. Die standardmäßige Dauer beträgt 4 Wochen, anschließendes Ausschleichen über mindestens 4 Wochen. Bei TB-Abszessen oder persistierenden oder progredienten Tuberkulomen, die chirurgisch nicht zugänglich sind, kann eine Therapie mit Thalidomid (3 – 5 mg/kg KG/Tag p. o.; maximal 200 mg/Tag) erwogen werden.
Therapie des Hydrozephalus Bei etwa 80 % der unbehandelten Patienten mit TBM kommt es zu einem meist kommunizierenden Hydrozephalus [162], der in 90 % der Fälle mit einer Diuretikatherapie (z. B. Azetazolamid und Furosemid) behandelt werden kann [165] [180], bei Nichtansprechen oder bei nicht-kommunizierendem Hydrozephalus durch Implantation einer externen Liquorableitung.
Bei großen oder wachsenden Tuberkulomen, die durch ihre Lokalisation chirurgisch zugänglich sind, kann eine neurochirurgische Intervention in Betracht gezogen werden [181].
Follow-up und supportive Therapie In einer Langzeit-Nachbeobachtungsstudie an 76 Kindern (mittleres Alter 9 Jahre) mit vorwiegend Grad II und III TBM zeigten sich bei 80 % der Kinder kognitive Beeinträchtigungen, bei 43 % unzureichende Schulleistungen, bei 40 % Verhaltensauffälligkeiten und bei 25 % motorische Beeinträchtigungen, wobei bei allen Kindern die Gehfähigkeit erhalten blieb [182]. Je nach Defizit sind supportive Maßnahmen wie Physio- und Ergotherapie und Logopädie indiziert.
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Für die Diagnose einer TB-Meningitis soll unter Berücksichtigung der Anamnese, Klinik und immunologischer Testergebnisse (THT, IGRA) eine Liquoruntersuchung und eine zerebrale Bildgebung, bevorzugt ein MRT, durchgeführt werden.
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Kinder und Jugendliche mit einer sensiblen TB-Meningitis oder bei denen der begründete Verdacht auf eine sensible TB-Meningitis besteht, sollen eine antituberkulotische Vierfachtherapie (INH, RMP, PZA und Protionamid [alternativ EMB]) für 2 Monate, gefolgt von einer Zweifachtherapie (INH, RMP) für weitere 10 Monate erhalten.
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Bei der Therapie von Kindern und Jugendlichen mit TB-Meningitis sollten die Antituberkulotika-Dosierungen im oberen Bereich der Dosisempfehlung gewählt werden.
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Eine Therapie mit Glukokortikoiden (Dexamethason 0,6 mg/kg KG/Tag oder Prednisolon 2 – 4 mg/kg KG/Tag) über 4 Wochen senkt bei einer TB-Meningitis die Mortalität und neurologische Langzeitdefizite und soll immer Bestandteil der Therapie sein.
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9.3 Tuberkulose der Pleura
Hintergrund Die Pleura ist nach den Lymphknoten die zweithäufigste Lokalisation für eine extrapulmonale TB. Pleuraempyeme sind selten, die Prognose variabel. Während bei Erwachsenen die TB-Pleuritis häufiger im Rahmen einer Reaktivierung auftritt, entwickeln Kinder eher im Rahmen einer pulmonalen Primärinfektion eine Pleuritis [183] [184] [185].
Klinik Neben unspezifischen Symptomen wie Gedeihstörung und Fieber sind Thoraxschmerzen (oft atemabhängig) und Dyspnoe die wegweisenden Symptome. Pleuraergüsse sind in der Regel unilateral und fallen in der klinischen Untersuchung durch eine Dämpfung von Klopfschall und Atemgeräusch auf. Bei kleinen Ergüssen kann lediglich eine thorakale Bildgebung (Ultraschall, Röntgen, in Einzelfällen auch CT) auf die Pleuritis hinweisen.
Diagnostik Da die tuberkulöse Pleuritis häufig mit einer pulmonalen TB assoziiert ist [186], ist das diagnostische Vorgehen zunächst wie bei der pulmonalen Tuberkulose (s. Kap. 4). Auf diese Weise kann die Diagnose ggf. ohne eine invasive Punktion des Pleuraergusses gestellt werden ([Tab. 10]).
Verdacht auf |
bildgebende Diagnostik |
Probenmaterial |
Routineuntersuchungen |
weitere Untersuchungen an primärem Probenmaterial (falls relevant für Diagnose und therapeutisches Management) |
TB der Pleura |
Röntgen-Thorax Sonografie (Bronchoskopie) |
3 Proben: Magensaft (Kleinkinder) induziertes Sputum (ab Schulalter) s. Kap. 4.7.1 |
Mikroskopie Kultur NAT z. B. PCR |
|
Pleuraerguss[1] |
Mikroskopie Kultur NAT z. B. PCR Zytologie |
Zellzahl, Proteinkonzentration, LDH, Adenosin-Deaminase-Assay IGRA[3] |
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Pleurabiopsie[2] |
Mikroskopie Kultur NAT z. B. PCR Histopathologie |
1 Wenn pulmonale TB nicht zweifelsfrei diagnostiziert werden kann.
2 Kultureller Nachweis von M. tb.-Komplex aus dem Pleuraerguss gelingt in 20 – 30 % der Fälle, die Erfolgsquote steigt auf 80 – 90 % mit der Untersuchung einer Pleurabiopsie.
3 In einigen Studien hat sich die Bestimmung der Interferon-gamma-Konzentration mit kommerziell erwerblichen IGRA im Pleuraerguss als nützlich erwiesen [187].
Therapie Die Behandlung entspricht der Therapie einer komplizierten pulmonalen TB mit einem 6-monatigen Standardregime (2 Monate INH, RMP, PZA, EMB und 4 Monate INH, RMP); s. Kap. 8.2 und führt bei der sensiblen TB fast ausnahmslos zur Heilung. Bei ausgedehnten Pleuraergüssen, die eine funktionelle Einschränkung der Lungenkapazität bedingen, sollte eine Entlastung des Ergusses erfolgen. Dies geschieht bestenfalls im Rahmen einer einmaligen Pleurapunktion, bei rezidivierenden Pleuraergüssen ist die Anlage einer Pleuradrainage notwendig. An die Pleuradrainage sollte sich eine intensive Physiotherapie zur Vermeidung funktioneller Einschränkungen (wie z. B. Pleura-Schwarten) anschließen [188]. Die Studienlage zeigt weder für die systemische noch für die topische Kortikosteroid-Therapie einen Vorteil im Hinblick auf die Prognose der Patienten [149].
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9.4 Tuberkulöse Perikarditis
Hintergrund Die Perikard-TB (Perikarderguss, Pericarditis constrictiva) ist eine Seltenheit im Kindesalter. In ressourcenarmen Ländern ist die tuberkulöse Perikarditis mit 70 – 80 % aller Fälle die häufigste Ursache einer Perikarditis mit einer hohen Mortalität (bis zu 40 %); in der westlichen Welt wird der relevante Anteil hingegen auf ca. 4 – 5 % geschätzt. Sie kann per continuitatem aus infizierten Nachbarorganen, wie der Lunge (1 – 2 % der pulmonalen TB), aber auch durch miliare Streuung oder als Reaktivierung einer LTBI entstehen.
Klinik Neben einer Gedeihstörung und Fieber sind Dyspnoe, Orthopnoe und atemabhängige Brustschmerzen Symptome einer Perikarditis. Mit fortschreitender Erkrankung stehen oft durch einen Perikarderguss bedingte Symptome wie abgeschwächte Herztöne, Pulsus paradoxus und Zeichen des Rechtsherzversagens oder der perikardialen Konstriktion im Vordergrund.
Diagnostik Der Nachweis von M. tb.-Komplex zur Bestätigung der Diagnose ist unabhängig vom Verfahren schwierig. Metaanalysen zeigen jedoch [189], dass die Rate positiver kultureller Nachweise aus dem Perikarderguss relativ hoch (53 – 75 %) ist. Allerdings ist die Punktion schmaler Perikardergüsse risikoreich ([Tab. 11]).
Verdacht auf |
bildgebende Diagnostik |
Probenmaterial |
Routineuntersuchungen |
weitere Untersuchungen an primärem Probenmaterial (falls relevant für Diagnose und therapeutisches Management) |
TB-Perikarditis |
Echokardiografie |
Perikardbiopsie |
Mikroskopie Kultur Histopathologie NAT z. B. PCR[1] |
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Perikarderguss |
Mikroskopie Kultur Zytologie NAT z. B. PCR[1] |
Zellzahl Proteinkonzentration LDH |
1 Die Nachweisquote einer M. tb.-PCR aus einer Perikardbiopsie (80 %) ist deutlich höher als aus einem Perikarderguss (15 %) [190] [191].
Therapie Die tuberkulöse Perikarditis wird mit einem 6-monatigen Standardregime (2 Monate INH, RMP, PZA, EMB und 4 Monate INH, RMP) behandelt. Da die TB oft von einer starken Immunreaktion begleitet ist, die in der Folge zu Gewebsschäden aufgrund einer starken Inflammation führt, wird im Falle einer Perikarditis die Gabe von Kortikosteroiden (z. B. Prednisolon 2 – 4 mg/kg KG/Tag, maximal 250 mg/Tag) über 4 Wochen, anschließendes Ausschleichen über 2 – 4 Wochen) empfohlen [149] [192].
Bei Patienten mit kalzifizierender, konstriktiver Perikarditis oder einer Progression ist in jedem Fall eine Perikardektomie indiziert. Neue Therapieansätze umfassen die Gabe von bone-marrow-derived mesenchymal stromal cells (MSCs). Diese müssen jedoch erst in weiteren Placebo-kontrollierten Studien untersucht werden, bevor sie ggf. Eingang in die klinische Praxis finden [193].
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9.5 Abdominelle Tuberkulose
Hintergrund Die abdominelle TB kann in vier Formen auftreten: Tuberkulöse Lymphadenopathie, peritoneale, gastrointestinale und zuletzt die viszerale TB mit Beteiligung der soliden Organe. Die intestinale TB ist eine der häufigsten Formen, meistens sind das distale Ileum und das Coecum betroffen, gefolgt von Jejunum-Ileum, Kolon und Rektum.
Es gibt verschiedene Entstehungsmechanismen für eine Infektion:
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Ingestion von infizierter Milch oder Sputum, Ausbreitung vom Gastrointestinaltrakt aus in die portale Zirkulation oder in die Leberarterien mit Infektion solider Organe (Leber, Pankreas, Milz)
-
hämatogene Streuung aus einem Fokus in abdominelle Organe, Lymphknoten und Peritoneum
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direkte Verbreitung aus benachbarten Herden (Eileiter oder Adnexe, Psoas-Abszess, tuberkulöse Spondylitis) auf das Peritoneum
Klinik Die klinischen Symptome sind variabel und unspezifisch. Die häufigsten Symptome oder Zeichen einer abdominellen TB sind abdominelle Schmerzen, ein geblähtes Abdomen, Fieber, Gedeihstörung bzw. Gewichtsabnahme, Durchfall oder Obstipation.
Diagnostik Bildgebende Verfahren können auf eine abdominelle TB hinweisen. Es sollte im Verdachtsfall immer die Gewinnung von geeignetem Untersuchungsmaterial mittels endoskopischer oder chirugischer Techniken angestrebt werden ([Tab. 12]).
Verdacht auf |
bildgebende Diagnostik |
Probenmaterial |
Routineuntersuchungen |
weitere Untersuchungen an primärem Probenmaterial (falls relevant für Diagnose und therapeutisches Management) |
abdominelle TB |
Sonografie[1] CT[2] MRT[3] Koloskopie Laparoskopie |
Omentumbiopsie Darmbiopsie Leberbiopsie |
Mikroskopie Kultur Histopathologie NAT z. B. PCR |
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Aszites |
Mikroskopie Kultur Zytologie NAT z. B. PCR |
1 Hochauflösende Sonografie zur Detektion pathognomonischer Granulome mesenterial und an den Organkapseln.
2 Aus strahlenhygienischen Gründen und aufgrund des höheren Weichteilkontrastes kann alternativ eine MRT-Untersuchung diskutiert werden, auch wenn eine entsprechende Evidenz fehlt [194] [195].
3 MRT mit Buscolamin-Gabe zur Darm-Motilitätsreduktion; 0,3 mg/kg KG, maximal 20 mg.
Therapie Eine sechsmonatige Standardtherapie (2 Monate INH, RMP, PZA, EMB und 4 Monate INH, RMP) ist – wie bei den meisten extrapulmonalen Tuberkuloseformen – ausreichend. Im Gegensatz zur Lungen-TB basiert die Empfehlung für die kurze Therapiedauer auf Studien mit nur sehr kleinen Fallzahlen, ein Therapieerfolg lässt sich schwer definieren. Bei Patienten mit komplizierten Konstellationen, wie einer HIV-Infektion oder Immunsuppression anderer Ursache, kann die Therapieerweiterung auf 9 oder 12 Monate erwogen werden. Bei Erkrankungen durch M. bovis (mit natürlicher Resistenz gegenüber PZA) soll in der Intensivphase eine Dreifachtherapie mit INH, RMP und EMB verwendet und die Kontinuitätsphase auf 7 Monate verlängert werden. Für die Effektivität einer adjuvanten Kortikosteroidtherapie gibt es keine Evidenz [149].
Bei ernsthaften Komplikationen (Perforation, Blutungen oder Obstruktion) sind chirurgische Interventionen notwendig.
Monitoring: Je nach Krankheitsbild sollen klinische und sonografische oder radiologische Kontrollen in mindestens monatlichen Abständen erfolgen.
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9.6 Osteoartikuläre Tuberkulose
Hintergrund (siehe [196] [197] [198]) Die osteoartikuläre TB kann sich als Osteomyelitis und Arthritis manifestieren. Jeder Knochen und jedes Gelenk können betroffen sein, am häufigsten Wirbelkörper (Spondylitis, vor allem der unteren thorakalen und lumbalen Wirbelsäule, häufig mit paraspinalem oder Psoas-Abszess), Hüftgelenk und Kniegelenk. Bei Immungesunden handelt es sich meist um solitäre Läsionen. Eine osteoartikuläre TB entsteht in den meisten Fällen durch hämatogene Aussaat der Erreger. Osteomyelitiden durch BCG nach Impfung sind auch bei immunkompetenten Kindern wiederholt beschrieben [199].
Klinik (siehe [196] [197] [198]) Spondylitis: Allgemeinsymptome sind nicht zwingend. Bei Erwachsenen waren chronische Rückenschmerzen in 61 % der Fälle von tuberkulöser Spondylitis das einzige Symptom [200]. Eine lokale Rötung oder Überwärmung im Bereich der betroffenen Wirbel findet sich selten, ein lokaler Druck-/Klopfschmerz über dem entsprechenden Dornfortsatz ist beschrieben. Bauchschmerzen und Schmerzen bei Beugung im Hüftgelenk können auf einen Psoas-Abszess hinweisen. Erste neurologische Symptome sind Taubheit, Parästhesien und Schwächegefühl bei Belastung der unteren Extremität. Spätere klinische Zeichen sind Paraplegie sowie Kyphose/Gibbusbildung. Bei zervikalem Befall finden sich frühe und rasch progrediente neurologische Ausfälle. Hierbei können auch Torticollis, Dysphagie, Heiserkeit und eine Parese des 12. Hirnnerven auftreten.
Arthritis/Osteomyelitis: Typisch sind langsam progrediente Schmerzen, Schwellung sowie Bewegungseinschränkung oder ein auffälliges Gangbild. Abszesse und Fistelbildungen sind Spätsymptome bei unbehandelten Patienten.
Diagnostik Ein Röntgen-Thorax und die Untersuchung von Sputum oder Nüchtern-Magensäften (s. Kap. 4 Diagnostik) sollte zum Ausschluss einer pulmonalen TB bei osteoartikulärer TB initial erfolgen ([Tab. 13]).
Verdacht auf |
bildgebende Diagnostik |
Probenmaterial |
Routineuntersuchungen |
weitere Untersuchungen an primärem Probenmaterial (falls relevant für Diagnose und therapeutisches Management) |
osteo-artikuläre TB |
konvent. Röntgen[1] CT[2] MRT[3] Sonografie[4] |
Biopsie (Knochen, paraspinaler Abszess, Synovia[5]) |
Mikroskopie Kultur Histopathologie NAT z. B. PCR |
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Gelenkerguss (Punktat bei Arthritis) |
Mikroskopie Kultur[6] Zytologie NAT z. B. PCR |
Zellzahl Proteinkonzentration LDH Nachweis von Fibrin-Präzipitaten (rice bodies) |
1 Veränderungen sind erst bei Destruktion von ca. 50 % des Wirbelkörpers sichtbar [201].
2 CT-gesteuerte Feinnadelpunktion/-Aspiration bei Spondylodiszitis.
3 Goldstandard bei V. a. osteoartikuläre TB ist das Kontrastmittel-MRT.
4 Bei Gelenkbefall zur Darstellung der Synovia und des Ausmaßes eines Gelenkergusses.
5 Synovialbiopsie/-kultur > 90 % Sensitivität hinsichtlich eines Erregernachweises [202].
6 Cave: Superinfektion mit S. aureus möglich.
Therapie Medikamentöse Therapie: Bei einem sensiblen Erreger wird gemäß den WHO-Leitlinien eine antituberkulotische Therapie über 12 Monate empfohlen (davon 2 Monate INH, RMP, PZA, EMB, gefolgt von INH und RMP über weitere 10 Monate) [2] [121]; wobei auch eine Therapiedauer von 6 Monaten (Ausnahme Spondylitis) diskutiert wurde [203]. Die Dosierung der Medikamente erfolgt entsprechend der Therapie der pulmonalen TB (s. Kap. 8).
Chirurgie: Eine chirurgische Intervention ist bei adäquater antituberkulotischer Therapie selten erforderlich.
Indikationen für eine chirurgische Intervention bei tuberkulöser Spondylitis sind [204]:
-
neurologische Ausfälle (akute und nicht-akute)
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Instabilität durch Destruktion/Kollaps von Wirbelkörpern
-
Kyphosewinkel > 30°
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Nicht-Ansprechen auf Therapie (z. B. bei großen Abszessen)
-
nicht beherrschbare Schmerzen
Ein Debridement/Synovektomie kann bei protrahiertem Verlauf einer Osteomyelitis oder Arthritis erforderlich sein (keine aktuellen Studien).
Eine adjuvante systemische oder lokale Therapie (Gelenkinjektion) mit Kortikosteroiden oder Thalidomid wird nicht empfohlen, kann jedoch in Einzelfällen (u. a. vor Erwägung einer Synovektomie) hilfreich sein.
Follow-up (keine Studiendaten): Ein Follow-up mindestens 2 Jahre über das Therapieende hinaus, am besten bis zum Abschluss des Längenwachstums ist sinnvoll, um das Wachstum und die Funktion der betroffenen Knochen/Gelenke zu beurteilen.
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Kinder und Jugendliche mit einer sensiblen osteoartikulären TB oder bei denen der begründete Verdacht auf eine sensible osteoartikuläre TB besteht, sollen eine antituberkulotische Vierfachtherapie (INH, RMP, PZA, EMB) für 2 Monate, gefolgt von einer Zweifachtherapie (INH, RMP) für weitere 10 Monate erhalten.
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9.7 Urogenitaltuberkulose
Hintergrund Die Urogenital-TB ist im Kindesalter sehr selten und entwickelt sich bei immunkompetenten Kindern meist mehr als 5 – 8 Jahre nach einer primären Infektion. Bei Vorliegen einer HIV-Infektion kann sie sich jedoch auch bei jüngeren Kindern manifestieren [205] [206]. Die Absiedelung von Mykobakterien in der Niere führt zur Granulombildung im Bereich der Glomeruli, die bestenfalls fibrotisch heilt, aber auch zu Verkäsung und Zerstörung des Nierenparenchyms durch Einbrüche der Granulome in das tubuläre Lumen führen kann.
Klinik Typischerweise findet sich eine Dysurie, Hämaturie und eine sterile Pyurie (90 % der Fälle), auch klinische Verläufe mit schwerer Proteinurie und einem nephrotischen Syndrom sind beschrieben [206]. Ein alleiniger Nachweis von M. tb. aus dem Urin ohne ein klinisches und/oder radiologisches Korrelat definiert keine Urogenital-TB.
Diagnostik Die Diagnose erfolgt durch die Untersuchung des Morgenurins mittels Mikroskopie, NAT (z.B. PCR) und Kultur. Bei unklaren Fällen sind Biopsien des betroffenen Organs indiziert ([Tab. 14]).
Verdacht auf |
bildgebende Diagnostik |
Probenmaterial |
Routineuntersuchungen |
weitere Untersuchungen an primärem Probenmaterial (falls relevant für Diagnose und therapeutisches Management) |
Urogenital-TB |
Sonografie[1] CT/MRT[2] Zystoskopie Laparaskopie |
Morgenurin mind. 30 ml an 3 verschiedenen Tagen |
Mikroskopie Kultur[3] NAT z. B. PCR |
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Biopsie fokaler Erkrankung |
Mikroskopie Kultur Histopathologie NAT z. B. PCR |
1 Methode der Wahl (Darstellung von Hydronephrose, perinephritischen Abszessen und Verkalkungen).
2 MRT aufgrund fehlender Strahlenbelastung und hohen Weichteilkontrastes bevorzugt zu diskutieren.
3 Nachweis gelingt in etwa 30 % der Fälle [207].
Therapie Kinder und Jugendliche mit einer Urogenital-TB sollen initial eine Vierfachtherapie (INH, RMP, PZA, EMB) für 2 Monate, gefolgt von einer Zweifachtherapie (INH, RMP) für 4 Monate erhalten. Bei Vorliegen von Strikturen und Obstruktionen können in seltenen Fällen operative Interventionen erforderlich sein [207].
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9.8 Okuläre Tuberkulose
Hintergrund Die okuläre TB ist eine sehr seltene Erkrankung, betroffen sein können alle Abschnitte des Auges. Sie kann mit einer pulmonalen TB oder anderen Form der extrapulmonalen TB assoziiert sein und entwickelt sich in der Regel durch hämatogene Streuung ausgehend von einer Primärinfektion.
Klinik Die TB manifestiert sich meist intraokulär (Uvealtrakt). Choroidale Tuberkulome sind die häufigste klinische Manifestation, die Symptome sind abhängig von den betroffenen Strukturen [208]. Zeichen einer Keratokonjunktivitis sind Schmerzen und Photophobie, bei choroidalen Tuberkulomen nahe der Makula kann es zu einer Visuseinschränkung kommen. Die choroidale TB (unilateral oder bilateral) ist die häufigste Form der posterioren Uveitis. Funduskopische Befunde sind solitäre Läsionen (Risiko der Netzhautablösung) oder flächige miliare Infiltrationen. Beschrieben werden Orbitabeteiligungen, Sinusitiden und knöcherne Destruktionen [209] [210]. Eine symptomatische, therapieresistente Dakryoadenitis kann Manifestation einer TB sein [211] [212].
Diagnostik Eine okuläre TB wird häufig klinisch diagnostiziert, wegweisend können eine Uveitis oder Chorioretinitis im Kontext einer positiven Anamnese für eine frühere TB oder Evidenz für eine pulmonale oder extrapulmonale TB sein ([Tab. 15]).
Verdacht auf |
bildgebende Diagnostik |
Probenmaterial |
Routineuntersuchungen |
weitere Untersuchungen an primärem Probenmaterial (falls relevant für Diagnose und therapeutisches Management) |
okuläre TB |
Fundoskopie |
Tränenflüssigkeit Kammerwasser |
Mikroskopie Kultur[1] NAT z. B. PCR |
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Biopsie (Iris, Retina/Choroidea) |
Mikroskopie Histopathologie NAT z. B. PCR[2] |
1 Nachweis gelingt nur sehr selten.
2 PCR hat hohen Stellenwert, da der fehlende Nachweis von säurefesten Stäbchen, Granulomen oder verkäsenden Nekrosen eine okulare TB nicht ausschließt [213].
Therapie Die Behandlung erfolgt mit einem 6-monatigen Standardregime der extrapulmonalen TB (2 Monate INH, RMP, PZA, EMB und 4 Monate INH, RMP). Bei einer HIV-Infektion oder anderen Formen einer Immunsuppression sollte die Therapie auf 12 Monate verlängert werden. Die retinale TB wird in Kombination mit Steroiden behandelt (Prednisolon 1 – 2 mg/kg KG/Tag, gefolgt von einer Ausschleichphase über 2 – 4 Wochen, abhängig vom klinischen Ansprechen). Das Therapieansprechen sollte in regelmäßigen Kontrollen durch einen erfahrenen Ophthalmologen nachuntersucht werden.
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9.9 Kutane Tuberkulose
Hintergrund Die kutane TB ist eine sehr seltene Manifestation der extrapulmonalen TB, die nur bei etwa 1 % aller infizierten Personen auftritt [156]. Sie wird vornehmlich in Hochprävalenzregionen mit einem hohen Anteil von HIV-Koinfizierten und MDR-TB beobachtet. Bei Kindern und Jugendlichen sind alle Varianten der kutanen TB Erwachsener zu finden. Das klinische Bild ist meist stark ausgeprägt, disseminierte Verläufe sind häufiger als bei Erwachsenen [214].
Klinik Die kutane TB wird basierend auf den unterschiedlichen Infektionsmodi klassifiziert [215] [216]. Abhängig vom Infektionsmodus, der Immunitätslage und Terrainfaktoren entsteht eine große Vielfalt klinischer Variationen ([Tab. 16]).
Kinder und Jugendliche sind am häufigsten von den Formen der primären Inokulations-TB und dem Scrofuloderma sowie dem Lupus vulgaris betroffen. Auch die Tuberkuloide (s. u.) wie das papulonekrotische Tuberkulid und der Lichen scrofulosorum treten gehäuft im Kindesalter auf [217]. Essenziell ist hier die Suche nach einer Primärmanifestation der TB. Kinder in Indien und Pakistan sind besonders betroffen, wo 50 – 82 % aller Kinder mit TB eine kutane Beteiligung aufweisen. Klinisch steht in Afrika und Asien das Scrofuloderm im Vordergrund, das sich durch das Einschmelzen der Haut über subkutan gelegenen TB-Herden (meist über zervikalen, axillären oder inguinalen infizierten Lymphknoten) entwickelt. Eine spontane Abheilung unter Narbenbildung ist möglich. Weltweit ist der Lupus vulgaris die häufigste Form der kutanen TB. Es handelt sich hier um eine sehr langsam progrediente Form der granulomatösen Hautreaktion auf M. tb.-Komplex. Die in der Diaskopie „apfelgelee-artigen“ (hellbraunen) Granulome konfluieren langsam zu größeren bräunlichen Plaques. An den Rändern findet sich eine diskrete entzündliche Infiltration, im Zentrum eine vernarbende Atrophie.
Bei den Tuberkuloiden werden 3 Formen unterschieden: das noduläre Erythema induratum, das papulöse papulonekrotische Tuberkuloid und der mikropapulöse Lichen scrophulosorum. Bei diesen handelt es sich um Hypersensitivitätsreaktion auf mykobakterielle Antigene [218] [219]. Die Läsionen sind kulturell negativ, in der PCR aber zu 50 % positiv.
Bei selbstlimitierenden Tuberkuloiden wie dem Lichen scrofulosorum bilden sich die Läsionen auch unbehandelt ohne Narbenbildung innerhalb einiger Monate bis Jahre zurück. Lebensbedrohliche Verläufe finden sich bei Immundefizienten mit primärer Inokulations-TB. Eine hämatogene Streuung kann hier zur Infektion weiterer Organe bis zu einer Miliar-TB führen [220].
Diagnostik Die Diagnose einer kutanen TB wird häufig klinisch gestellt unter Berücksichtigung möglicher Differenzialdiagnosen. Angestrebt wird immer eine Biopsie der verdächtigen Hautläsionen zur bakteriologischen und histologischen Diagnostik ([Tab. 17]).
Verdacht auf |
bildgebende Diagnostik |
Probenmaterial |
Routineuntersuchungen |
weitere Untersuchungen an primärem Probenmaterial (falls relevant für Diagnose und therapeutisches Management) |
kutane TB |
Abklärung Primärmanifestation z. B. Röntgen-Thorax |
Biopsie der Hautläsionen[1] |
Diaskopie (Glasspatel) extrakutane Fokussuche |
1 THT kann die Diagnose unterstützen, ist beim papulonekrotischen Tuberkulid in der Regel hochpositiv [221] [222].
2 Erregernachweis nur sehr gut bei der multibazillären primären Inokulation.
3 NAT z. B. PCR und Histopathologie haben hohen Stellenwert mit fortschreitender Erkrankung [223].
4 Papulonekrotische Tuberkuloide (Hypersensitivitätsreaktion auf mykobakterielle Antigene): kulturell kein Nachweis von M. tb.-Komplex, PCR aus Biopsie in ca. 50 % der Fälle positiv, Histopathologie oft unspezifisch [224].
Therapie Die Behandlung folgt denselben Standards wie die Therapie anderer Formen der extrapulmonalen TB. Immunkompetente Kinder mit Nachweis eines sensiblen Erregers erhalten eine sechsmonatige Standardtherapie (2 Monate Vierfachtherapie mit INH, RMP, PZA, EMB und 4 Monate Zweifachtherapie mit INH, RMP), die – wie bei den meisten extrapulmonalen TB-Formen – ausreichend sein sollte [216] [219] [225] [226]. Grundsätzlich sollte mindestens 2 Monate über die vollständige Abheilung der Hautläsionen therapiert werden, auch wenn zu diesem Zeitpunkt das 6-monatige Regime bereits komplettiert wurde. Bei Erkrankungen durch M. bovis (mit natürlicher Resistenz gegenüber PZA) soll in der Initialphase eine Dreifachtherapie mit INH, RMP und EMB verwendet und die Kontinuitätsphase auf 7 Monate verlängert werden [226].
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9.10 Miliare Tuberkulose
Hintergrund Bei der miliaren TB handelt es sich um eine seltene Erkrankung infolge einer lymphohämatogenen Disseminierung von M. tb.-Komplex, die etwa 0,5 % aller TB-Fälle im Kindesalter betrifft, überwiegend im Säuglings- und Kleinkindesalter. Risikofaktoren für eine disseminierte TB sind neben dem Alter eine primäre oder sekundäre Immundefizienz, Unterernährung oder das Vorliegen von chronischen/malignen Erkrankungen. Typischerweise finden sich multiple hirsekorngroße (< 2 mm) Granulome in der Lunge und anderen Organen (Leber, Milz, ZNS) [227].
Klinik Wie bei allen disseminierten TB-Formen imponieren oft unspezifische und je nach Alter unterschiedliche Symptome der generalisierten Inflammation und ggf. Organmanifestation, meist eine pulmonale Symptomatik oder Zeichen einer ZNS-Manifestation bei einer TBM. Die Kombination von TBM und Miliar-TB tritt im Kindesalter häufiger als bei Erwachsenen auf [228] [229] [230].
Es können prolongierte Verläufe, aber auch akut-foudroyante Verlaufsformen vorkommen [228]. Generell finden sich bei Kindern seltener die typischen Symptome des Erwachsenen wie Fieber, Schüttelfrost, Nachtschweiß und Tachy-/Dyspnoe. Im Vordergrund stehen mehr Lymphadenopathie und Hepatosplenomegalie [228] [229] [230]. Bisweilen findet man kutane Auffälligkeiten im Sinne von papulösen und nekrotischen Läsionen. Der bilaterale Befall der Choroidea mit blassen, grau-weißen bis gelblichen Läsionen, sogenannte choroideale Tuberkel, ist nahezu pathognomonisch für eine Miliar-TB [231] [232].
Diagnostik Bei klinischem Verdacht gehört immer ein THT bzw. IGRA zur Diagnostik (s. Kap. 4). Cave: Bei etwa 40 % der Erkrankten kann eine Anergie (falsch negativer THT und IGRA) vorliegen. Im Röntgen-Thorax finden sich typische miliare Infiltrationen [8]. Häufig sind die knötchenartigen miliaren Infiltrationen besser im MRT oder CT sichtbar. Die klinische Beurteilung sollte eine funduskopische Untersuchung einschließen, die Hinweise auf eine hämatogene Streuung geben kann. Eine Blutkultur sollte auf säurefeste Stäbchen in geeigneten Flüssigmedien untersucht werden [24] [233]. Im Übrigen sollten die weiteren Untersuchungen der Lokalisation der Symptome bzw. Läsionen angepasst werden. Grundsätzlich ist für alle potenziell betroffenen Organe eine radiologische Bildgebung anzustreben, die in fast allen Organen ähnlich typische miliare Infiltrationen zeigt. Histopathologische und molekularbiologische Untersuchungen sollten, wenn möglich, von allen geeigneten Proben durchgeführt werden. Bei Patienten mit neurologischen Symptomen sollten ein Schädel-MRT, in Notfallsituationen alternativ auch ein Schädel-CT mit Kontrastmittel und eine Lumbalpunktion durchgeführt werden. Pleuraergüsse, Perikardergüsse oder Aszites sollten klinisch-chemisch, zytologisch und mikrobiologisch untersucht werden.
Therapie Aufgrund der Seltenheit der miliaren TB im Kindes- und Erwachsenenalter gibt es keine Studien, die eine evidenzbasierte Empfehlung erlauben würden. Basierend auf Einzelfallbeschreibungen und retrospektiver Auswertung von Fallserien in Hochprävalenzländern geht man davon aus, dass ein 6-monatiges Standardregime (2 Monate INH, RMP, PZA, EMB, gefolgt von 4 Monaten INH, RMP) ausreichend ist. Bei anzunehmender oder bestätigter ZNS-Beteiligung soll die antituberkulotische Therapie entsprechend den Empfehlungen einer TBM-Therapie durchgeführt werden (s. Kap. 9.2). In diesem Fall soll analog zur TBM-Therapie initial eine Steroidtherapie durchgeführt werden.
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Bei Kindern und Jugendlichen mit einer disseminierten TB und klinischen Zeichen oder Symptomen einer ZNS-Beteiligung sollen wie bei TB-Meningitis behandelt werden.
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9.11 Tuberkulose bei HIV-Koinfektion
Hintergrund Die Koinfektion mit HIV und M. tb.-Komplex begünstigt die Entwicklung einer klinisch manifesten TB. Die höchste TB-Inzidenz und HIV-Prävalenz findet sich in der Subsahara, sodass weltweit die meisten Kinder mit einer HIV/TB-Koinfektion in dieser Region leben. In einer Studie in Großbritannien und Irland wurde 1996 – 2014 auch nach Einführung der antiretroviralen Kombinationstherapie (cART) bei 3 % der HIV-infizierten Kinder eine TB-Koinfektion diagnostiziert und damit deutlich häufiger als in der pädiatrischen Normalbevölkerung [157].
Klinik Die klinischen Symptome der TB unterscheiden sich bei HIV-Infizierten im Prinzip nicht von HIV-negativen Patienten, komplizierte Verläufe mit schwerer Symptomatik können jedoch vor allem bei einem fortgeschrittenen Immundefekt (niedrigen CD4-Zellzahl) auftreten [234]. Generell ist bei HIV/TB-Koinfektion das Risiko einer extrapulmonalen TB mit/ohne pulmonale Manifestation erhöht [157]. Differenzialdiagnostisch sind andere opportunistische, HIV-assoziierte Infektionen auszuschließen.
Diagnostik Die TB-Diagnostik einschließlich THT, IGRA und Bildgebung erfolgt bei HIV-Infizierten nach dem gleichen Prinzip wie bei HIV-nichtinfizierten Personen (s. Kap. 4). Die Sensitivität der immunologischen Testverfahren zur Diagnose einer Infektion mit M. tb.-Komplex (THT, IGRA) kann abhängig vom Grad des Immundefektes eingeschränkt sein und zu falsch negativen Ergebnissen des IGRA und/oder THT führen [235] [236]. Zusätzlich sollen serologische Untersuchungen bezüglich einer Hepatitis B und C durchgeführt werden.
Im Röntgen-Thorax sind differenzialdiagnostisch bakterielle Pneumonien oder eine lymphoide interstitielle Pneumonitis (LIP) auszuschließen, letztere kann radiologisch mit einer Miliar-TB verwechselt werden.
Weitere Bildgebung: Aufgrund des erhöhten Risikos von extrapulmonalen TB-Manifestationen sollten auch immer andere Organbeteiligungen (disseminierte TB, TBM, Lymphknoten-TB, abdominelle TB) im Rahmen der Diagnostik berücksichtigt werden (Diagnostik siehe dort).
Erregerdiagnostik: Eine Erregergewinnung soll unbedingt angestrebt werden, ggf. unter Einschluss invasiver Methoden.
Therapie Die antituberkulotische Therapie HIV-koinfizierter Kinder und Jugendlicher soll immer in enger Kooperation mit einem erfahrenen Zentrum erfolgen (http://www.shcs.ch/169-organisation-mochiv; http://www.kinder-aids.de).
Besondere Aspekte, die zu berücksichtigen sind:
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Eine HIV-Infektion erfordert eine cART.
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Es bestehen Risiken von Medikamenteninteraktionen, insbes. von RMP und antiretroviralen Medikamenten.
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Es besteht das Risiko einer paradoxen Reaktion nach Therapiebeginn mit klinischer Verschlechterung. Die Differenzierung zwischen Therapieversagen, Krankheitsprogression der HIV-Infektion, Medikamententoxizität und Immunrekonstitutions-Inflammatorischem Syndrom (IRIS, s. u.) ist oft schwierig.
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Die Einhaltung der Adhärenz kann aufgrund der großen „Pillenlast“ eine große Herausforderung sein.
Nach Diagnose einer TB soll unverzüglich eine initiale Vierfachtherapie (INH, RMP, PZA, EMB) unabhängig vom Ausmaß der TB begonnen werden. Bei einer resistenten TB erfolgt eine individuelle Medikamentenwahl nach dem Erreger-Resistenzmuster (s. Kap. 10).
Bei allen HIV-infizierten Kindern und Jugendlichen, die noch nicht antiretroviral behandelt werden, soll in Übereinstimmung mit internationalen Therapieempfehlungen (WHO, Paediatric European Network for the treatment of AIDS [PENTA]) innerhalb von 2 – 8 Wochen nach Beginn der antituberkulotischen Therapie eine cART begonnen werden [237] [238]. Ausnahme ist dabei die Manifestation einer TBM, wo in jedem Fall eine cART erst 4 Wochen nach Beginn der antituberkulotischen Therapie zur Vermeidung eines IRIS initiiert werden soll. Bei Patienten mit normalen CD4-Zellzahlen und niedriger Viruslast kann erwogen werden, eine cART erst nach Abschluss der antituberkulotischen Therapie zu beginnen. Bei bereits antiretroviral behandelten HIV-infizierten Patienten soll bei Beginn der TB-Behandlung ggf. eine Anpassung des cART-Regimes erfolgen aufgrund möglicher Medikamenteninteraktionen.
TB-Therapiedauer: In Übereinstimmung mit internationalen pädiatrischen Therapieleitlinien [239] und den aktuellen IDSA Empfehlungen [121] sollen HIV-infizierte Kinder primär genauso lang wie HIV-negative Kinder behandelt werden. Bei anzunehmender oder gesicherter ZNS-Beteiligung soll die Therapie entsprechend auf 12 Monate verlängert werden. Eine 12-monatige Therapie kann auch erwogen werden, wenn am geplanten Therapieende nur ein unzureichendes Therapieansprechen vorliegt.
Bevorzugte Therapieregime: Bei der Wahl des cART-Regimes sind neben dem Alter des Kindes die möglichen Interaktionen von antiretroviralen und antituberkulotischen Medikamenten zu beachten (siehe europäische PENTA Guidelines (http://www.chiva.org.uk/guidelines/penta-treatment-guidelines/) [238]). Besonders berücksichtigt werden muss die Enzyminduktion von CYP450 durch RMP, was zur relevanten Veränderung der Plasmakonzentration von antiretroviralen Substanzen führen kann.
Immunrekonstitutions-Inflammatorisches Syndrom (IRIS) Unter einer antituberkulotischen Therapie kann es aufgrund einer überschießenden Immunreaktion gegen M. tb.-Komplex zu einer Verschlechterung der klinischen Symptomatik (Fieber, Dyspnoe, Lymphadenopathie), Anstieg der Inflammationsparameter und/oder radiologischer Befunde (neue Infiltrate, Pleura-und Perikardergüsse) kommen. Ist dies nach Beginn der cART der Fall, wird dies als Immunrekonstitutions-Inflammatorisches Syndrom (IRIS, engl.: „immune reconstitution inflammatory syndrome“) bezeichnet. Ein IRIS kann im Zusammenhang mit einer TB (TB-assoziiertes IRIS oder TB-IRIS), aber auch mit anderen opportunistischen Infektionen auftreten und bedeutet kein Therapieversagen. Abhängig von der zeitlichen Abfolge unterscheidet man zwischen paradoxem und demaskierendem TB-IRIS [240]:
Paradoxes TB-IRIS: Hierbei kommt es zu einer paradoxen Verschlechterung nach Beginn einer cART bei einer bereits behandelten TB.
Demaskierendes TB-IRIS: Es kommt zu einer „Demaskierung“ einer bisher nicht erkannten TB nach Beginn einer cART. Typisch sind neue Organmanifestationen, dabei oft Zeichen einer schweren systemischen Inflammation.
Risikofaktoren für ein TB-IRIS: Für Erwachsene sind Risikofaktoren gut beschrieben: niedrige CD4-Zellzahlen bei cART-Beginn und nachfolgend raschem CD4-Zellzahlanstieg sowie ein kurzes zeitliches Intervall zwischen Beginn der antituberkulotischen Therapie und cART-Initiierung [241]. Für HIV/TB-koinfizierte Kinder liegen nur wenige Daten vor [242]. Eine Studie in Großbritannien konnte zeigen, dass auch bei Kindern ein IRIS mit einem höheren CD4-Zellzahlanstieg nach cART-Initiierung assoziiert war [155].
Therapie des IRIS: Die hyperinflammatorische Reaktion im Rahmen des TB-IRIS kann sich ohne Therapie bessern, häufig ist jedoch eine antiinflammatorische Therapie notwendig. Bei mittelschwerer und schwerer Symptomatik werden Steroide eingesetzt, z. B. Prednison mit 1,5 mg/kg KG über 14 Tage gefolgt von 0,75 mg/kg KG für 2 Wochen bei paradoxem IRIS [243]. Bei milden Verläufen können nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAID) eingesetzt werden, positive Effekte wurden auch für Leukotrienantagonisten wie Montelukast beschrieben [241].
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Kinder und Jugendliche mit einer TB sollen bzgl. einer HIV-Infektion getestet werden und alle HIV-infizierten Kinder und Jugendliche sollen bei Erstdiagnose ein TB-Screening erhalten.
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9.12 Therapie von Kindern und Jugendlichen bei medikamentöser Immunsuppression
Diagnostik vor immunsuppressiver Therapie Vor immunsuppressiver Therapie mit einem TNF-alpha-Antagonisten (und ggf. weiteren Biologika) solle auf jeden Fall eine immunologische Testung, bevorzugt mittels IGRA erfolgen, bei Kindern unter 5 Jahren mittels THT und IGRA. Dabei ist zu beachten, dass die Sensitivität der IGRAs auch unter Therapie z. B. mit systemischen Kortikosteroiden reduziert ist [244] [245]. Eine 2016 veröffentlichte Metaanalyse zeigte, dass auch andere immunsuppressive Medikamente sich negativ auf die Sensitivität der IGRAs auswirken können [246].
Vorgehen bei LTBI vor geplanter Therapie mit TNF-alpha-Antagonisten Bei Nachweis einer LTBI vor geplanter Therapie mit TNF-alpha-Antagonisten (und ggf. anderen Biologika) ist eine chemopräventive Therapie indiziert, die idealerweise vor Beginn der Biologika-Therapie abgeschlossen werden sollte. Ist dies nicht möglich, wird eine minimale Therapiedauer von vier Wochen angestrebt [247].
Immunsuppressive Therapie bei TB Bei Kindern und Jugendlichen mit einer TB sollte eine immunsuppressive Therapie möglichst während der Initialphase der Therapie pausiert oder nicht neu begonnen werden [248]. Ist dieses nicht möglich, sind Kortikosteroide wahrscheinlich die sicherste Option. Auch eine Behandlung mit Azathioprin oder Methotrexat erhöht das Risiko einer TB nicht so stark wie eine anti-TNF-alpha-Therapie [244].
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Kinder und Jugendliche mit einer Indikation zur immunsuppressiven Therapie mit TNF-alpha-Inhibitoren oder anderen Biologika sollen vor Therapiebeginn mittels IGRA untersucht werden.
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Eine immunsuppressive Therapie sollte bei Kindern und Jugendlichen mit TB möglichst erst nach Abschluss der Behandlung, frühestens aber nach Abschluss der Initialphase, d. h. in der Regel nach den ersten zwei Monaten der Therapie begonnen werden.
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9.13 Konnatale/perinatale Tuberkulose
Hintergrund Eine TB in der Schwangerschaft oder Postpartalzeit kann, vor allem unbehandelt, zu einer Infektion des Feten oder Neugeborenen führen (s. Kap. 6 Prävention). Die konnatale und postnatale TB werden unter dem Begriff der perinatalen TB zusammengefasst, hinsichtlich der Therapie bestehen keine Unterschiede.
Klinik Neugeborene mit einer konnatalen TB werden meist nach etwa 2 – 3 Wochen symptomatisch, die Zeitspanne variiert erheblich und kann zwischen erstem Lebenstag und 3. Lebensmonat liegen. Die klinischen Zeichen sind unspezifisch, am häufigsten werden beschrieben: Tachypnoe, Atemnot, Sauerstoff-Sättigungsabfälle, Hepatosplenomegalie, Fieber, Lymphadenopathie und Trinkschwäche [112] [113] [115]. Die häufigsten Fehldiagnosen sind Pneumonie, Sepsis und bakterielle Meningitis [249]. Die Letalität wird in Fallserien mit 22 – 50 % angegeben [115].
Diagnostische Kriterien für eine konnatale TB Zur Diagnose der konnatalen TB werden häufig die Cantwell-Kriterien herangezogen [112]. Diese basieren auf der klinischen Beschreibung von 29 Kindern in den USA und einer kritischen Literaturrecherche. Gemäß den Cantwell-Kriterien muss zur Diagnosestellung bei dem Neugeborenen/Säugling eine Organmanifestation nachgewiesen werden und zusätzlich eines der folgenden Kriterien erfüllt sein:
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Nachweis der tuberkulösen Läsion in der ersten Lebenswoche,
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Primärkomplex oder ein verkäsendes Granulom in der Leber,
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genitale TB der Mutter oder TB in der Plazenta,
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Ausschluss einer postnatalen Übertragung durch die Umgebungsuntersuchung der Personen, die außer der Mutter Kontakt zum Kind hatten.
Bei klinischem Verdacht auf eine konnatale TB sollen folgende Untersuchungen zur diagnostischen Abklärung erfolgen:
Sonografie des Abdomens mit Frage nach Hepatosplenomegalie und intrahepatischen Läsionen, Röntgenbild des Thorax, Laboruntersuchung (Blutbild mit Differenzierung, Transaminasen, Magensaftuntersuchung an 3 Tagen für M. tb.-Komplex in der Kultur und mittels NAT z. B. PCR (alternativ kann eine BAL durchgeführt werden), eine mykobakterielle Blutkultur, eine Liquorpunktion und Knochenmarkspunktion (jeweils Mikroskopie, Kultur und NAT z. B. PCR auf M. tb.-Komplex im Liquor bzw. im Knochenmarksaspirat).
Zur Sicherung der Diagnose soll zusätzlich eine Untersuchung der Plazenta mittels Histologie, Kultur (natives Material) und NAT z. B. PCR für M. tb.-Komplex veranlasst werden.
Das Röntgenbild des Thorax kann in Fällen einer konnatalen TB bei Geburt normal sein, Veränderungen wie z. B. ein miliares Muster (bei 46 % der Fälle im Review von Peng et al., 2011 [113]), können sich erst im weiteren Verlauf der Erkrankung, etwa 4 Wochen postnatal zeigen.
Ein kultureller Erregernachweis im Magensaft gelingt in > 70 % der Fälle von symptomatischen Neugeborenen und Säuglingen [115] .
Die immunologischen Teste (THT oder IGRA) können in den ersten Lebenswochen falsch negativ ausfallen, negative Testresultate in den ersten 3 Lebensmonaten schließen eine konnatale TB nicht sicher aus [250].
Therapie Aufgrund der hohen Letalität der konnatalen/perinatalen TB soll bereits im Verdachtsfall unverzüglich eine empirische Therapie mit 4 antituberkulotischen Medikamenten (INH, RMP, PZA und EMB oder ein Aminoglykosid z. B. Amikacin) begonnen werden. Die Therapie von Neugeborenen und jungen Säuglingen soll immer in Kooperation mit einem erfahrenen Zentrum erfolgen. Bei gesicherter konnataler oder perinataler TB soll die Initialtherapie für 2 Monate durchgeführt werden, gefolgt von einer Zweifachtherapie (INH, RMP) für 4 – 10 Monate abhängig von der Schwere der Erkrankung [115] [116]. Bei Nachweis eines sensiblen Erregers kann in der Initialphase auch eine Dreifachtherapie (INH, RMP, PZA) durchgeführt werden. Neugeborene und Säuglinge mit einer TB-Meningitis sollen zusätzlich Kortikosteroide und aufgrund der guten Liquorgängigkeit PTH in Kombination mit INH, RMP und PZA erhalten (Kap. 9.2). Generell soll immer ein Monitoring der möglichen UAWs (EMB: Optikusneuritis; PTH: Hypothyreose; Amikacin: Ototoxizität) erfolgen. Zusätzlich zur Therapie mit INH Gabe von Pyridoxin (Vitamin B6) 1 – 2 mg/kg KG/Tag, minimal 10 mg/Tag. Prinzipiell gelten für die in der Therapie der TB eingesetzten Erstrangmedikamente für Kinder aller Altersklassen die von der WHO empfohlenen Dosierungen (s. Kap. 8.3), die für Früh- und Neugeborene empfohlene Dosis von Amikacin ist 15 mg/kg KG/ED 1 x täglich [251], unbedingt mit Spiegelkontrollen. Die empfohlene PTH-Dosierung ist: 15 – 20 mg/kg KG/Tag in 1 ED. Es ist generell zu bedenken, dass Daten zur Sicherheit und Pharmakokinetik im frühen Säuglingsalter [252], vor allem aber bei Früh- und Neugeborenen, nur sehr begrenzt vorliegen [118] [253], sodass unter Therapie ein sorgfältiges Monitoring bzgl. möglicher Toxizitäten inkl. Medikamentenspiegelbestimmungen indiziert ist.
Neugeborene und Säuglinge sollen unter Therapie 2- bis 4-wöchentlich klinische und laborchemische Kontrolluntersuchen erhalten, dabei soll eine gewichtsadaptierte Dosisanpassung der Antituberkulotika vorgenommen werden. Nach Abschluss der Therapie sollen die Kinder für 2 Jahre nachuntersucht werden.
Vorgehen bei MDR-TB Bei einer resistenten TB ist das Therapieregime generell dem Erregerresistenzprofil anzupassen (s. Kap. 10). Studiendaten zur Anwendung von in der MDR-TB eingesetzten antituberkulotischen Substanzen fehlen weitgehend für Früh- und Neugeborene, sodass in der Situation in Anbetracht einer lebensbedrohlichen Infektion eine Therapie nur als individueller Heilversuch durchgeführt werden kann. Dies soll zwingend in Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Zentrum erfolgen.
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Bei Neugeborenen und Säuglingen mit einer konnatalen/perinatalen TB oder begründetem Verdacht darauf soll unverzüglich eine initiale Vierfachtherapie (INH, RMP, PZA, EMB oder Amikacin) begonnen werden.
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Neugeborene und Säuglinge mit einer bestätigten perinatalen TB mit ZNS-Beteiligung oder begründeten Verdacht darauf sollen eine initiale Vierfachtherapie (INH, RMP, PZA, Amikacin oder PTH) für 2 Monate, gefolgt von einer Zweifachtherapie (INH, RMP) für 10 Monate erhalten.
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Die antituberkulotische Therapie von Neugeborenen und jungen Säuglingen soll immer in Kooperation mit einem erfahrenen Zentrum erfolgen. Die Therapie soll unter engmaschigen Kontrollen von möglichen altersspezifischen Toxizitäten durchgeführt werden und kann individuelle Dosis- sowie Therapiemodifikationen erforderlich machen.
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9.14 Infektionen durch Mycobacterium bovis
Hintergrund Mycobacterium bovis (M. bovis) ist ein Erreger des M. tb.-Komplexes und der Erreger der Rinder-TB. Die humane M. bovis-Infektion erfolgt hauptsächlich durch nicht-pasteurisierte Milch oder Kontakt zu infizierten Tieren [254], auch Übertragungen von Mensch zu Mensch sind beschrieben worden [255].
Klinik Die TB durch M. bovis ist klinisch und radiologisch nicht von einer Infektion mit M. tb. zu unterscheiden [256]. Die Erkrankung kann sich als primäre oder reaktivierte TB präsentieren mit einer pulmonalen, extrapulmonalen und disseminierten Manifestation. Bei Kindern manifestiert sich die Infektion meist extrapulmonal, in erster Linie sind die zervikalen Lymphknoten und der Gastrointestinaltrakt betroffen.
Therapie M. bovis hat mit der Ausnahme der Subspezies M. bovis caprae eine natürliche Resistenz gegenüber PZA; die antituberkulotische Therapie erfolgt entsprechend der PZA-mono-resistenten Infektion mit M. tb.: Initial eine Dreifachtherapie mit INH, RMP und EMB für 2 Monate, gefolgt von einer Zweifachtherapie mit INH und RMP für 7 Monate (Gesamt-Therapiedauer 9 Monate).
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9.15 BCG-Impfkomplikationen
Hintergrund Die WHO empfiehlt, alle Kinder, die in TB-Hochinzidenzländern geboren werden, nach der Geburt mit BCG zu impfen. Weltweit ist die BCG-Impfung eine der am häufigsten eingesetzten Impfungen, kontraindiziert ist sie bei einer bekannten HIV-Infektion. Die BCG-Impfung wird seit 1998 in Deutschland nicht mehr empfohlen, seitdem hat die Zahl der BCG-induzierten Komplikationen deutlich abgenommen.
Klinik und Therapie Die BCG-Impfung wird in der Regel gut vertragen. Nach der Impfung zeigt sich meist eine lokale Rötung und Schwellung (mit oder ohne Sekretion) an der Injektionsstelle, die nach wenigen Tagen bis Wochen auftritt. Eine Lokalreaktion bis zu einer Größe von 10 mm kann toleriert werden, diese heilt innerhalb von 2 – 5 Monaten ab und hinterlässt in den meisten Fällen eine Narbe. Eine orale Therapie mit INH gilt als nicht zielführend, nur bei gesicherten Hinweisen für eine sekundäre Superinfektion sollte ein Staphylokokken-wirksames Antibiotikum gegeben werden.
Eine ipsilaterale axilläre Lymphadenopathie (selten zervikale oder supraklavikuläre Lokalisation) tritt häufig nach einer BCG-Impfung auf; eine Lymphknotenvergrößerung bis 10 mm ohne Rötung erfordert keine Therapie. Eine lokale suppurative Lymphadenitis wird als häufigste Komplikation der BCG-Impfung bei 1 – 6 pro 1000 geimpften Kindern beschrieben [257] [258]. Die optimale Therapie dieser Komplikation wird kontrovers diskutiert, die meisten Experten empfehlen eine chirurgische Totalexstirpation. Der zusätzliche Nutzen einer Behandlung mit INH ist unklar, auch ohne Therapie ist eine Abheilung nach 4 – 6 Monaten beschrieben [259].
Die BCG-Osteitis ist eine seltene Komplikation mit einer geschätzten Inzidenz von 1,7 – 72,9/100 000, die vor allem in Skandinavien und Osteuropa beschrieben wird [260] [261]. Manche der Patienten haben eine zugrunde liegende Störung der IL-12/IFN-γ-Achse [262]. Zur Therapie der BCG-Osteitis wird eine chirurgische Ausräumung/Drainage zusammen mit einer kombinierten antituberkulotischen Therapie (INH, RMP, EMB) für 6 – 24 Monate empfohlen. PZA kann zur Therapie von BCG-assoziierten Komplikationen nicht eingesetzt werden, da alle BCG-Impfstämme eine PZA-Resistenz aufweisen.
Die schwerste Komplikation einer BCG-Impfung ist die disseminierte BCG-itis, die fast ausschließlich mit primären (z. B. SCID) und sekundären Immundefizienzen (HIV-Infektion) assoziiert ist. Die Letalität liegt selbst bei optimaler und frühzeitiger Therapie bei über 70 % [263]. Eine zeitnahe antituberkulotische Dreifachtherapie ist in der Initialphase für 2 – 3 Monate dringend indiziert, gefolgt von einer Zweifachtherapie und sollte sich nach dem Resistogramm des verwendeten BCG-Impfstoffs richten [264] [265]. Die Therapie soll mindestens über 9 – 12 Monate durchgeführt werden.
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10 Therapie von Kindern und Jugendlichen mit resistenter Tuberkulose
10.1 Definition und Klassifikation
Die Diagnose einer resistenten TB wird durch das Resistogramm eines vom Patienten bzw. einer infektiösen Kontaktperson isolierten M. tb.-Stamms gestellt (s. Kap. 4.3.4).
Dabei werden von der WHO verschiedene Kategorien unterschieden (s. Kap. 1).
Diese Klassifikation hat entscheidende Bedeutung für die Auswahl und Dauer der antituberkulotischen Kombinationstherapie (s. Kap. 10.4) und korreliert mit der Prognose und der Häufigkeit unerwünschter Medikamentenwirkungen. Dabei wird eine Monoresistenz gegen RMP als vergleichbar mit MDR-TB eingeordnet.
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10.2 Epidemiologie, mögliche Hinweise auf resistente Tuberkulose
Nach Schätzungen der WHO sind 2015 weltweit bis zu 480 000 neue Fälle von resistenter TB aufgetreten, davon 15 – 20 % bei Kindern mit einem erheblichen Anteil nicht diagnostizierter Fälle. Eine besondere Häufung wird in Osteuropa und Zentralasien beobachtet, so betrug der MDR-Anteil bei neu diagnostizierten Patienten in Weißrussland, Kasachstan, Usbekistan, Kirgisien, Tschetschenien, Moldawien und der Ukraine jeweils > 20 %. In Deutschland wurden 2014 nach dem Bericht des Robert-Koch-Instituts nur 3 % aller gemeldeten TB-Fälle durch multiresistente Erreger verursacht, insgesamt waren die nachgewiesenen Mykobakterien in 13,2 % resistent gegen mindestens eins der Erstrangmedikamente oder SM (meist INH oder SM). Bei Kindern und Jugendlichen < 15 Jahre wurden in Deutschland 2015 jegliche Resistenz bei 19 % der Erregertestungen registriert, aber nur drei Fälle von MDR-TB und keine XDR-TB. In den Schweizer Meldedaten für 2014 sind 15 TB-Fälle bei Personen < 16 Jahren dokumentiert, in 6 Fällen mit positiver Kultur und Sensitivitätstestung, jedoch ohne Nachweis einer Resistenz.
Antibiotika-Resistenzen können auch bei erkrankten Kindern und Jugendlichen mit hoher Keimdichte durch Spontanmutation entstehen, insbesondere bei inadäquater oder unterdosierter Therapie. Viel häufiger werden Kinder jedoch mit primär bereits resistenten Erregern von erwachsenen Kontaktpersonen infiziert.
Eine resistente TB muss darüber hinaus als plausibel angenommen werden in Fällen von klinischer Erkrankung und Kontakt zu einem Indexpatienten mit resistenter TB oder bei fehlendem Ansprechen auf eine korrekt durchgeführte Standardtherapie nach Ausschluss anderer Ursachen (z. B. Defekte der IFN-γ-/IL-12-Achse).
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10.3 Versorgung von Kindern/Jugendlichen mit Kontakt zu infektiöser resistenter Tuberkulose
Die Beratung und Betreuung von Patienten mit Kontakt zu infektiöser resistenter TB sollte unbedingt in den Händen erfahrener Experten in einem pädiatrischen TB-Zentrum liegen.
Wie bei der nicht-resistenten TB haben Kinder unter 5 Jahren sowie immungeschwächte Menschen jeden Alters (z. B. mit HIV-Infektion, primärem Immundefekt, Diabetes oder Therapie mit systemischen Steroiden oder TNF-alpha-Antagonisten) nach Exposition gegenüber Personen mit resistenter TB ein deutlich erhöhtes Infektions- und Erkrankungsrisiko. Dieses muss individuell gegen Aufwand und unerwünschte Wirkungen einer vorbeugenden Behandlung abgewogen werden.
Nach relevantem Kontakt zu einem Indexpatienten mit INH-monoresistenten Mykobakterien soll bei Kindern < 5 Jahren eine Behandlung mit RMP begonnen werden. Ein initial negativer immunologischer Test soll nach 8 Wochen wiederholt werden (analog zur Situation bei sensibler TB, vgl. Kap. 4). Bei erneut negativem Ergebnis kann die Chemoprophylaxe beendet werden. Bei Nachweis einer LTBI soll eine Chemoprävention mit RMP über insgesamt 4 Monate erfolgen. Liegt beim Indexpatient eine RMP-Monoresistenz vor, wird die Indikation zur Chemoprophylaxe bzw. Chemoprävention mit INH über 2 bzw. 9 Monate analog zur Situation bei sensibler TB gestellt.
Über das Vorgehen bei Kindern mit Kontakt zu multiresistenter TB besteht jedoch kein internationaler Konsens, da die publizierte Evidenz schmal und uneinheitlich ist [266] [267] [268] [269] [270]. Darin wurden exponierte Kinder oft nicht nach ihrem Infektionsstatus differenziert und zur vorbeugenden Behandlung wurden unterschiedliche Regime mit 1 – 3 Antituberkulotika über 6 – 12 Monate eingesetzt. In den o. g. Studien war allerdings die Medikamenten-Verträglichkeit gut und ein Therapieabbruch aufgrund UAWs selten (0,5 – 5,5 %).
Im Fall einer reinen Exposition (Kontakt ohne Nachweis einer Infektion in der Immundiagnostik und unauffälliger Bildgebung) ist in der Regel eine engmaschige klinische Beobachtung ausreichend, wie sie auch die WHO und das britische National Institute of Health and Clinical Excellence empfehlen [271] [272]. Das „Sentinel Field Guide Project“ der U. S. Agency for International Development [273] rät dagegen bei Kindern < 5 Jahren nach MDR-Kontakt zur Chemoprophylaxe über 6 Monate. In Übereinstimmung mit den Richtlinien der EU-Gesundheitsbehörde [274] halten die Leitlinien-Autoren dies nur in bestimmten Situationen mit hohem Infektions- und Erkrankungsrisiko für indiziert: Säuglinge mit hochgradiger Exposition (z. B. durch die infektiöse Mutter), Kinder mit HIV-Infektion oder anderer Immundefizienz. Alle anderen Kinder und Jugendlichen sollten nach Aufklärung über Warnsymptome beobachtet und ggf. eine Wiederholungstestung 8 Wochen nach letztem Kontakt vereinbart werden.
Kinder unter 5 Jahren mit einer LTBI nach Kontakt zu einem Patienten mit MDR-TB sollten eine chemopräventive Therapie erhalten, die sich am Resistogramm des Indexfalls, dem individuellen Erkrankungsrisiko und eventuellen Risikofaktoren für unerwünschte Medikamentenwirkungen orientiert. In der Regel sollte diese Moxifloxacin und 1 – 2 weitere, als sensibel getestete Antituberkulotika enthalten und unter entsprechenden Kontrollen über 6 Monate durchgeführt werden. Bei Schulkindern und Jugendlichen sollte eine solche Chemoprävention im Rahmen von Aufklärung und Beratung ebenfalls angeboten werden, die Entscheidung zwischen vorbeugender Therapie und Abwarten ist jedoch individuell und gemeinsam mit den Betroffenen zu treffen.
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10.4 Therapie bei resistenter Tuberkulose
Wenn bei einem Kind oder Jugendlichen mit pulmonaler TB (bzw. dem Indexpatienten) Mykobakterien mit Monoresistenz festgestellt werden oder eine Unverträglichkeit auftritt, müssen die Antituberkulotika umgestellt und die Therapiedauer ggf. verlängert werden. Entsprechende Empfehlungen sind in [Tab. 18] zusammengefasst [275].
Monoresistenz/Unverträglichkeit gegen |
Initialphase |
Kontinuitätsphase |
Therapiedauer |
Isoniazid (INH, H) |
2 Mo. RMP, PZA, EMB, Mfx[*] |
4 – 7 Mo. RMP, Mfx[*] |
6 – 9 Mo. |
Pyrazinamid (PZA, Z) |
2 Mo. INH, RMP, EMB |
7 Mo. INH, RMP |
9 Mo. |
Ethambutol (EMB, E) |
2 Mo. INH, RMP, PZA |
4 Mo. INH, RMP |
6 Mo. |
Rifampicin (RMP, R) |
2 Mo. INH, PZA, EMB, Mfx[*] |
10 – 18 Mo. INH, EMB, Mfx[*] |
12 – 20 Mo. |
* Moxifloxacin (Mfx) Abkürzung nach WHO-Empfehlung.
Die Therapie und Chemoprävention von Kindern und Jugendlichen mit multiresistenter TB orientiert sich an nur wenigen Studien und Empfehlungen, daher sollen diese wenigen Patienten ausschließlich in oder in enger Absprache mit spezialisierten pädiatrischen TB-Zentren betreut werden.
Die Auswahl der Antituberkulotika richtet sich nach mehreren Kriterien:
-
dem Resistogramm der beim Patienten oder Indexfall isolierten Mykobakterien → Die Therapie soll mindestens 4 als sensibel getestete Medikamente beinhalten.
-
einer eventuellen Vorbehandlung → mindestens 3 Medikamente, die der Patient bislang noch nicht erhalten hat; nie sollte ein einzelnes Medikament zu einem bisher wirkungslosen Regime hinzugefügt werden.
-
ihrem Wirkmechanismus → mindestens 2 Medikamente mit bakterizider Aktivität
-
ihrer Substanzklasse → möglichst alle einsetzbaren Erstrang-Antituberkulotika, ein injizierbares Antituberkulotikum (in der Regel Amikacin) sowie ein Fluorchinolon (in der Regel Moxifloxacin) [276] [277]
Im Richtlinien-Update der WHO 2016 wurden die Zweitrang-Antituberkulotika neu gruppiert, ihre Zuordnung ist in [Tab. 19] wiedergegeben. Mit dem Einsatz von Moxifloxacin und Linezolid bei Kindern existieren inzwischen breite und relativ gute Erfahrungen, sodass diese häufig Bestandteil eines entsprechenden Behandlungsregimes sind. Alle Medikamente haben eine geringere oder weniger klar belegte Effektivität und meist ein deutlich höheres Risiko unerwünschter Wirkungen als die Erstrang-Antituberkulotika. Darüber hinaus sind fast alle Substanzen in Deutschland nicht für das Kindes- und Jugendalter zugelassen, ggf. muss im Falle einer MDR-TB oder XDR-TB eine antituberkulotische Therapie als individueller Heilversuch durchgeführt werden [278].
Gruppe |
Substanzklasse |
Präparate (Abkürzung n. WHO) |
A |
Fluorchinolone |
Levofloxacin (Lfx) Moxifloxacin (Mfx) Gatifloxacin (Gfx) |
B |
injizierbare Antituberkulotika |
Amikacin (Am) Capreomycin (Cm) |
C |
orale Zweitrang-Antituberkulotika |
Protionamid/Ethionamid (PTH, Pto/ETH, Eth) Cycloserin/Terizidon (CS/Trd) Linezolid (Lzd) Clofazimin (Cfz) |
D1 |
zusätzliche Medikamente |
Hochdosis-Isoniazid (INHh, Hh) Ethambutol (EMB, E) Pyrazinamid (PZA, Z) |
D2 |
Bedaquilin (Bdq) Delamanid (Dlm) |
|
D3 |
Paraaminosalicylsäure (PAS) Meropenem (Mpm) Imipenem/Cilastatin (Ipm) Amoxicillin/Clavulansäure (Amx/Clv) |
Eine ausführliche Beratung der Eltern/Sorgeberechtigten ist daher unbedingt zur Gewährleistung von hoher Therapiemotivation und konsequenter täglicher Einnahme der Medikamente erforderlich. In manchen Fällen kann eine DOT unter Mitwirkung von Arztpraxen und/oder Pflegediensten sinnvoll sein.
Die Behandlungsdauer hängt vom Ausmaß der TB ab, beträgt jedoch mindestens 12 – 18 Monate nach Erhalt der ersten negativen Kultur. Die derzeit empfohlenen Dosierungen sind in [Tab. 20] wiedergegeben. Aufgrund aktueller pharmakokinetischer Studien bei Kindern können die Dosisempfehlungen Änderungen unterliegen, sodass ggf. die entsprechenden Internetseiten z. B. der WHO konsultiert werden sollten. Regelmäßige Kontrolltermine mit Therapieevaluation und Überwachung in Bezug auf die leider häufig auftretende Medikamententoxizitäten sind notwendig, konkrete Anhaltspunkte für ein Monitoring sind in [Tab. 21] wiedergegeben. [Tab. 22] fasst die häufigsten Probleme bei der medikamentösen Therapie von Patienten mit multiresistenter TB zusammen.
Gruppe |
Präparat (Abkürzung nach WHO) |
empfohlene Tagesdosis in mg/kg KG |
Höchstdosis/Tag |
A |
Levofloxacin (Lfx) Moxifloxacin (Mfx) |
Alter ≤ 5 Jahre: 15 – 20 in 2 ED, Alter > 5 Jahre 7,5 – 10 in 1 ED 7,5 – 10 in 1 ED |
750 mg 400 mg |
B |
Amikacin (Am) Capreomycin (Cm) |
15 – 30 in 1 ED ≤ 40 kg: 15 – 30 in 1 ED, > 40 kg: 15 in 1 ED |
1000 mg 1000 mg |
C |
Protionamid/Ethionamid (PTH, Pto/Eth) Cycloserin/Terizidon (CS/Trd) Linezolid (Lzd) Clofazimin (Cfz) |
15 – 20 in 1 ED 10 – 20 in 1 (–2) ED + Vit. B6 1 – 2 Alter < 10 Jahre: 20 in 2 ED, ≥ 10 Jahre: 300 in 1 ED + Vit. B6 1 – 2 1 – 3 in 1 ED, bei Gewicht < 25 kg: 100 alle 48 h |
1000 mg 1000 mg 600 mg 200 mg |
D1 |
Hochdosis-Isoniazid (INHh, Hh) Ethambutol (EMB, E)) Pyrazinamid (PZA, Z) |
15 – 20 in 1 ED + Vit. B6 1 – 2 20 (15 – 25) in 1 ED 35 (30 – 40) in 1 ED |
400 – 500 mg 2000 mg 2000 mg |
D2 |
Bedaquilin (Bdq) Delamanid (Dlm) |
noch nicht festgelegt noch nicht festgelegt |
|
D3 |
Paraaminosalicylsäure (PAS) Meropenem (Mpm) Amoxicillin/Clavulansäure (Amx/Clv) |
i. v.: 200 – 300 in 2 – 3 ED, p. o.: 300 in 2 ED i. v.: 60 – 120 in 3 ED 80 in 2 ED, Dosis bezogen auf Amx-Anteil* |
i. v. 8 g/p. o. 12 g 6000 mg 4000/500 mg |
In Deutschland, Österreich und der Schweiz erhältliche Formulierungen haben z. T. ein von den Empfehlungen des „Sentinel Project“ abweichendes Verhältnis von Amx/Clv; ED: Einzeldosis.
Zeitachse in Monaten Maßnahmen |
Diagnosestellung |
1 |
2 |
3 |
4 |
5 |
6 |
9 |
12 |
15 |
18 |
bis Ende |
Symptome |
x |
x |
x |
x |
x |
x |
x |
x |
x |
x |
x |
x |
Größe und Gewicht |
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x |
x |
x |
x |
Hörtest (bei Aminoglyk.) |
x |
x |
x |
x |
x |
x |
x |
(x) |
(x) |
(x) |
(x) |
(x) |
Sehprüfung (solange EMB/Lzd) |
x |
x |
x |
x |
x |
x |
x |
x |
x |
x |
x |
x |
Röntgen-Thorax |
x |
x |
x |
(x) |
(x) |
|||||||
EKG |
x |
x |
||||||||||
TB-Kulturen und Resistenz |
x |
(x) |
(x) |
(x) |
(x) |
(x) |
(x) |
bis neg. |
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Kreatinin, Kalium (solange Aminglyk.) |
x |
x |
x |
x |
x |
x |
x |
|||||
TSH, fT4 (solange Pto/Eth, PAS) |
x |
x |
x |
x |
x |
x |
x |
x |
x |
|||
Diff. BB |
x |
x |
x |
x |
x |
x |
x |
x |
x |
x |
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Transaminasen |
x |
x |
x |
x |
x |
x |
x |
x |
x |
x |
||
HIV-Status |
x |
|||||||||||
bei HIV-Infektion: CD4-Zahl, Viruslast |
x |
x |
x |
x |
Problem |
Medikament |
Diagnose |
weiteres Vorgehen |
Hepatotoxizität |
INH, PZA, PAS, Cfz |
Oberbauchschmerzen, Ikterus, Transaminasen-Erhöhung |
alle Medikamente pausieren bis Leberfunktion normalisiert, dann alle 2 Tage ein Medikament wieder starten |
Sehstörungen |
EMB, Lzd |
Perimetrie und Ishihara-Tafeln, evtl. auch VEP alle 4 Wochen |
beenden |
Hörverlust |
Aminoglykoside |
Audiometrie alle 4 Wochen |
Dosis reduzieren oder Therapie beenden |
Nierenfunktionsverlust |
Aminoglykoside |
Kreatinin, Kalium alle 2 – 4 Wochen |
beenden, Dosis reduzieren oder 3×/Woche |
periphere Neuropathie |
INH, Lzd |
klinisch |
Pyridoxin erhöhen oder Therapie beenden |
neuropsychiatrische Probleme |
INH, Trd, CS, Fluorchinolone |
klinisch |
Dosis überprüfen, beenden |
Hypothyreose |
Pto/Eth, PAS |
TSH, fT3, fT4 |
Thyroxin Substitution |
Stevens-Johnson-Syndrom |
alle |
klinisch |
alle Medikamente beenden, wenn gebessert alle 2 Tage ein Med. starten |
Übelkeit und Erbrechen |
EMB, PAS, Pto/Eth |
klinisch |
über den Tag verteilen, ggf. reduzieren und langsam steigern, Antiemetika, z. B. Ondansetron |
Diarrhö |
PAS |
klinisch |
Dosis verteilen oder reduzieren, ggf. Loperamid |
QT-Zeitverlängerung |
Fluorchinolone, Delamanid, Bedaquilin |
EKG |
bei QTc-Zeit-Verlängerung > 500 ms absetzen |
Arthropathie/Tendinitis |
PZA, Fluorchinolone |
klinisch |
Dosis überprüfen, ggf. reduzieren |
Abkürzung der Zweitrangmedikamente nach WHO 2014.
Die überarbeiteten WHO-Richtlinien 2016 [271] enthalten auch eine Metaanalyse von insgesamt 974 Behandlungsfällen im Kindesalter, aus denen neue Empfehlungen abgeleitet wurden: Kinder mit begrenzter Erkrankung können alternativ zum o. g. Schema über insgesamt 12 Monate und unter Verzicht auf ein injizierbares Antituberkulotikum behandelt werden. Ihre Pharmakotherapie sollte PZA, Moxifloxacin und drei weitere Zweitrang-Antituberkulotika aus Gruppe C enthalten. Dies würde eine große praktische Erleichterung in der Therapieumsetzung darstellen, randomisierte kontrollierte Studien zum Behandlungsergebnis stehen jedoch noch aus. Mit den neu entwickelten Substanzen Delamanid und Bedaquilin bestehen bislang nur kasuistische Erfahrungen bei Kindern, Möglichkeiten zur kollegialen Falldiskussion bietet das internationale Experten-Netzwerk pTBnet (www.tb-net.org/index.php/ptbnet).
-
Bei Kindern und Jugendlichen mit resistenter TB erfolgt die individuelle Therapie nach dem Erregerresistenzprofil.
-
Kinder und Jugendliche mit Kontakt zu oder Erkrankung an resistenter TB sollen in einem spezialisierten Zentrum betreut werden.
-
Eine Chemoprävention soll bei allen Kindern unter 5 Jahren oder bei Kindern und Jugendlichen mit einer Immundefizienz über mindestens 6 Monate mit mindestens 2 wirksamen Antituberkulotika durchgeführt werden, wenn nach Kontakt gegenüber infektiöser MDR-TB eine LTBI nachgewiesen wurde. Bei älteren Kindern und Jugendlichen soll sie nach individueller Risikoabschätzung erwogen werden.
-
Die Chemotherapie bei Kindern und Jugendlichen mit resistenter TB soll mit drei bis vier wirksamen Medikamenten, bei Multiresistenz mit 5 Medikamenten begonnen werden.
Glossar
#
#
#
Interessenkonflikt
Siehe Interessenkonflikterklärung auf www.awmf.org.
* AWMF-Registernummer 048-016
1 Die Definitionen der klinischen Manifestation und des Behandlungsergebnisses dienen der einheitlichen Dokumentation und Kommunikation zwischen den an der Diagnostik, Behandlung und Überwachung der Tuberkulose beteiligten Akteure. Bei den hier zitierten Definitionen wurde die Kompatibilität der Daten mit den international üblichen Definitionen des Europäischen Zentrums zur Krankheitsprävention und -kontrolle sowie der Weltgesundheitsorganisation berücksichtigt.
2 z.B. hiläre Lymphadenopathie und/oder pulmonale Infiltrate.
3 Internationale Definition der Weltgesundheitsorganisation (engl.: „died“) unterscheidet nicht zwischen Tod an TB und Tod durch eine andere Ursache bei TB.
-
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