Psychotraumatologie 2001; 2(1): 3
DOI: 10.1055/s-2001-11987
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Massenmord: Der Fall des Friedrich Haarmann

Überlegungen zum Verhältnis von Perversion und JustizReflections on the Relation between Perversion and Criminal Justice.Mass Murder: The Case of Friedrich Haarmann.Hans-Joachim Behrendt
Weitere Informationen
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Autor:

Prof. Dr. iur. Hans - Joachim Behrendt

Kartäuserstr. 118 f
79104 Freiburg

Telefon: Tel. 0761 / 22255

eMail: e-mail: brep@uni-freiburg.de

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
31. Dezember 2001 (online)

 
Inhaltsübersicht #

Zusammenfassung

Die Arbeit geht unterschwelligen Verbindungen zwischen den Erscheinungsformen der Perversion und den Theorie- und Praxisgestalten strafrechtlicher Reaktion nach. Es wird gezeigt, dass in beiden Phänomenbereichen frühkindliche Traumatisierungen und ihre Konsequenzen für die psychische Strukturbildung entscheidende Bedeutung besitzen.

Unter Heranziehung moderner Theorien der Perversionsentstehung wird zunächst die Lebens- und Kriminalitätsgeschichte des Friedrich Haarmann, eines Mörders aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, nachgezeichnet. Unter den Theorien zur Perversionsentstehung werden neben manchen anderen insbesondere Konzepte Masud Khans, etwa hinsichtlich der Rolle des „idolisierten inneren Objekts” und der Phantasie vom „montierten inneren Objekt”, berücksichtigt. Alle Erklärungsansätze werden durch knappe Ausschnitte aus Fallberichten verdeutlicht. Anschließend wird die Reaktion der damaligen Justiz einschließlich der seinerzeitigen forensischen Psychiatrie geschildert und die hypothetische Frage nach der heutigen Behandlung des Falles erörtert. Die unbewusste, auch heute noch zu beobachtende Kollusion zwischen dem perversen Kriminellen und der Strafjustiz verweist auf weitgehende Analogien der seelischen Strukturbildung beider.

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Abstract

The article examines subliminal connections between the phenomena of perversion and the theoretical und practical aspects of personality in the sphere of criminal justice. It is shown that in both areas traumatisations in early childhood and their consequences exercise profound influence on the formation of psychic structure. Citing modern theories of perversion-formation, the biography and the criminal career of Friedrich Haarmann, a murderer in the first half of the 20th century, is reconstructed. Among the theories on the formation of perversion especially the concepts of Masud Khan are considered, for instance those on the role of the „idolized internal object” and the fantasy of the „collated internal object”. All theoretical approaches are illustrated by short extracts from case studies. Subsequently the reaction of the judicial system at that time is reported, including forensic psychiatry, and the hypothetical question is discussed how the case would be treated today. The still persisting unconscious collusion between the perverse criminal and the judicial system refers to far reaching analogies concerning the formation of psychic structure.

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Kommentar

Der vorliegende Beitrag von Herrn Prof. Hans-Joachim Behrendt „Massenmord: Der Fall Haarmann. Überlegungen zum Verhältnis von Perversion und Justiz” erscheint aufgrund seiner Länge in 2 Teilen. Den ersten Teil können Sie in dieser Ausgabe lesen. Der Beitrag beschäftigt sich mit der psychoanalytischen Sichtweise auf die Psychodynamik des Massenmörders Haarmann, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verhaftet und verurteilt worden war. Anschließend wird der Fall unter heutigem gültigen Recht neu bewertet. Die psychoanalytische Ausführung und die juristische Argumentation gehören zusammen. Letztere werden wir in der zweiten Ausgabe der PSYCHOTRAUMATOLOGIE diesen Jahres veröffentlichen.

Wir hoffen, dass auch über die psychoanalytischen Annahmen hier und in weiteren Ausgaben von PSYCHOTRAUMATOLOGIE eine Diskussion zustandekommt, die dazu führt, dass Wissen der Psychoanalyse unter klinischen, theoretischen und empirischen Kriterien auf den aktuellen Stand zu bringen.

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Teil I: Psychoanalytische Überlegungen zum Fall Haarmann

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Massenmord: Der Fall des Friedrich Haarmann

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Überlegungen zum Verhältnis von Perversion und Justiz

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Einleitung

Der folgende Beitrag stellt sich die auf den ersten Blick vielleicht merkwürdig oder gar absonderlich anmutende Aufgabe, gewissen unterschwelligen Verbindungslinien zwischen den Erscheinungen der Perversion einerseits und der Strafjustiz andererseits am Beispiel des Falles Haarmann nachzugehen. Wir betrachten so am Anfang die Lebensgeschichte des Friedrich Haarmann, wobei wir Momenten, die etwas über das Seelenleben dieses Menschen verraten, besondere Beachtung schenken wollen.

Über die frühe innere Biographie dieses Mannes wissen wir freilich sehr wenig. So muss sich die Rekonstruktion hier (in Teil 2) mit der Erstellung eines recht allgemein gehaltenen Bildes der Perversion und ihrer Entstehungsgründe behelfen. Zustatten kommt uns dabei der Umstand, dass die Tiefenpsychologie bei der Erfassung der für die Herausbildung einer Perversion maßgeblichen frühen Lebensgeschichte gerade in jüngerer Zeit neue Einsichten gewonnen hat. Unvermeidlich bleibt hier manches subjektiv, wie denn überhaupt das meiste, was wir über die frühen Stadien seelischer Entwicklung wissen, sich Deutungen, d. h. subjektiven Unternehmungen, verdankt, die den Gehalt unbewusster Phantasien erhellen, welche lebensgeschichtlich früh eingespielt und später ständig reinszeniert das menschliche Verhalten weitgehend und vielfach leidvoll bestimmen. Diese Deutungen, auch wo sie sich zu ‚Theorien‘ verdichten, empfangen ihre Wahrheit allein aus der Tatsache, dass sie in der gegenwärtigen Realität durch Einsicht zur Umstimmung des Verhaltens und zur Verringerung von Leid führen.

Der 3. Teil enthält die Schilderung der Reaktion der Justiz auf die Haarmann‘schen Verbrechen und die Behandlung der Frage, wie die gegenwärtige Strafrechtspflege wohl mit dem Falle umgehen würde. Die Bearbeitung dieser Themen ermöglicht uns die Beantwortung der Ausgangsfrage nach den unbewussten Verbindungen zwischen Perversion und Justiz.

Den Abschluss bilden Überlegungen zu Sinn und Zweck der Untersuchung.

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Der Lebenslauf [[1]]

Friedrich Heinrich Karl Haarmann wurde am 25. Oktober 1879 als sechstes und letztes Kind des Lokomotivheizers Friedrich Haarmann und seiner Frau Johanne, geb. Claudius, in Hannover geboren. Zur Mutter hatte Friedrich Haarmann eigenem Bekunden zufolge stets ein gutes Verhältnis. Zum Vater, den er schon als Kind als eine Art Nebenbuhler empfand und den er hasste, bestand ein lebenslanges Verhältnis beidseitiger Feindseligkeit, die sich immer wieder in wechselseitigen Bedrohungen, Schlägereien und gerichtlichen Auseinandersetzungen entlud. 1886 wurde das als verzärtelt, leicht lenkbar und verträumt geschilderte Kind eingeschult. Seine Leistungen blieben außer in „Betragen” und in einigen musischen Fächern weit unter Durchschnitt. Zweimal musste er auf der siebenstufigen Schule eine Klasse wiederholen.

Nach Beendigung der Schule begann er eine Schlosserlehre, erwies sich hier aber bald als ungeeignet. So trat er im April 1895 in die Unteroffizier- Vorschule in Neu-Breisach ein. Bereits im Herbst wurde er zweimal in das Garnison-Lazarett eingeliefert, das eine Mal wegen einer Bewusstseinstrübung und allgemeinen Desorientierung, die nach einem anstrengenden Marsch aufgetreten waren, und das andere Mal wegen schwerer Angstzustände als Folge einer Artillerieübung. Im Krankenblatt wird die Diagnose „epileptisches Irresein” vermerkt. Nach der Entlassung aus dem Militärdienst im November 1895 kehrte Haarmann nach Hannover zurück, wo er in der kleinen, 1888 begründeten Zigarrenfabrik seines Vaters mitarbeiten sollte. Er erwies sich jedoch als arbeitsunfähig.

Bereits im Juli 1896 wurde ein erstes Strafverfahren wegen an kleinen Kindern begangener Sittlichkeitsdelikte gegen den 16-jährigen eingeleitet. Diese Vergehen stellten den Beginn einer Kette von Sexualdelikten an Kindern dar, die das ganze Leben Haarmanns über nicht mehr abreißen sollte. Bereits im siebten Lebensjahr war es zu wechselseitiger Onanie in der Schule gekommen. Auch gibt Haarmann an, von seinem um 8 Jahre älteren Bruder Wilhelm vom Alter von 6 Jahren an längere Zeit regelmäßig sexuell missbraucht worden zu sein. Das Strafverfahren wurde im März 1897 nach § 51 StGB (Zurechnungsunfähigkeit, heute: Schuldunfähigkeit) eingestellt, nachdem in der Provinzial - Heil - und Pflegeanstalt Hildesheim bei ihm eine Geisteskrankheit in der Form eines angeborenen Schwachsinns festgestellt worden war. Aus den Anstalten, in denen Haarmann in der Folgezeit untergebracht war, entfloh er jeweils. Von Ende 1897 bis zum Frühjahr 1899 lebte Haarmann in der Schweiz, wo er sich mit Hilfe von Geldzahlungen seiner Mutter und kleineren Arbeiten über Wasser hielt. Im April 1899 nach Hannover zurückgekehrt, wohnte er zunächst bei den Eltern, ging aber keiner geregelten Tätigkeit nach. Im Winter 1899 / 1900 verlobte er sich mit Erna Löbert, der Tochter eines in einem Haarmanns Vater gehörenden Hause wohnenden Arbeiters. Das Verhältnis endete nach 3 Jahren, als sich Erna einem anderen Mann zuwandte. Haarmann begann damals, sein Interesse an Frauen zu verlieren und sich ausschließlich gleichgeschlechtlichen Sexualbeziehungen zuzuwenden. Ob bei Haarmann bereits zum damaligen Zeitpunkt Impotenz eintrat, die später zweifellos gegeben war, lässt sich nicht mehr ermitteln.

Im Oktober 1900 wurde Haarmann als Rekrut beim Jägerbataillon 10 in Bitsch bei Colmar eingestellt, so dass die Zeit beschäftigungslosen Herumstreunens erst einmal ein Ende hatte. Haarmann zeigte sich während des ersten Jahres beim Militär den Anforderungen des Dienstes körperlich und geistig gewachsen. Bei den Herbstmanövern des Jahres 1901 erlitt Haarmann jedoch infolge großer Anstrengungen mehrfach Ohnmachtsanfälle, auch traten danach Schwindelgefühle und Schwächezustände auf, die zum Teil mit Kopfschmerzen, Halluzinationen und Druckempfindungen in der Herzgegend verbunden waren. Zur Klärung des Krankheitsbildes wurde Haarmann im Mai 1902 in das Garnison-Lazarett I auf die Station für Nervenkranke verlegt. Hier gelangte man zu der Diagnose, dass ein Intelligenzdefekt, „ein gewisser Schwachsinn”, vorliege, der aber nicht angeboren sei, sondern als Folgeerscheinung einer vor 7 Jahren (also während der ersten Militärzeit) aufgetretenen, inzwischen aber ausgeheilten Hebephrenie, einer psychotischen Erkrankung des Jugendalters, zu betrachten sei. Das militärärztliche Schlussurteil [[2]] lautete damals: „Haarmann ist ... wegen überstandener Geisteskrankheit, die einen gewissen Schwachsinn hinterlassen hat, dauernd Ganzinvalide, dauernd untauglich zur Verwendung im Civildienst sowie zeitig (2 Jahre) teilweise erwerbsunfähig.” Am 28. Juli 1902 wurde er mit einer kleinen Rente aus dem Militärdienst entlassen.

Kaum wieder in Hannover, kam es erneut zu schweren, auch gerichtlich ausgetragenen Auseinandersetzungen mit dem Vater. Aufgrund von in einer Anzeige seines Vaters enthaltenen Angaben über die Gemeingefährlichkeit seines Sohnes veranlasste das Hannoversche Polizeipräsidium eine amtsärztliche Untersuchung. Das daraufhin im Mai 1903 erstattete kreisärztliche Gutachten [[3]] kam zu dem Ergebnis, dass Haarmann nicht im eigentlichen Sinn geisteskrank sei. Dagegen sei er „ein auf allen Seelengebieten minderwertiger, moralisch defekter, wenig intelligenter, träger und gänzlich egoistischer Mensch”.

Schon Anfang 1904 war eine Darlehenssumme von 1500 Mark, die der Vater ihm gegeben hatte, aufgebraucht. Kurze Zeit war Haarmann dann als Versicherungsagent tätig. Im Juli 1904 wurde er als dauernd ganzinvalide und größtenteils erwerbsunfähig anerkannt und erhielt fortan eine auf 27 Mark erhöhte Monatsrente. Bald darauf fand er eine Anstellung in einer Farbenfabrik, in der er in kurzer Zeit eine Reihe von zum Teil schweren Diebstählen beging, derentwegen er allein 1905 4-mal zu Gefängnisstrafen verurteilt wurde. Fortan geriet er in solchem Maße in kriminelles Fahrwasser, dass er in der verbleibenden Lebenszeit nahezu ein Drittel seiner Tage in Untersuchungshaftanstalten, Gefängnissen und Zuchthäusern zubrachte. Bei den Straftaten handelte es sich zumeist um Eigentums- und Vermögensdelikte. Die Frage der Zurechnungsfähigkeit wurde, soweit ersichtlich, selten geprüft. Lediglich bei einer Verurteilung 1911 wurden „im Hinblick auf die geistige Minderwertigkeit des Angeklagten” mildernde Umstände berücksichtigt, und 1919 wurde einmal gerichtsärztlich festgestellt, dass Haarmann nicht geisteskrank, sondern für alle Delikte, insbesondere die sexuellen, voll verantwortlich sei. Im Februar 1913 wurde Haarmann wegen mehrerer Diebstähle im Rückfall zu einer 5-jährigen Zuchthausstrafe verurteilt, so dass er die gesamte Zeit des Ersten Weltkrieges in Strafanstalten verbrachte. Verwunderlich ist, dass Haarmann, dem der homosexuelle Umgang mit Kindern und Jugendlichen tägliche Gewohnheit war, wegen Sittlichkeitsdelikten relativ selten belangt wurde.

In den wirren und wirtschaftlich schwierigen Jahren nach dem Ersten Weltkrieg beteiligte sich Haarmann in Hannover in größerem Umfang am Schwarzhandel und an anderen dunklen Geschäften. Unter anderem verkaufte er Wäschestücke und Kleider, die er unter irgendeinem Vorwand gesammelt oder erbettelt hatte. Vor allem aber betrieb er einen schwunghaften Handel mit gestohlenem oder schwarz geschlachtetem Fleisch und Geflügel. Haarmann bezog nacheinander mehrere Wohnungen, die meist nur aus einem Zimmer bestanden. Hier ging ständig eine große Zahl von Jugendlichen ein und aus, die auch Rucksäcke mit Fleisch herbeibrachten. Die Vielzahl jugendlicher Besucher, die Haarmann oft mit dem Angebot, ihnen Unterkunft für die Nacht und Verpflegung zu besorgen, im Hauptbahnhof, wo er allseits - als „Polizeibeamter” - bekannt war, aufgriff und häufige Hack- und Klopfgeräusche des Nachts machten ihn bei der Nachbarschaft unbeliebt und verdächtig, ohne dass zunächst entscheidende Schritte gegen ihn unternommen wurden, obwohl es nachweislich schon im Herbst 1918 zur Tötung eines 15-jährigen Jungen gekommen war.

Erwähnt werden muss noch, dass Haarmann seit 1919 zu dem intelligenten und hübschen, aber gerissenen und egoistischen, mehr als 20 Jahre jüngeren Hans Grans eine Art Freundschaft unterhielt. Sie betrieben zusammen manch unsolides Geschäft, wenn nicht gerade der eine oder der andere im Gefängnis saß. Grans hinterging, tyrannisierte und quälte Haarmann ständig. Gleichwohl fühlte sich Haarmann zu Grans wie zu keinem anderen hingezogen und geriet zu ihm in ein Verhältnis zunehmender Abhängigkeit und Hörigkeit.

Die 24 Tötungsdelikte an Jugendlichen, die Haarmann nach den Feststellungen des Schwurgerichts Hannover im Jahre 1923 und in der ersten Hälfte des Jahres 1924 beging, wurden gerichtlich als Mord im Sinne des § 211 StGB qualifiziert. Die Form des sexuellen Verkehrs mit den Jugendlichen und die Art der Tötung wurden im Urteil mit den folgenden Worten beschrieben [[4]]:

„Die Art und Weise des widernatürlichen Geschlechtsverkehrs bestand bei Haarmann in dem von ihm so genannten „Pussieren”. Dazu gehörte einmal gegenseitiges Onanieren, auch „Abwichsen”, „Abrollen” oder „den Hammerstiel polieren” genannt. Dabei wurde beiderseits mit der Hand am Geschlechtsteil des anderen gerieben, bis Samenerguss eintrat. Ein weiteres Mittel zur geschlechtlichen Erregung war das Saugen am Geschlechtsteil des anderen, das Küssen und bei Haarmann namentlich das Saugen oder Lutschen am Kehlkopf oder anderen Körperteilen. Er pflegte sich dabei mit dem jungen Mann zusammen nackt in das Bett zu legen. Meist kam der Junge an die Wand zu liegen, nach Haarmanns Angabe, weil er einmal im Schlafe von einem Jungen, den er zum widernatürlichen Geschlechtsverkehr benutzt hatte, bestohlen (worden) war. Der Junge hatte sich heimlich entfernt, und solche Vorkommnisse wollte Haarmann vermeiden.

Haarmann übte das Lutschen aus als einen Teil der geschlechtlichen Erregung, nicht jedoch, um damit Samenerguss zu erzielen, der überhaupt je länger je mehr bei ihm schwer eintrat. Außerdem aber pflegte er oft den jungen Mann, mit dem er verkehrte, zu beißen, sowohl in den Kehlkopf wie an anderen Stellen des Körpers. Bei dem Geschlechtsverkehr war Haarmann nach der Aussage der Zeugen, die diesen Verkehr mit ihm überlebt haben, nicht außergewöhnlich leidenschaftlich erregt, doch presste er den Jungen, so z. B. den Zeugen Hillebrecht, so heftig an sich, dass dieser Schmerzen bekam. Haarmann küsste auch oft auf Mund und Hals. Das Lutschen und Beißen am Halse wirkte bei den jungen Leuten als eine Art Erdrosselung.”

Die psychiatrischen Gutachter [[5]] im Verfahren hielten wegen gelegentlicher Krämpfe Haarmanns das Vorliegen einer epileptischen Erkrankung für möglich, waren aber der (wohl zutreffenden) Meinung, dass sie bei der Tatbegehung keine Rolle spielte. Des weiteren wurde das Gegebensein von Schwachsinn verneint ebenso wie das Vorliegen einer Hebephrenie als einer Unterform der Schizophrenie.

Ferner wurde ausgeführt, Haarmanns infantiles, läppisches und situationsinadäquates Verhalten lasse an eine „Situationspsychose” denken (eine unter der Wirkung einer seelischen Erschütterung vorübergehend auftretende psychotische oder psychoseähnliche Störung). Die Möglichkeit einer solchen Erkrankung wurde eingeräumt, ihre Relevanz für die Frage der Zurechnungsfähigkeit jedoch verneint, da sie erst nach der Tatbegehung aufgetreten sei.

Eine gründliche und umfassende biographische Anamnese Haarmanns fehlte, so vor allem die Betrachtung seiner frühen Lebensgeschichte und seiner sexuellen Entwicklung. Der diagnostische Begriff der Perversion, obwohl der damaligen Psychiatrie geläufig, tauchte nicht auf.

Im Ergebnis wurde Haarmann zwar als eine pathologische Persönlichkeit bezeichnet, aber in vollem Umfang für zurechnungsfähig erklärt.

Haarmann wurde am 19. Dezember 1924 durch das Schwurgericht Hannover, dessen Richter wie die anderen Prozessbeteiligten dem massiven Druck einer aufgewühlten Öffentlichkeit ausgesetzt waren, zum Tode verurteilt und am 15. April 1925 durch das Fallschwert hingerichtet.

Die Obduktion des Schädels von Haarmann im Kraepelinschen Hirnforschungsinstitut in München ergab Zeichen einer abgelaufenen Hirnhautentzündung. So muss bei der Betrachtung und Bewertung der somatischen, neurologischen und psychischen Auffälligkeiten in Haarmanns Verhalten stets auch an die Möglichkeit einer hirnorganischen Vorschädigung gedacht werden.

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Die Perversion

Die Kategorien von Innen und Außen, von Körperlichem und Seelischem, von Illusionärem und Wirklichem, von Selbsteigenem und Fremdem sowie von Raum und Zeit bilden sich beim Säugling nur langsam und erst allmählich unter der achtsamen, teilnehmenden und fürsorglichen Pflege der Mutter heraus.

Im Nebel der frühen Zeit und in Fortsetzung der vorgeburtlichen Verhältnisse sind Kind und Mutter zu Beginn noch eins [[6]]. Doch sehr bald schon machen es die körperlichen Bedürfnisse des Säuglings und seine Erlebnisse mit der Umwelt, der belebten und der unbelebten, zunehmend schwierig, die narzisstische Illusion der Vollkommenheit, Allmacht und Unverletzlichkeit des intrauterinen Zustands aufrechtzuerhalten, so sehr das kleine Wesen sich auch müht.

Unter der pfleglichen, aus Instinkt verständnisvollen und zu Aktivitäten anleitenden Begleitung der Mutter vermag der Säugling die vielfältigen, bunten und verwirrenden Eindrücke und Erfahrungen seines Lebens allmählich zu sammeln, sie miteinander zu verbinden und sie in eine gewisse vorläufige kohärente Ordnung zu bringen. Die unvermeidlichen Erfahrungen mit der Umwelt, insbesondere mit der Mutter, führen gleichzeitig dazu, dass sich ein gewisses Gefühl des Getrenntseins ausbreitet. Eine Art symbiotische Zweieinheit bildet sich, die auf Seiten des Säuglings noch weitgehend illusionären Charakter trägt und die für ihre weitere Entwicklung und Differenzierung der ständigen Zuwendung und der Zuführung die Größenvorstellung des Säuglings stützender und fördernder narzisstischer Energien durch die Mutter bedarf.

Für diesen Prozess der Herausdifferenzierung der unbewussten Vorstellungen über das Selbsteigene gegenüber dem Fremden - wie auch derjenigen über Inneres und Äußeres - spielt der Körper des Säuglings eine besondere Rolle. Der Körper - seit je schon Empfänger und Sender jener verwirrenden Fülle den Säugling treffender Reize - ist Heimat der Triebe, die von frühester Zeit an unüberhörbar und unabweisbar ihre Ansprüche auf Befriedigung stellen. Die Triebe in ihrer Bezogenheit auf äußere Instrumente ihrer Befriedigung verweisen den Menschen von allem Anbeginn auf seine Abhängigkeit von Objekten außerhalb seiner selbst. So macht der auf lustspendendes Saugen an der mütterlichen Brust und beruhigenden Hautkontakt gerichtete orale Trieb des Säuglings ihn ebenso wie der Zwang zur Nahrungsaufnahme in umfassender Weise abhängig von der Mutter. Freilich ist dies das Bild der Betrachtung von Außen. Aus der illusionären Perspektive des Säuglings ist die mütterliche Brust samt ihrer Warze anfangs seine eigene Schöpfung und sein Eigentum. Erst langsam findet er aus dem Zwielicht dieser Entwicklungszone zu einer halbwegs adäquaten Scheidung zwischen den Körpern und einer Trennung zwischen Innen und Außen. Ein wesentliches Vehikel für die Gewinnung der Realität angemessenerer Selbst- und Fremdbilder sowie realitätsgerechterer Innen- und Außenperspektiven bildet das sogenannte Übergangsobjekt [[7]].

Das Übergangsobjekt gehört gewissermaßen 2 Welten an, der Welt der Illusionen des kleinen Kindes und der Welt der äußeren Realität. Infolge dieses Doppelcharakters des Objekts ist es dem kleinen Kind allmählich möglich, den Realitätsgehalt seiner illusionären Vorstellungen zu erhöhen und solche realistischeren Phantasien in seinem Inneren zu verankern. Der physische Gegenstand selbst wird dann bedeutungslos. Im Bereich oraler Phänomene stellt etwa das Tuch ein Übergangsobjekt dar, mit dem nach dem Stillen der Mund des Säuglings und die mütterliche Brust abgewischt werden und mit dem der Säugling nur allzugern spielt. In der illusionären Allmacht des Säuglings vertritt ein solches Übergangsobjekt die mütterliche Brust und ermöglicht ihm im Gegensatz zur Realität ihre ständige Verfügbarkeit, wenngleich der Dingcharakter der Sache und ihre physische Widerständigkeit der Omnipotenz des Säuglings schon ganz grundsächlich gewisse Grenzen setzen. Der Gegenstand erweist sich auch angesichts libidinöser und aggressiver Übergriffe als beständig und identisch. Er dient damit - wie die gute Mutter auch sonst - zugleich der Amalgamierung von Liebes- und Hassregungen. Obwohl das Objekt in der Auffassung des kleinen Kindes die Eigenschaften des Lebendigen hat, besitzt es als Teil der äußeren Wirklichkeit zugleich die Qualität des Realen. Das Übergangsobjekt flicht so dem illusionären Gewebe der Omnipotenzvorstellungen des Kleinkindes erste realistische Fäden ein und lehrt es zugleich die Lenkung und Koordination seiner ersten muskulären Bewegungen.

Zur Vermeidung von Missverständnissen besteht an dieser Stelle vielleicht Anlass für den Hinweis, dass es für die psychologische Betrachtung nicht darauf ankommt, dass die Illusionen durch den Kontakt mit der Wirklichkeit gewissermaßen zum Verschwinden gebracht werden, sondern darauf, dass Illusion und Realität sich mischen und verbinden und dass so die Phantasie in gewissem Umfang realitätstüchtig wird. Phantasie und Realität sind für eine solche Auffassung wechselseitig aufeinander verwiesen und angewiesen: Phantasie ohne Realitätsbezug ist bodenlos, Realität ohne Phantasie unerträglich. Zum erstgenannten Zusammenhang sagt Winnicott [[8]]: „ ... die Phantasie in ihrer vollen Stärke ist wirklich nur zu ertragen, wenn die objektive Realität richtig eingeschätzt wird. Das Subjektive ist ungeheuer wertvoll, aber so beunruhigend und magisch, dass man es nur als Parallele zum Objektiven genießen kann.” Die Aufgabe des Menschen, innere und äußere Realität miteinander in Verbindung zu bringen, ist ein unendliche. Auf den Gebieten von Religion und Kunst findet menschliches Bemühen um die Erledigung dieser Aufgabe seinen besonderen Ausdruck. In den religiösen Schöpfungsmythen und in mancher literarischen Darstellung wird das uns beschäftigende frühe Zusammentreffen von suchender Illusion und wartender Wirklichkeit selbst zum Thema [[9]].

Das Übergangsobjekt ermöglicht ein Verfahren der Etablierung innerer einigermaßen realitätsgerechter Bilder der äußeren für das kleine Kind wichtigen Wirklichkeit, so der mütterlichen Brust und anderer Einzelaspekte der Mutterfigur oder der mütterlichen Versorgung. Die Aufrichtung und Aufrechterhaltung dieser auf reale Außenobjekte bezogenen inneren Bilder- , Phantasie- oder Repräsentanzenwelt hat Konsequenzen für die Herausbildung eines - anfänglich körperlich aufgefassten - vom Nicht- Selbst unterschiedenen Selbstbildes sowie für das Hervortreten der Differenz von Innen und Außen, vor allem aber für eine hinlänglich gute Entwicklung in Bezug auf Triebstruktur und narzisstische Ausstattung. Eine solche hinreichend gute Entwicklung ist freilich nur möglich bei gedeihlicher und befriedigender Präsenz, Lebendigkeit und Hingabe der äußeren Objekte, insbesondere der Mutter.

Allerdings verläuft auch die gute Entwicklung keineswegs in idyllischen Bahnen. Die Triebentwicklung kommt ohne schwere Versagungen und Frustrationen nicht aus. Orale Gier schlägt dann in ohnmächtige Wut und zerstörerischen Hass um, die sich gegen das frustrierende Objekt wenden und das Gefühl von Trennung und Abgrenzung weiter vertiefen. Zudem fallen Zerstörung und Hass nach dem Muster der frühen Erfahrung, dass der wütende Biss die eigene Zunge, den eigenen Mund oder den eigenen Daumen verletzt, auf das kleine Kind selbst zurück; dies vielleicht auch, weil in früher Zeit wie dargestellt Innen und Außen, das Ich und die Andern noch nicht genügend abgegrenzt und unterschieden sind und so Ursprung und Ziel einer aggressiven Regung leicht verkannt werden.

Die gute Mutter indessen hält solche gierigen und destruktiven Triebäußerungen aus, fängt sie auf und gibt sie nicht vergeltend zurück. Sie ermöglicht dem Kind so, die Triebäußerungen als seine eigenen zu erleben und fördert damit die Herausbildung von Ansätzen für ein autonomes Ich als Träger von Bewusstsein, Wahrnehmung und Steuerung. Zusätzlich erfährt das Selbst des Kindes als narzisstische Größe durch die gewährende und bewundernde Mutter eine wesentliche Stärkung. Auch gelingt es dem kleinen Kind allmählich, die bis dahin getrennten und unterschiedlich mit Liebe und Hass besetzten mütterlichen Teilobjekte in seinem Inneren zu einem einheitlichen, wenn auch in sich ambivalenten Bild von der Mutter zusammenzufügen. Dieser im Inneren als einheitliche und ganze Figur repräsentierten Mutter gegenüber beginnt das kleine Kind Regungen der Schuld und der Wiedergutmachung zu entwickeln [[10]]. Mit der Aufnahme von Beziehungen zu ganzen Personen, die im seelischen Binnenraum ihre angemessene Abbildung besitzen, geht eine Festigung der Kategorien von Innen und Außen, von Phantasie und Realität, von Eigenem und Fremdem sowie die Entstehung eines kohärenten Körperbildes einher.

Das alles steht noch ganz im Bannkreis oralen Geschehens und oraler Formen der Befriedigung, aber es bildet doch schon die Grundlage für die Schritte zu weiterer Verselbstständigung und Ablösung des Kindes unter Zuhilfenahme eines Dritten, in der Regel des Vaters, als eines Leitbilds auf diesem Wege.

Wir können an dieser Stelle die Schilderung des normalen und einigermaßen glücklichen Ganges der Entwicklung und Reifung des kleinen Kindes abbrechen, denn wir haben mit unserer Betrachtung schon die Strecke des Entwicklungsweges abgeschritten, auf der in den Fällen einer schweren, sogenannten strukturellen Perversion (mit der wir es bei Haarmann zu tun haben) die Störungen und Beeinträchtigungen oder genauer und besser: die Katastrophen auftreten, die für das erst im Prozess der seelischen Menschwerdung begriffene kleine Kind nicht in angemessener Weise zu bewältigen sind und die es zu bestimmten Maßnahmen zwingen, die weit über seine Kräfte gehen [[11]]. Die sich in diesen Fällen ergebenden tiefgreifenden Störungen behindern die weitere Ausbildung und Entwicklung schwer und führen zu kaum wiedergutzumachenden Brüchen im Aufbau der seelischen Strukturen und in der Organisation der psychischen Funktionsmodi.

Wir müssen uns also zunächst mit der das Kind so verfrüht und schwer treffenden Katastrophe befassen und sodann mit den verzweifelten Bemühungen des noch ganz unfertigen Kindes, mit dieser Katastrophe halbwegs zurande zu kommen.

Die Katastrophe ereignet sich früh zu einer Zeit, in der das Körperschema noch nicht stabil ausgebildet ist, in der die Grenzen zwischen Innen und Außen, Physischem und Psychischem, Illusionärem und Wirklichem noch verschwimmen und in der das kleine Kind zur Ausbildung eines funktionstüchtigen Selbst im Sinne eines die libidinösen und narzisstischen Strebungen organisierenden und integrierenden personalen Zentrums in extremer Weise auf oral- libidinöse und narzisstische Zufuhr von Seiten der Mutter angewiesen ist, wobei die Mutter noch nicht als eine einheitliche Figur wahrgenommen wird.

Die Katastrophe selbst wird ausgelöst durch eine nicht genügend fürsorgliche und empathische Mutter. Der Säugling wird so in seinen oral-libidinösen und seinen narzisstischen Bedürfnissen früh und tiefgreifend im Stich gelassen und enttäuscht. Aus unerträglichen Verlassenheitsängsten und abgrundtiefer Verzweiflung wachsen oral- sadistische Wut und erbarmungsloser Hass [[12]]. Diese fallen jedoch - nach dem schon beschriebenen Muster - auf den Säugling zurück und werden von ihm als von der mütterlichen Brust ausgehende und seine Existenz mit Vernichtung bedrohende orale Verfolgung erlebt. Diese Verfolgung weckt psychotische Ängste vor Auflösung und Auslöschung der bis dahin gewachsenen aber noch unfertigen und ungesicherten inneren Strukturen. Eine Vorstellung von der Gewalt dieser Vorgänge, die ja nicht erinnert werden können, die jedoch durch spätere analytische Rekonstruktion oder durch direkt beobachtbares Säuglingsverhalten eine gewisse Bestätigung und Plausibilität erhalten, gibt ein Bericht Winnicotts [[13]] über ein 4 Monate altes Kind, das auf den Verlust seiner Mutter mit der Tendenz reagierte, sich die Faust bis in die Kehle zu stecken, so dass es gestorben wäre, wenn man es nicht davon abgehalten hätte. Nun ist die Mutter in unserem Falle ja physisch nicht gestorben, aber die Katastrophe, die den Säugling überfällt, kann allem Anschein nach auch durch eine psychisch tote oder abwesende Mutter ausgelöst werden. In diesem Zusammenhang sind psychoanalytische Mitteilungen [[14]] interessant, nach denen die Mutter in Fällen der uns beschäftigenden Art ihr Kind durchaus liebt und besonders um das körperliche Wohlergehen des kleinen Kindes übermäßig besorgt ist, diese Liebe und Fürsorge aber von eher unpersönlicher Natur sind. Diese Mütter behandeln so ihr Kind mehr als ihre Sache, als ihr ‚Ding-Geschöpf’, denn als ein heranwachsendes eigenständiges Wesen.

Manche dieser noch recht äußerlichen Charakteristika finden in Haarmanns früher Kindheit - soweit hier überhaupt Hinweise vorliegen - eine gewisse Parallele. So wird die Mutter als eine einfältige, etwas blöde und früh verbrauchte Person geschildert, die seit der Geburt ihres siebten und jüngsten Kindes, eben Friedrichs, in ihrem 42. Lebensjahr stets bettlägerig dahinkränkelte, das Kind aber von Anbeginn sehr verhätschelte [[15]]. Ihre Ehe mit einem um 7 Jahre jüngeren Mann, der sie mit ständigen Frauengeschichten quälte, war nicht glücklich und mag ein weiterer verständlicher Anlass für die Vermutung sein, dass neben starker Erschöpftheit und fehlender Fähigkeit zur Einfühlung depressive Züge des Bild der Persönlichkeit der Mutter kennzeichneten. Freilich ergibt dies alles nicht mehr als lediglich dünne Indizien für jene innere Haltung und seelische Struktur, die den Auslöser für die das kleine Kind treffende Katastrophe bilden. Aussagekräftigere Hinweise liefert hier die psychoanalytische Erfahrung, dass in Fällen schwerer Perversionen die anfangs bewunderte Mutter sich bei näherer Untersuchung in ihr Gegenteil verwandelt und im Bild einer kastrierenden verschlingenden Hexe oder eines anderen Grauen erregenden zähnefletschenden wilden Tieres erscheint [[16]]. Neben der Hexe und manchen anderen Bildern tauchen als kannibalistische Imagines häufig auf: der Wolf, die Schlange, der Vampir und die Sphinx [[17]]. Auch bei Haarmann ist diese typische Überidealisierung der Mutter lebenslänglich zu beobachten. Er spricht von ihr stets im Tone schwärmerischer Anhänglichkeit und weiß von ihr nur Gutes zu berichten. In krassem - und für Fälle solcher Art wiederum typischem - Gegensatz fällt das Bild das Vaters demgegenüber übrigens absolut negativ und verächtlich aus. Auf ihn werden Hass und Todeswünsche offenbar von frühester Zeit an verschoben.

Zur Abwehr der ihm drohenden Vernichtung bedient sich das kleine Kind - allgemein gesprochen und in noch unspezifischer vorläufiger Formulierung - des Mittels der Sexualisierung der Beziehung zur mütterlichen Brust und damit zur Mutter [[18]]. Der Säugling erlebt, nachdem er die Befriedigung schenkende und Sicherheit gebende Brust der Mutter nicht finden kann und sich einer riesenhaften lebensvernichtenden Bedrohung ausgesetzt sieht, dass er in seiner außerordentlichen Not die Bedrohung abwenden oder wenigstens hinlänglich beschwichtigen kann, wenn er - vorerst - nicht fordert und zu nehmen versucht, was er so sehnlich begehrt, sondern der mütterlichen Brust erst einmal jene Zufriedenheit gibt oder zu geben sich bemüht, nach der sie sich - wie er dunkel ahnt - sehnt. Indem er die Brust, insbesondere die Brustwarze, mit seinen Lippen, seinem Mund, und vor allem mit seiner Zunge umspielt und umschmeichelt, erlebt er eine Art rauschhafter Ekstase und einen Zustand beidseitiger quasi-orgiastischer Verzückung, der ihn überwältigt und der ihm - so darf man sagen - mehr gibt als er ursprünglich verlangt oder erwartet hat, nämlich erst einmal nur Angstminderung und orale Befriedigung sowie narzisstische Stärkung, und vor allem mehr als er mit seinen noch unfertigen Mechanismen der Triebabfuhr verarbeiten und verkraften kann. So mögen die ursprünglichen oralsadistischen Hass- und Wutregungen durch die Überstimulierung wieder in Kraft gesetzt werden. Ein Indiz für diese frühe Überreizung und die fehlenden Möglichkeiten einer adäquaten Reizverarbeitung und -abfuhr ergibt sich bei Haarmann aus der lebenslänglich bei ihm auftretenden Inkontinenz in Fällen der Erregung. Zwar gehört die hier auftretende nicht beherrschbare Defäkation einer späteren Entwicklungsstufe an, aber auch hier ist offenbar eine angemessene Erregungsabfuhr nicht gelungen.

Die soeben gegebene Schilderung der Sexualisierungsvorgänge ist natürlich noch viel zu grob, zu impressionistisch und vor allem zu adultomorph, um den verwickelten Verhältnissen zwischen dem Säugling und seiner Mutter gerecht zu werden. Sie bedarf so in mehrfacher Hinsicht der Ausfüllung und Verdeutlichung.

Die frühe Sexualität des Kindes hat eine polymorph-perverse Gestalt. Sie ist nach Quellen, Zonen, Modalitäten und Objekten noch nicht festgelegt. Eine Geschlechtsidentität ist in dieser frühen Zeit noch nicht entwickelt. So weisen die Strebungen des kleinen Kindes schon von Hause aus und bei regulärem Gang der Dinge eine bisexuelle Natur auf. Im Falle einer entstehenden Perversion erhält diese Bisexualität jedoch eine besondere Aufladung. Das erregende und erregte Spiel des die Brustwarze mit Lippen und Zunge umschmeichelnden Säuglings legt für die halluzinatorische und illusionäre Erlebnisweise der frühen Zeit mit ihrer noch nicht aufgelösten Ungeschiedenheit zwischen Innen und Außen, Eigenem und Fremdem sowie Wunsch und Wirklichkeit die unscharfe und verschwommene Vorstellung nahe, dass die beiderseitigen Zungen = Brustwarzen sich in eigentümlicher Weise miteinander verknüpfen und sich in einer Art Mundhöhle = Brust befinden.

Die Entstehung dieser Phantasie kann man sich so vorstellen, dass der Säugling die mütterliche Brustwarze mit seiner Zunge durch Reiben, Lecken und weitere Dienste einer übermäßigen Unterwürfigkeit unter gespürte und geahnte fremde Bedürfnisse erregt und dass diese mütterliche Erregung aus der Perspektive des Säuglings dazu führt, dass die Mutter ihren gleichgültigen, abweisenden und verfolgenden Charakter verliert, sich ihm zuwendet und seine libidinösen und narzisstischen Bedürfnisse erfüllt - und übererfüllt. Naheliegenderweise und sogar mit einer Spur von Berechtigung wird der Säugling seine Befriedigung sozusagen als Ergebnis eigener Leistung halluzinieren und sich der omnipotenten Illusion hingeben, er sei in gleicher Art und Weise wie die mütterliche Brustwarze ihm gegenüber so jetzt der Mutter gegenüber aktiv und erfolgreich. Die Beschränktheit der oralen Formen und die ohnehin bestehende Neigung des Säuglings, seine Zunge mit der mütterlichen Brustwarze zu verbinden und zu verwechseln, sowie gewisse masturbatorisch-autoerotische Erfahrungen machen auf seiner Seite die Phantasie plausibel, dass er seine Zunge als aktive, produktive und Erregung und Lust spendende Brustwarze erlebt genau so wie die mütterliche Brust. Dabei wird er in seiner Vorstellung zwischen seiner Brustwarzen-Zunge und der mütterlichen Brust kaum unterscheiden und beide in magischer Weise in eins setzen und in einer Art Mundhöhle unterbringen. Hervorzuheben und für alles weitere festzuhalten ist die meines Erachtens freilich nicht ganz unberechtigte Illusion des Säuglings, die erregte und nunmehr Lust und Befriedigung spendende mütterliche Brust sei Ergebnis seiner eigenen Bemühung und seine eigene Schöpfung.

Wollte man den gesamten Vorgang - wohlgemerkt, wie er sich in der Phantasie des Säuglings als prinzipiell reziproker wenn auch natürlich unscharf gefasster Prozess abspielt - in eine halbwegs passende Modellvorstellung überführen, so bietet sich nach meinem Dafürhalten die Szenerie des gleichzeitig und beiderseits praktizierten Zungenkusses an, wobei freilich die beiden Zungen merkwürdig miteinander zusammenhängen [[19]]. Aufschlussreich ist hier der Traum eines Perversen, der in der Literatur berichtet wird [[20]]:

After a long holiday, a patient who was a frotteur and who usually spoke at length and in an intellectual tone dreamt that he was returning by ship and engaged in sexual play with a young woman. He gave her a kiss and, on separating, her tongue stretched and stretched in such a way that it always remained in his mouth.

Allerdings ist stets im Auge zu behalten, dass im Zusammenspiel von Kind und Mutter eine gewisse Zweiphasigkeit des Vorgangs zu beobachten ist - der Säugling in seiner Not stößt das Spiel an - und weiter und vor allem, dass das ganze in der einseitigen halluzinatorischen Perspektive des Säuglings ein in Ansätzen zweiseitiger Vorgang ist, der freilich auch in Wirklichkeit ‚objektiv’ Elemente einer (vom Säugling freilich nicht erfassbaren) Zweiseitigkeit enthält, wie weiter auszuführen bleibt.

Die zur Zeit größtmögliche Annäherung an solche unbewussten Vorstellungs- und Phantasiewelten, die ja direkt nicht beobachtbar sind, ergibt sich aus den Erlebnissen und Erfahrungen in der analytischen Situation. So soll zur Illustration frühen oralen Erlebens ein ganz kurzer Ausschnitt aus einem Fallbericht über die Analyse einer Perversion herangezogen werden, aus dem deutlich wird, wie und in welchem Umfang frühe Szenen der uns beschäftigenden Art im Übertragungsraum der analytischen Situation unbewusst reinszeniert und wiederbelebt werden. Eine Analytikerin berichtet [[21]]:

Mir stand eine Fülle von Material zur Verfügung, um ihm zeigen zu können, dass seine Worte für ihn eine Erweiterung der Zunge darstellten und dass er das Gefühl hatte, diese voller Erregung an der Analyse, der Brust, zu reiben, in der Hoffnung, sie zu erregen, anstatt die Deutungen, die Brustwarze, für sich zu nutzen und ihren Inhalt anzunehmen. Der Leser wird sich an den ersten Traum, den ich geschildert habe, erinnern, den Traum von der Ente mit der buntbemalten Zunge. Ich stelle mir einen Säugling vor, der seine Zunge erregt im Mund und an den Lippen reibt und sich omnipotent die Illusion erschafft, dass die Zunge tatsächlich die Brustwarze ist, sowie B. omnipotent davon überzeugt war, dass seine Worte tatsächlich Deutungen waren und seine masturbatorische Erregung auch in seine Objekte projiziert wurde.

Aufgrund von Erfahrungen, wie sie in diesem Bericht mitgeteilt werden, lassen sich frühkindliche Erlebnisweisen - natürlich nur annäherungsweise -rekonstruieren. Für unsere Diskussion der frühen Verhältnisse ist einmal der Hinweis wichtig, dass Zunge und Brustwarze hinsichtlich ihres Erregungspotentials in gewisser Weise gleichgesetzt und verwechselt werden können und zum anderen die Mitteilung, wie bei der Herstellung dieser illusionären Gleichung Vorstellungen von Omnipotenz und halluzinatorische Kräfte zu Werke gehen. Offen bleibt die Frage, ob es sich bei der vom Säugling halluzinierten ansatz- und umrisshaften Zweiseitigkeit des Vorgangs ‚in Wahrheit’ lediglich um eine einseitige Veranstaltung handelt, die der Säugling illusionär gewissermaßen missversteht, - von einer solchen Version geht offenbar die Analytikerin in dem kleinen Fallbericht aus, wenn sie davon spricht, dass das kleine Kind seine „masturbatorische Erregung auch in seine Objekte projiziert” - oder ob es sich bei dem Ganzen doch, wenigstens partiell, um eine ‚reale’ sexuelle Wechselbezüglichkeit handelt, mit anderen Worten, ob auch realiter eine Erregung und Übererregung der Mutter eintritt mit der Folge einer Stimulierung und Überstimulierung des Säuglings. Ich will nicht verhehlen, dass nach meiner Auffassung die letztgenannte Alternative die richtige ist [[22]].

Ohne die dem Säugling sich vermittelnde und ihn befriedigende reale psychische Übererregung und Überstimulierung des mütterlichen Außenobjekts wären die psychotischen Verfolgungsängste des Säuglings kaum zu bannen, welche ja in dem unempathischen und unlebendigen Charakter der mütterlichen Figur ihre gleichfalls psychisch reale Außenursache haben.

Auch in der freilich illusionären Sicht des Säuglings mag so allmählich eine Vorstellung davon mitschwingen, dass für eine gelingende Abwehr seiner Ängste die Erregung eines fremden Körpers und der dadurch herbeigeführte Umschwung im Gesamtklima erforderlich ist.

Wichtiger und interessanter als die Tatsache, dass es sich bei dem sexuellen Zusammenspiel von Mutter und Kind nicht nur um eine einseitig halluzinierte, nebelhafte undeutliche Zweiseitigkeit auf Seiten des letzteren handelt, sondern um eine wirkliche Korrespondenz oder wenigstens partielle Konkordanz beider, ist die Frage nach den Gründen, die eine solche frühe Sexualisierung der Mutter-Kindbeziehung im Sinne einer übermäßigen und verfrühten Ausbeutung der sexuellen Apparaturen und Funktionen des Säuglings ermöglichen.

 Neben der Tatsache der Bisexualität ist schon in frühester Zeit eine Art von verschwiegener Abgestimmtheit und heimlichem Einverständnis hinsichtlich der Rolle der beiderseitigen Sexualität zu finden. Gerade bei gelingender Entwicklung und glückendem Zusammenspiel zwischen Mutter und Kind regiert so etwas wie eine unbewusste Kenntnis davon, dass Sexualität etwas ist, durch das der Mensch Erfüllung erhält, indem er sie dem Anderen schenkt. Es gibt eine Art ‚somatischen Gehorsams’ des Kindes, der zu Erfüllung der kindlichen Bedürfnisse und zugleich zur Befriedigung der Mutter führt. Lichtenstein [[23]] schreibt hierzu:

Damit benutzt der Mensch die nicht der Fortpflanzung dienende Sexualität in einmaliger Weise: er wird zum Instrument für die Erfüllung von Bedürfnissen eines anderen, Bedürfnisse, die in einer symbiotisch strukturierten Umwelt als primitive Modalitäten einer Gefühlsinteraktion vermittelt und wahrgenommen werden.

Diese Frühsexualität kann in der Situation dramatischer Bedrohung durch psychotische Ängste offenbar in der Weise überreizt und aufgeladen werden, dass in nuce immer schon angelegte prototypische Potentiale, deren Entfaltung ‚an sich’ späteren Entwicklungsphasen vorbehalten ist, vor der Zeit und im Übermaß abgerufen und aktiviert werden [[24]]. Diese zur Abwendung extremer Not auf der Zeitschiene nach vorn gezerrten sexuellen Potentiale ermöglichen es dem Säugling, die in der symbiotischen Gefühlsinteraktion mit der Mutter wahrgenommenen mütterlichen Defizite, ihre Melancholie und Unlebendigkeit, durch Erregung und Stimulierung der mütterlichen Affektivität auszugleichen und damit sozusagen das mütterliche und das eigene Leben zugleich zu retten zu einer Zeit, in der die Grenzen seines primär körperlichen Selbst noch verfließen, die Objektbeziehungen noch unsicher sind und die Ich-Funktionen erst in Ansätzen sich bilden. Dieses intime archaische Zusammenspiel von Mutter und Säugling verdichtet sich im Laufe der Zeit und führt zur frühen Phantasie einer Zunge, die die mütterliche Brust schafft und mit Leben versorgt. Dass die überanstrengte Frühreife der Sexualität des Säuglings dessen weitere psychosexuelle Entwicklung schwer beeinträchtigt, versteht sich von selbst und wird im Folgenden näher erläutert.

Die besondere ‚Körpernähe’ dieser Vorgänge hängt damit zusammen, dass der Körper in früher Zeit als Sammler der Reize und Träger des entstehenden Selbstbildes den Einwirkungen der Mutter in besonderen Maße unterliegt und ausgesetzt ist. So kommt es, dass für die beschriebenen Praktiken vor allem die Oberflächen und Höhlungen des Körpers in Anspruch und in Dienst genommen werden [[25]].

Ihre Schlüssigkeit erhält die Vorstellung einer geheimen sexuellen Kollusion von Mutter und Kind durch den Charakter der Mutter als einer phallischen Frau, wie er sich in zahlreichen Fällen schwerwiegender Perversionsbildungen darstellt [[26]]. Das heißt, die Mutter hat unbewusst ihre Brust mit dem Bild eines Phallus besetzt, an dem sie kontraphobisch und depressiv festhält. Der Säugling ahnt diese Zusammenhänge mittels des ihm innewohnenden ‚somatischen Gehorsams’ und bestätigt die Mutter durch unterwürfiges Umschmeicheln und Aktivieren der Brustwarze, welche ihm schließlich auch selbst die ersehnte und notwendige Befriedigung gewährt. Man mag diese symbiotische sexuelle Kollusion als eine archaische Variante des Ödipuskomplexes [[27]] bezeichnen und auf Seiten des Säuglings von einem Zungen - Brust - Phallus sprechen, der sich mit dem mütterlichen Phallus magisch verbindet, klar ist, dass das Zusammenspiel eine gewisse objektiv- zweiseitige Konnotation besitzt und sich nicht in beidseitigen Illusionen erschöpft. Natürlich hat diese Kollusion nichts mit einer entfalteten interpersonalen Sexualität zu tun, eher könnte man sie als eine Autoerotik à deux [[28]] bezeichnen, die der Perverse - so auch Haarmann - lebenslänglich wiederholt.

Man darf übrigens vermuten, dass die egoistische Haltung der Mutter, das Kind zur Erfüllung eigener Sehnsüchte und Wünsche zu verwenden und zu missbrauchen, mit der am Ursprung der Perversion liegenden fehlenden mütterlichen Empathie, Pflege und Fürsorge in Zusammenhang steht und dass sogesehen der ‚blinde Fleck’ oder die ‚tote Stelle’ im Habitus der Mutter mit der Gegend ihres phallisch-narzisstischen Eigensinns identisch ist.

Durch die Sexualisierung der Mutter - Kind - Beziehung gelingt es dem Säugling, sich - jedenfalls vorübergehend - eine ‚gute Mutter’ zu schaffen und so die Gefahr eines psychotischen Zusammenbruchs einstweilen zu bannen. Diese Sequenz von schrecklicher Angst, Aktivierung der mütterlichen Sexualität und schließlicher eigener libidinöser Befriedigung lässt sich in der analytischen Situation rekonstruieren und wird durch Fallberichte wie den folgenden eindrucksvoll belegt, in dem der Analytiker die Patientin (!) zu Wort kommen lässt, bevor er den weiteren Fortgang selbst schildert [[29]].

„I was lying in bed in a state of great sexual excitement. I hadn’t been able to read or think all day (a thinking inhibition had occurred intermittently whenever she felt this kind of sexual arousal). I began to fantasize nightmare figures. The central terrifying figure was an octopus: appendages and a mouth that devours. Also there were reptiles, prehistoric monsters, things that were coiled up and could spread out and do harm and strangle. Than I had the fantasy of being forced to perform ‚fellatio’”. She was frightened, yet at the same time so excited that she „had to” masturbate.

Bis in die banalen und alltäglichen Einzelheiten des Lebens lässt sich im übrigen die Wirksamkeit des perversen Mechanismus der Gefahrenabwehr durch (primär orale) Sexualisierung nachweisen. So macht Theodor Lessing bei Haarmann die folgende Beobachtung [[30]]: „Wenn er den Faden verliert (denn er muss wie Sternes Korporal Trim ‚alle Sachen ganz von vorn erzählen’) macht er eine typische Leckbewegung mit der fleischigen Zunge.”

Der (horizontale) Riss in der sich erst entwickelnden Struktur des Säuglings, der durch ein verfolgendes mütterliches Teilobjekt hervorgerufen wird und den der Säugling verzweifelt und mühsam durch Sexualisierung zu kitten sich bemüht, kennzeichnet den Kernkomplex der Perversion [[31]]. Er behindert und beeinträchtigt alle weitere Entwicklung und führt vor allem schon in frühester Zeit zu einer vertikalen Spaltung im seelischen Gewebe des Kindes, mit deren Hilfe es einen funktionstüchtigen libidinösen und narzisstischen Kern mehr schlecht als recht vor den Verwüstungen der Perversion zu retten und für den Aufbau eines Rests von intakter Ich- und Selbststruktur nutzbar zu machen versucht. In den Fällen einer schweren Perversion, - mit der wir es bei Friedrich Haarmann zu tun haben - , ist dieses Rest-Selbst von besonderer Schwäche und hält sich nur mühsam mithilfe archaischer Abwehrmechanismen wie etwa der Verleugnung der wahren und der Idealbildung der ‚guten Mutter’ und der eben erwähnten Spaltung über Wasser. - Haarmann selbst empfindet sich als einen Menschen „mit zwei Seelen” [[32]]. - Das Grunddilemma des Perversen indessen besteht darin, für die Entwicklung seiner libidinösen und narzisstischen Struktur einerseits auf die Figur der Mutter angewiesen zu sein, vor der er andererseits auf der Hut sein und die er beschwichtigen muss. So versucht der Säugling die zur Komplettierung und Arrondierung seines Körper- Selbst, zur Entwicklung authentischer Sinnlichkeit und zum Aufbau narzisstischer Stabilität erforderliche Internalisierung von Teilaspekten der ‚genügend guten Mutter’ dadurch zu erreichen, dass er qua Sexualisierung die gute Brust selber schafft, um sie dann quasi als Übergangsobjekt aus dem intermediären Raum zwischen Illusion und Wirklichkeit, Eigenem und Fremdem sowie Innen und Außen in den seelischen Binnenraum zu transportieren. Dieses ‚Als-ob’ - Übergangsobjekt [[33]] indessen (wie auch alle seine späteren Äquivalente in Haarmanns Leben, die Zungen und die Genitalien der Jungen) erweist sich als nicht hinlängliches Transportmittel für eine stabile Internalisierung der gewünschten mütterlichen Eigenschaften, teils, weil es den der willkürlichen Einwirkung des Säuglings offenen selbstverständlichen Dingcharakter entbehrt, vielmehr im Gegenteil das Produkt äußerster Überanstrengung ist, teils, weil es immer mit dem gewissermaßen hinter ihm lauernden Grauen belastet ist. Was internalisiert wird, ist danach lediglich das Bild einer ‚toten’, freilich aktivierbaren Brust. Wenn so auch die endgültige und verlässliche Installierung hinreichend guter mütterlicher Objekte im Innenraum nicht gelingt, so kann doch das Bild der guten Mutter vorübergehend heraufgerufen und aufrecht erhalten werden. Es scheint dann eine gedeihliche normale Weiterentwicklung möglich zu sein. Aber es scheint nur so: Die verfolgenden Objekte treten wieder auf den Plan, in der Sprache der Affekte: der Hass, wenn auch für den Augenblick erotisch gebunden, schlägt wieder durch, führt zu schwerer und erschöpfender Angst und lähmt so die für die Weiterentwicklung nötigen Kräfte [[34]]. Der Säugling wird so stets erneut in den verhängnisvollen Zirkel von Angstabwehr durch Erotisierung gezwungen, wobei daran zu denken ist, dass gerade durch den vorübergehenden Zustand libidinöser und narzisstischer Befriedigung die Erinnerung an die ursprüngliche Katastrophe wach gerufen wird und auch so der entsetzliche Kreislauf von Hass, Angst und sexualisierter Abwehr aufrecht erhalten wird. Dessen ungeachtet oder besser: gerade deshalb erlaubt und gewährt die stets durch Sexualisierung erneut geschaffene Mutter-Kind-Beziehung mit ihrer libidinösen Gratifikation und ihrer narzisstischen Stärkung eine gewisse Affekthomöostase und ein prekäres Gleichgewicht der Kräfte. Diese Affekte und Kräfte weisen im übrigen ganz unterschiedliche Qualitäten und Formen auf. Die Erschaffung der Brust als fetischhafter Schöpfung vermittelt dem Kind das Gefühl, vorhanden und lebendig zu sein angesichts drohender Leere, Erschöpftheit und einer Art psychischer Katatonie. Zugleich ist diese überanstrengte Hervorbringung eine reparative Geste des Säuglings gegenüber der Mutter, deren Bedrücktheit und Kummer er spürt, die er aber in ihren bedrohlichen Seiten gleichzeitig unter Kontrolle hält. Schließlich kann das immer wiederholte und fehlschlagende Unternehmen der Errichtung einer guten mütterlichen Brust auch als der verzweifelte Versuch des Säuglings verstanden werden, zu einer tragfähigen Grundlage für seine Weiterentwicklung und damit zu einer Form von Heilung und Selbstheilung zu gelangen.

Halten wir fest: Die konstitutiven Merkmale für das Unglück des Perversen liegen schon in sehr früher Zeit fest. Die Integration eines, wenn auch ambivalenten, so doch überwiegend guten, kohärenten und einheitlichen Mutterbildes gelingt aus Gründen auch der äußeren Wirklichkeit einer partiell unlebendigen und uneinfühlsamen phallisch- narzisstischen Mutter nicht. Damit misslingt auch die hinlängliche innere Personalisierung des Subjekts, seine schließliche Abtrennung vom Mutterobjekt sowie die Etablierung der Fähigkeit, Beziehungen zu vollständigen personalen Objekten im Außenfeld aufzunehmen. Der mit dem Mittel der Aufbietung aller verfügbaren sexuellen Energien geführte ständige verzweifelte Abwehrkampf gegen rabiate verfolgende Introjekte führt zwar durch temporäre Verschmelzung mit der mütterlichen Brust immer wieder zu einem vorübergehenden Zustand libidinöser Sättigung und primär-narzisstischer Befriedigung, dieser Erfolg wird jedoch mit schweren Einbußen bei der weiteren Entwicklung und Differenzierung der seelischen Strukturen des Subjekts allzu teuer erkauft. Man könnte sogesehen das habituell gewordene Szenario des Perversen durchaus als einen - freilich allzu kostspieligen - Strukturersatz bezeichnen: In weitem Umfang treten Erregungsintensität, Affektqualität und Körpersensation an die Stelle differenzierter seelischer Organisation und Strukturbildung. Das Körperbild bleibt infolgedessen inkomplett und instabil. Die Fähigkeit zur Symbolisierung, das heißt zu einem metaphorischen Umgang mit den Erlebnissen der inneren und äußeren Welt, ist beeinträchtigt und zwingt zu einem konkretistischen Verhaltungsmodus. Auch die anderen Ich- Funktionen bleiben in ihrer Entwicklung eingeschränkt und lädiert: Bewusstsein und Wahrnehmung, die Trieb- und Affektkontrolle sowie der Realitätsbezug. Das Ich- Ideal bleibt an ein prägenitales Modell gebunden. Die maßlose und verfrühte Ausbeutung der Sexualität hat Störungen der weiteren Triebentwicklung zur Folge. Die Befähigung, Beziehungen zu äußeren und inneren Objekten aufzubauen, bleibt fragmentiert, ebenso die Möglichkeit des Aufbaus stabiler Selbstrepräsentanzen.

Die vorstehend genannten Charakteristika sind bei Haarmann mit Deutlichkeit feststellbar [[35]]. In Gesprächen begleitet und unterstreicht Haarmann das jeweils Thematisierte mit drastischen körperlichen Gesten. So ahmt er, wenn er von der Zerstückelung der Leichen redet, die Schnitte mit den Händen nach [[36]]. In dem Gespräch mit dem psychiatrischen Gutachter ist ferner zumeist eine situationsinadäquate Gefühlseinstellung Haarmanns spürbar. Betroffenheit und Mitgefühl mit den Opfern sind kaum vorhanden. Auch nimmt Haarmann die Jugendlichen, mit denen er verkehrt, gar nicht als eigene selbständige Personen wahr. Bezeichnend ist seine häufige Antwort auf Vorhaltungen in dieser Richtung: „Ooch, das waren doch alles Puppenjungens, die taugten doch nichts.” [[37]] In seinem Selbstbewusstsein schwankt Haarmann ständig zwischen überzogener Grandiosität (: „... jetzt kennen sie mich allerwärts.” [[38]]) und kindlicher Unbedarftheit.

Die bisher vorgelegte - freilich notwendig grobe und allgemein gehaltene - Skizze der die Organisation und Dynamik der Perversion unterhaltenden Kräfte reicht bei Licht besehen eigentlich schon aus, um das Getriebene, Zwanghafte, Süchtige und Mechanische an Haarmanns Verhalten aus den Bedingungen einer frühen und nahezu unrevidierbaren seelischen Fehlstrukturierung zu erklären oder jedenfalls nachvollziehbar und plausibel zu machen.

Gleichwohl soll noch ein kurzer Blick auf die weitere Entwicklung und Ausbildung der perversen Struktur geworfen werden, um das, was sich in der perversen Szene abspielt, vielleicht noch etwas konkreter und damit verständlicher zu machen. Natürlich können auch hier wieder nur einige wenige für die Strukturbildung besonders signifikante Momente hervorgehoben werden.

Während der Etappe der analen Triebentwicklung, in der sich das ursprüngliche Unglück des Kindes wiederholt und in der einer unmittelbaren Befriedigung wiederum massive Reaktionsbildungen entgegenstehen, findet die archaische Phantasie, durch die Vereinigung mit die Mutter in den Zustand einer absoluten Triebbefriedigung und eines primärhaften Narzissmus zurückzukehren, seinen Ausdruck unter anderem in der unbewussten Wunschvorstellung, sich in den mütterlichen Leib hineinzubewegen und von ihm umhüllt zu werden. Dabei ist das Bild von den Faeces, die sich im Körper befinden und bewegen, bestimmend. Das Kind identifiziert hier den eigenen Körper mit demjenigen der Mutter und die Faeces mit sich selbst. Gewiss spielen bei diesen Phantasiegestalten auch Strebungen aus früherer Zeit nach umhüllendem Hautkontakt und enger Umarmung etwa und Tendenzen einer späteren Entwicklungsphase nach einem (allerdings durch Abwehr verformten) genitalen Eindringen mit. Es ist fast überflüssig, darauf hinzuweisen, dass dieses förmliche Hineinkriechen auch die Funktion erfüllen soll, einen Schutz vor dem eigenen Hass und seinen desaströsen Folgen, Desintegration und Vernichtung, zu finden. Diese Gefahren sind indessen - wie wir gesehen haben - nicht endgültig zu bannen. Und so wird gerade das Umhülltsein wiederum als eine massive Gefahr erlebt, der gegenüber ein Rückzug immer möglich bleiben muss. - Haarmanns transvestitische Betätigungen in seiner Kindheit wie auch seine Schwierigkeiten bei der Kontrolle seiner Fäkalfunktionen gehören in diesen Zusammenhang. - Ein gutes Beispiel dafür, wie diese einander widerstreitenden Bestrebungen sich in Phantasiebildern und in der analytischen Situation niederschlagen, gibt der folgende kurze Ausschnitt aus dem Bericht der Therapie eines Transvestiten [[39]]:

Mr Webster’s clinical material is abundant with expressions of the core complex. For example, he gave characteristically concrete expression to his longing for ‘envelopment’ in imagining himself crawling up the birth canal and snuggling up inside the womb. But this gradually became supplanted by annihilatory fears expressed in terms of ‘getting stuck inside’ and he went on to think of various pot-holing incidents all centring round the theme of being trapped underground. In another session, he expressed his longings to get free of the stifling city and the demands on his life by being on top of a mountain, alone in the clean, fresh air; but the scene came to feel icy and lonely.

These feelings came into the transference very clearly in Mr Webster’s treatment and proved a constant problem throughout. For example, even when he was still having once-a-week psychotherapy, his comparison between dressing up and getting into a warm, protective nest could be related to his envelopment wishes in the transference and we could see how this led to his feeling stifled by the sessions and his feeling of wanting to break out, his saying he could well imagine what it must feel like to be a chicken in an egg, wanting to burst out of its confining suffocating shell.

Es besteht, nebenbei bemerkt, Veranlassung zu der Feststellung, dass Inhalt der Wunschphantasie die weitgehende Verbindung und Vereinigung mit der Mutter ist, in der Regel aber nicht die vollständige Selbstaufgabe durch Verschmelzung mit der Mutter, welche zu einer psychotischen Regression führen würde, und auch nicht die Zerstörung der Realität, denn der Perverse bleibt in aller Regel zur Realitätsprüfung befähigt und benutzt die äußere Realität gerade als Material für die Darstellung seiner Phantasien [[40]]. Allerdings ist die Wunschwelt des ‚analen Universums’ [[41]] vor allem gekennzeichnet von dem Bestreben nach Aufhebung der Geschlechter- und Generationsgrenzen wie überhaupt nach der Einebnung aller Differenzen und der Sehnsucht nach dem Identischen und Gleichen. Der Wunsch danach, dass ein Körper in den anderen eindringe, besteht aufgrund der vorhandenen bisexuellen Prägung und infolge einer Identifikation mit der mütterlichen Figur übrigens vielfach auch sozusagen in der Gegenrichtung. Nach meinem Dafürhalten finden manche Phänomene des Transvestismus einschließlich der fetischistischen Benutzung von Gummi- oder Lederbekleidung hierdurch ihre Erklärung. Ein (den ganzen Körper umfassender) Zungen- Faeces- Phallus dringt hier in den jeweils anderen ein, - im übrigen nach dem noch durchscheinenden, allerdings ‚maßstäblich vergrößerten’ Muster des schon erwähnten Zungenkusses. Die schwarzen Leder- oder Gummibekleidungen symbolisieren so gesehen die Innenseite der jeweils anderen Person und stellen zugleich eine Art Schutzanzug gegen eigene und fremde destruktive Tendenzen dar. Wie sich diese transvestitischen Phänomene in der analytischen Situation manifestieren, sei an einem kurzen Ausschnitt aus einem Analysebericht verdeutlicht [[42]]:

Seine Sexualität war anormal und beschränkte sich im wesentlichen aufs Masturbieren; dabei hatte er die Phantasie, mit dem ganzen Körper in ein Kleidungsstück aus Gummi hineinzugelangen. Schon zu einem früheren Zeitpunkt der Analyse kamen weitere Symptome zur Sprache, vor allem ein Erstickungsgefühl, das ihn nachts befiehl und gelegentlich mit der Empfindung einherging, als stecke etwas in seiner Kehle oder gleite die Kehle hinunter, so dass er aufwachte, weil er es verzweifelt auszuhusten versuchte. Darüber hinaus traten zuweilen heftige Hautreizungen an Armen und Beinen auf.

Haarmann, das sei im vorliegenden Zusammenhang erwähnt, zeigte in seiner Kindheit neben den schon angesprochenen transvestitischen Tendenzen die Eigenart, dadurch Angst und Schrecken zu erregen, dass er seine Schwestern festband und ausgestopfte Kleiderpuppen auf die Treppe legte [[43]]. Beim homosexuellen Verkehr mit den Jugendlichen hielt Haarmann sie fest umschlungen und presste sie sehr stark an sich. Zudem legte er sie zwischen sich und die (das Bett begrenzende) Wand, damit sie nicht unbemerkt entkämen. Wenn Haarmann schließlich in den psychiatrischen Gesprächen minutiös schildert, wie er die Körper seiner Opfer geöffnet, ausgeweidet und zerstückelt hat, finden für mein Empfinden neben den zweifellos gegebenen oral-sadistischen Phantasien auch äußerst maligne anale Vorstellungen einer zugleich umschlingend-vereinnahmenden sowie invasiv- eindringenden Art ihren Ausdruck.

Wie jeder Mensch so ist auch der Perverse zu einem 2-Fronten-Krieg verurteilt. Er ist einmal im früher Zeit den Bedrohungen durch eine verschlingende und vernichtende Mutterfigur ausgesetzt und unterliegt andererseits zu einem späteren Zeitpunkt den Gefährdungen durch eine zerstörerische und kastrierende väterliche Gestalt. Freilich weisen diese Auseinandersetzungen beim Perversen eine besondere Härte und Unerbittlichkeit auf [[44]]. Infolge seiner kollusiven Bindung an die Mutter treffen ihn die Herausforderungen der phallischen und ödipalen Phase mit übermäßiger Schärfe. Der gegen den Vater gerichtete starke Sadismus fällt in der Form verheerender Kastrationsangst auf ihn zurück. Freilich ist hier zu bedenken, dass wie schon im analen Bereich so auch jetzt in der phallisch - genitalen Phase jede neue Triebversagung die ursprüngliche frühe Katastrophe verstärkt samt ihren archaischen und inzwischen verfestigten Reaktionsbildungen und Rettungsversuchen, so dass etwa der jetzige Hass gegen den Vater in seiner Intensität auch von dem frühen gewaltigen Hass gegen die versagende Mutter mit gespeist wird. So kommt es, dass einerseits das urtümliche unbewusste Bild von der verfolgenden Mutter jetzt zusätzlich väterlich-männliche Züge erhält und dass andererseits mittels Spaltung und Verschiebung (abermals) versucht wird, alle Merkmale des Verfolgenden und Vernichtenden in der Figur des Vaters unterzubringen, um so das Ideal der hinlänglich guten Mutter aufrechtzuerhalten. Von Haarmann wird so berichtet, dass er, der seine Mutter vergötterte, für seinen Vater nichts als Hass übrig hatte, wofür freilich der Charakter seines zänkischen und übellaunigen Vaters mehr als nur einen Anlass bot.

Das enge identifikatorische Band zur Mutter bleibt bei allem bestimmend und führt unter anderem dazu, dass neben einer schwachen männlichen Identifizierung die negative Ausprägung der Ödipus-Komplexes besonders zur Geltung kommt. Im Ergebnis wird die immer festgehaltene unentschiedene bisexuelle Einstellung weiter verstärkt [[45]], zumal das Bild der phallischen Frau auch einigen Schutz gegen die horrenden Kastrationsängste bietet. Die Internalisierung eines stabilen und funktionstüchtigen Über-Ich kann unter den geschilderten Umständen nicht gelingen. Eine einigermaßen intakte Wahrheits- und Realitätsorientierung wird nicht ausgebildet. So ist auch das erwachsene Leben Haarmanns jenseits seiner sexuellen Besonderheiten eine einzige Kette von Unregelmäßigkeiten, Betrügereien und Diebstählen.

Hinsichtlich der narzisstischen Entwicklung bei der strukturellen Perversion bleibt zu bemerken, dass das Kind in der phallischen Phase das unbewusste Bild der Mutter von dem, was das Kind für sie ist, nämlich ihr ‚Ding-Geschöpf’, ihr Phallus, internalisiert und damit eine kostspielige, wenn auch hilfreiche Stabilisierung seiner Existenz in der Form eines ‚falschen Selbst’ erlangt [[46]]. Immer schon ahnte das Kind, dass das, was die Mutter in ihm sah, von seinem wirklichen Wesen gesondert und verschieden sei. Nun aber zwingt es die Not der ödipalen Auseinandersetzungen dazu, wie schon in frühester Zeit die mütterliche Brust so jetzt unter weitgehender Verausgabung seiner Kräfte ein falsches Fremdbild seiner selbst als Element seines narzisstischen Innenausbaus zu übernehmen. In beiden Fällen geht es ersichtlich um dieselbe unbewusste mütterliche Vorstellung des Besitzes eines - depressiv eingekleideten - Phallus, für dessen Aufrecherhaltung das Kind mit seiner ganzen Existenz herhalten muss. Wir dürfen daher davon sprechen, dass die neuerliche Aufnahme der mütterlichen Projektion, da in analoger Richtung und mit analogen Mitteln vorgenommen, in gewisser Weise eine Art ‚psychischer Verlängerung’ der ersten Internalisierung ist. Das Zusammenspiel der beiden vom Kind aufgenommenen und verarbeiteten projektiv ihm aufgeladenen Illusionen der Mutter, einen Phallus zu besitzen (in Form der Brust und des Kindes), wird sehr markant und anschaulich durch die kurze Antwort eines Perversen auf die Frage charakterisiert, was denn das Wesentliche an der Perversion sei [[47]]: „Etwas Langes leckt etwas Kurzes”, wobei die Antwort bei aller Prägnanz freilich unterschlägt, dass der zitierte Vorgang eine Abwehrmaßnahme gegen massivste unbewusste Ängste darstellt.

In der perversen Szene erfahren die beiden Innenbilder ihre theatralische Darstellung. Indem der Perverse das Genitale der Jugendlichen durch masturbatorische Praktiken zur Erektion bringt, schafft er in magischer Inszenierung beides: den lebensrettenden mütterlichen Brust-Phallus und den existenzsichernden Phallus der Mutter, der er selber ist. In einem Fallbericht (über einen Vorhaut-Fetischisten) [[48]] kommen diese beiden Funktionen des Penis-Fetischs deutlich zum Ausdruck:

Der Vorhaut-Penis hatte für ihn im Stadium der Erektion eine ganz spezifische magische Bedeutung. Er war für ihn der ideale Brust-Penis der frühen oralen Stufe und erfüllte ihn mit einem Gefühl ehrfürchtiger Scheu, Faszination und quälender Erregung. Wenn er den Vorhaut-Penis zu drangvoller Lebendigkeit erweckt hatte, empfand er ihn als seine ‚Schöpfung’ und dementsprechend behandelte er ihn auch. Anschauen, Berühren und Riechen spielten in seiner Beziehung zu ihm eine große Rolle. Die lustvollen Möglichkeiten dieser Situation schienen ihm unerschöpflich, und er wünschte sich, ganz darin aufzugehen. Das Ganze glich eher einem halluzinatorischen Bild als einer Wahrnehmung eines separaten Organs einer anderen Person oder der Wahrnehmung dieses Organs als symbolischem Vehikel für eine Beziehung.... Mit dem regressiven Beziehungsmodus zum Vorhaut-Penis-Fetisch war der Zusammenbruch der symbolischen und sekundärprozesshaften seelischen Aktivitäten verbunden. Der Patient hatte das Gefühl, diese magische Objekt erschaffen zu haben, und durch Ansehen und Berühren sowie orale Inkorporation wurde er dieses Objekt. Für den Patienten hatte es die Bedeutung, dass er die ursprüngliche Einheit mit der omnipotenten nährenden Brust-Mutter ganz konkret wiederfand und wieder neu erschuf.

Um der Sache willen muss an dieser Stelle mit Nachdruck darauf hingewiesen werden, dass - wie es in dem Bericht zutreffend heißt - der gesamte Vorgang nichts mit dem Prozess einer Symbolisierung oder einer symbolhaften Verwendung eines Gegenstandes zu tun hat. Es handelt sich vielmehr um eine traumhaft-magische Reinszenierung von Vorgängen der frühesten Entwicklungszonen, mittels derer ein im Werden begriffenes Subjekt versucht, erste Bilder des Körpers, des Selbst und des Realen einem amorphen Universum von verschwimmenden und verwirrenden Eindrücken, Reizen und Erlebnissen abzugewinnen und zu substantiieren. Der erigierte Penis der Jugendlichen hat damit in der perversen Szene die Funktion eines Übergangsobjekts. Da seine Verwendung freilich die ihm zugedachte Funktion niemals befriedigend erfüllen kann, wird meines Erachtens (wie erwähnt) zutreffend von einem ‚Als- ob’ - Übergangsobjekt gesprochen.

Nach allem gilt für die strukturelle Perversion: Das schwere frühe Trauma und der verzweifelte aber letztlich vergebliche Versuch einer Bewältigung seiner Folgen mit sexuellen Mitteln führen - hauptsächlich wegen der Introjektion krass widersprüchlich und disparat besetzter Teilobjekte - zu einem niedrigen Niveau der seelischen Organisation hinsichtlich der Ausbildung hinlänglicher Ich- und Über-Ich-Kapazitäten, der Möglichkeit zur Unterhaltung befriedigender Beziehungen zu personalen Objekten, der Aufrichtung eines halbwegs sicheren und authentischen Körper- und Selbstbildes sowie der Entwicklung einer relativ stabilen sexuellen Identität. Die verfrühte und übermäßige Inanspruchnahme und Ausbeutung der sexuellen Anlagen bringt eine auch später beibehaltene bisexuelle Orientierung mit sich, die sich in einer unbewussten Identifizierung mit einem Zungen/Brust-, Faeces- und Ganzkörper-Phallus niederschlägt. (Parallel dazu sind Umrisse unbewusster Identifizierungen im Sinne einer Mund-, Anus- und Ganzkörper-Vagina zu entdecken. [[49]])

Funktionell ist ein Bündel auf Teilobjekte bezogener widersprüchlicher und nicht in eine entwickelte Struktur integrierter aggressiver und libidinöser Partialtriebe zu beobachten. Entscheidend bleibt in funktioneller Hinsicht das Agieren der „archaischen Matrix des Ödipuskomplexes” als einer Abwehroperation gegenüber dem Grauen psychotischer Verfolgungsängste, die immerhin den - vorübergehenden - Erfolg einer libidinösen Entlastung und narzisstischen Stabilisierung zeitigt. Der reparative Charakter des Gebrauchs des Sexualapparates und der sexuellen Antriebe zur Aufrechterhaltung und Befriedigung des internalisierten mütterlichen Phallus in seiner Doppelgestalt macht im Übrigen ein wirklich orgiastisches Erleben unmöglich und lässt lediglich eine phallische, pseudo-genitale Erregungsabfuhr zu, die beim Perversen ein Gefühl der Vergeblichkeit und Untröstlichkeit hinterlässt.

In der perversen Inszenierung bringt der Perverse das Theaterstück seines Unglücks immer wieder zur Aufführung. Dass er dabei stets die Realität und vor allem die Realität einer anderen Person mit einbezieht, darf eigentlich nicht verwundern, liegen doch die Wurzeln seines Unglücks in einer Vergangenheit, in der es ihm misslang, einer amorphen Totalität die überlebenswichtigen kategorialen Vorstellungen innerer und äußerer, eigener und fremder sowie personaler und apersonaler Wirklichkeit überhaupt erst zu entnehmen. Natürlich bringt die sexuelle Inszenierung außer der Hoffnung auf Gewinnung und Aufrechterhaltung eines befriedigenden Realitätskontakts noch weitere Vorteile mit sich, die kurz genannt seien.

Ganz generell schon bringt das Agieren [[50]] als kontraphobische extrapsychische Darstellung intrapsychischer Sachverhalte ein gewisses Maß an Entzerrung und Entlastung in struktureller und funktioneller Hinsicht. Indem der Perverse sein inneres Dilemma so entfaltet und im Außenraum zur Darstellung bringt, gelingt ihm in gewissem Umfang eine externe Kontrolle der introjizierten sadistischen Objekte und Teilobjekte archaischer Herkunft, welche jetzt auf ein reales Gegenüber projiziert werden. So kann etwa die bedrängende und ängstigende Männlichkeit des Vaters über die projektiv verwendete Figur eines beherrschbaren Jugendlichen gewissermaßen in Schach gehalten werden. Haarmann wählte so immer nur männliche Jugendliche aus, die keinesfalls älter als 20 Jahre sein durften. Die Apathie, Initiativelosigkeit und Depression des Perversen, die ihre Ursache wie gezeigt in mühsam und mit großem Kraftaufwand unterhaltenen Positionen der Abwehr eines vernichtenden Sadismus haben, können durch die lustvolle Begegnung mit einem Anderem in gewissem Umfang überwunden werden. Das Ich gewinnt so zugleich einen Teil seiner Handlungsfähigkeit zurück, und es entsteht zumindest vorübergehend die Illusion einer befriedigenden Objektbeziehung. Ferner wird der Narzissmus des Perversen durch das Erlebnis gestärkt, einem anderen Menschen wirklich Genuss und Lust verschaffen zu können. Auch kann die Phantasie einer ubiquitären Zweigeschlechtlichkeit realisiert und damit in ihrer Richtigkeit sozusagen ‚bewiesen’ werden. Vor allem aber stellt die perverse Inszenierung den Versuch dar, durch Errichtung des mütterlichen Brust-Phallus in der Realität zu einem wirklichen Neubeginn, einer endlichen Wiederherstellung und schließlichen Heilung zu gelangen und damit zur Rettung aus Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Indessen stellt sich die ganze Unternehmung bald als Fehlschlag heraus, die außer einer gewissen Erregungsabfuhr nichts als Leere, Erschöpfung und Enttäuschung zurücklässt und abermals in den Kreislauf letztlich vergeblicher Bemühung zwingt.

Es ist bedrückend zu sehen, wie Haarmann noch in der ‚Übertragungssituation’ des Gesprächs mit dem gerichtlich bestellten Psychiater nichts anderes übrigbleibt, als zwanghaft dem perversen Muster zu folgen: Haarmanns Sehnsucht nach der guten Mutter wird in seiner Offenheit, Arglosigkeit und Distanzlosigkeit jedem gegenüber, der freundlich zu ihm ist, fühlbar. Aber auch sein unterschwelliger Sadismus bricht immer wieder durch („wenn ich den gehabt hätte, den hätte ich auch umgebracht” [[51]]) - und provoziert Empörung beim Gesprächspartner. Schließlich artikuliert sich das sexuelle Bedürfnis in seinem unwiderstehlichen Drang zu wiederholten Malen („... ich habe neulich schon gesagt, ich muss jetzt mal wieder was haben, das geht so nicht mehr, ich werde richtig krank, habe ich schon gesagt” [[52]]).

Nach allem kann kein Zweifel sein, dass die Tötungen, die sich vor Haarmanns Festnahme häuften, Ausdruck des Durchbruchs stärkster sadistisch-destruktiver Impulse waren, gegen die die eingespielte sexuelle Abwehr nicht mehr ankam. Vieles spricht für die Annahme, dass die ursprünglichen oralen Antriebe, die in weitem Umfang einen sadistisch- zerstörerischen Charakter angenommen hatten, wieder in Kraft traten und die Herrschaft übernahmen. Insofern können die durch die perversen Masturbationspraktiken hervorgerufenen oralsexuellen Erregungen und die mit ihnen immer mehr und immer deutlicher verbundenen schweren Versagungen und Enttäuschungen als Schlüsselreize für die Auslösung jenes totalen Zugriffs auf das mütterliche Objekt in seiner Verkörperung durch das jugendliche Opfer verstanden werden, in dem sich sadistisch-destruktive und erotisch- sexuelle Antriebe in höchster Intensität untrennbar mischten und in dem die Sehnsucht nach der Vereinigung mit der Mutter und die nach dem (fremden wie eigenen) Tod zusammenfielen. Noch die ausführlichen und minutiösen Schilderungen der Zerstückelung der Leichen durch Haarmann im Gespräch mit dem psychiatrischen Gutachter vermitteln den Eindruck, er habe dabei eine Art kannibalistische sexuelle Lust empfunden. Und einen Prozessbeobachter befällt bei Haarmann zuweilen das Gefühl, „als ob er sich vom ‚Hingerichtet-werden’ einen letzten Orgasmus verspreche” [[53]]. Auch ist daran zu erinnern, dass in den frühen Formen oraler Befriedigung Liebe und Vernichtung ohnehin Hand in Hand gehen. Da die Taten im Zustand tiefster Regression begangen wurden, in dem die Ich-Instanz keinen bewussten Kontakt mehr zu dem abgespalteten perversen Geschehen unterhielt, erscheinen im Übrigen die Beteuerungen Haarmanns glaubhaft, sich an die Umstände der Tötungen im einzelnen nicht erinnern zu können.

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1 Der im folgenden mitgeteilte Lebenslauf stützt sich im wesentlichen auf die Angaben bei Lessing T. Haarmann. Die Geschichte eines Werwolfs und andere Gerichtsreportagen. München: DTV, 2. Aufl., 1996: 29-215, und bei Pozsár C, Farin M (Hg.). Die Haarmann-Protokolle. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1995: 55-119 (Fritz Haarmann - Eine Krankengeschichte. Aus in der Krankenakte der Göttinger Heil- und Pflegeanstalt befindlichen Abschriften), 205 - 461 (Gespräche in Göttingen), 463 - 477 (Ernst Schultze - Ärztliches Gutachten) und 479 - 561 (Das Urteil gegen Fritz Haarmann [Dezember 1924])

2 Mitgeteilt bei Pozsár C, Farin M (Hg.). Die Haarmann-Protokolle (wie Anm. 1): 80

3 Vgl. hierzu die Mitteilung bei Pozsár C, Farin M (Hg.). Die Haarmann-Protokolle (wie Anm. 1): 86, 87

4 Abgedruckt bei Pozsár C, Farin M (Hg.). Die Haarmann-Protokolle (wie Anm. 1): 506

5 Professor Dr. Ernst Schultze, Leiter der Provinzial - Heil- und Pflegeanstalt in Göttingen und Ordinarius für Psychiatrie und Neurologie an der Georgs-August-Universität, Gerichtsmedizinalrat Dr. Alex Schackwitz und Gerichtsmedizinalrat Brandt. Das schriftliche Gutachten Schultzes sowie das Protokoll seiner Gespräche mit Haarmann liegen vollständig vor (vgl. die Angaben bei Anm. 1). Schackwitz schloß sich dem in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Gutachten Schultzes in allen Punkten an. Über ein Tätigwerden des dritten Gutachters wird nichts berichtet.

6 Ein guter Überblick über den Aufbau der frühen Welt des Säuglings mit weiterführenden Literaturhinweisen findet sich bei Müller-Pozzi H. Psychoanalytisches Denken. Bern/Göttingen/Toronto/Seattle: Huber, 2. Aufl., 1995: 123-145

7 Zum Begriff des Übergangsobjekts vgl. Winnicott DW. Von der Kinderheilkunde zur Psychoanalyse. Frankfurt/M.: Fischer, 1983: 300-319

8 Winnicott DW. Von der Kinderheilkunde zur Psychoanalyse (wie Anm. 7): 70, 71

9 So treffen in Joseph Conrads Roman Herz der Finsternis menschliches Sinnbedürfnis und eine sinnabweisende ursprüngliche Natur unversöhnlich aufeinander. Man vgl. hierzu die sensiblen Ausführungen von Johann Hinrich Claussen: Flussreise in den Alptraum. Bilder und Zeiten. Beilage zur FAZ vom 22.1.2000: 1,2

10 Winnicott DW. Von der Kinderheilkunde zur Psychoanalyse (wie Anm. 7): 267-299, insbesondere 280, spricht hier vom „Stadium der Besorgnis”. Klein M. Gefühlsleben und Ich-Entwicklung des Säuglings unter besonderer Berücksichtigung der depressiven Position. In: Dieselbe: Gesammelte Schriften, Bd.1 Teil 2. Stuttgart: Fromann-Holzboog, 1996: 267-330, insbes. 288-292, nennt diese Entwicklungsstufe die depressive Position.

11 Zum Zeitpunkt des Auftretens der frühen Störung bei der strukturellen Perversion vgl. Kutter P, Müller T. Psychoanalyse der Psychosen und Persönlichkeitsstörungen. In: Hinz H (Hg.): Wolfgang Loch. Die Krankheitslehre der Psychoanalyse. Stuttgart/Leipzig: Hirzel, 6. Aufl., 1999: 3, 1-287, insbes. 263-268

11 Zu dem hier verwendeten Schema von Traumatisierung, Bewältigungsversuch und anschließenden Entwicklungsbrüchen vgl. das Verlaufsmodell psychischer Traumatisierung mit den ausdifferenzierten Momenten der traumatischen Situation, der traumatischen Reaktion und des traumatischen Prozesses bei Fischer G, Riedesser P. Lehrbuch der Psychotraumatologie. München/Basel: Reinhardt, 1998: 58-119

12 Winnicott DW. Von der Kinderheilkunde zur Psychoanalyse (wie Anm. 7): 72, 73, bezeichnet diese Art der Objektbeziehung als „primitive Erbarmungslosigkeit”. Klein M. Gefühlsleben und Ich-Entwicklung (wie Anm. 10): 315 - 317, spricht von einer paranoid-schizoiden Position, bei der die frühen destruktiven Impulse nicht integriert werden und sich in verfolgender Form gegen den Säugling selbst wenden. Normalerweise wird jedoch diese frühe Destruktivität von der genügend guten Mutter aufgefangen und ausgeglichen. Zur Bedeutung und Reichweite der schizoiden Position vgl. auch Fairbairn WRD. Schizoid Factors in the Personality. In: Psychoanalytic Studies of the Personality. London/New York: Routledge, 1999: 3-27; ferner Guntrip H. The Manic-Depressive Problem in the Light of the Schizoid Process. In: Derselbe: Schizoid Phenomena, Object Relations and the Self. London: The Hogarth Press, 6. Aufl., 1986: 130-164

13 Winnicott DW. Von der Kinderheilkunde zur Psychoanalyse (wie Anm. 7): 75

14 So bei Khan MMR. Entfremdung bei Perversionen. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1989: 11-13

15 Diese Mitteilung findet sich bei Lessing T. Haarmann (wie Anm. 1): 61

16 Berichtet von McDougall J. Theater der Seele. Illusion und Wahrheit auf der Bühne der Psychoanalyse. Stuttgart: Verlag Internationale Psychoanalyse, 2. Aufl., 1994: 284, 285. McDougall schreibt in diesem Zusammenhang ferner, die Bilder, die perverse Patienten von ihren Eltern entwerfen, seien einander so ähnlich, dass man glauben könnte, die Patienten seien alle Mitglieder ein- und derselben Familie.

17 Zu diesen Bildern vgl. die Ausführungen von Shengold L. The effects of overstimulation: rat people. The International Journal of Psychoanalysis 1967; 48: 403-414, hier 403. Die Verwendung dieser Imagines findet sich allenthalben in Geschichte und Literatur. Theodor Lessing gibt seinem Bericht über Haarmann bekanntlich den Untertitel: Die Geschichte eines Werwolfs (vgl. hierzu Anm. 1). Auch Hitlers Vorliebe für alles „Wölfische” (Wolfsschanze etc.) soll als Merkmal einer Perversion zumindest erwähnt werden.

18 Zur Bedeutung und Funktion der Sexualisierung in der Perversion siehe Khan MMR. Entfremdung bei Perversionen (wie Anm. 14): 11-18; Kutter P, Müller T. Psychoanalyse der Psychosen und Persönlichkeitsstörungen (wie Anm. 11): 261 - 268; McDougall J. Theater der Seele (wie Anm. 16): 263 - 283

19 Lessing T. Haarmann (wie Anm. 1): 87, 88, berichtet zum Verhältnis von Haarmann zu Grans, seinem Freund, folgende im behandelten Zusammenhang aufschlussreiche Einzelheit: „Haarmann liebte den Grans und das wußte dieser zu nutzen. Wenn der Alte tobte, so pflegte der Junge ihn um die Hüfte zu nehmen und seine Zunge ihm in den Mund zu stecken; dies erregte den Haarmann so, daß er wachsweich und dem hübschen Jungen zu willen wurde.”

20 Der Traum wird berichtet von Etchegoyen RH. The Fundamentals of Psychoanalytic Technique. Revised Edition.London: Karnac 1999: 190

21 Joseph B. Ein klinischer Beitrag über die Analyse einer Perversion. In: Dieselbe: Psychisches Gleichgewicht und psychische Veränderung. Stuttgart: Klett-Cotta, 1994: 81-104, hier: 100

22 Im gleichen Sinne etwa Chasseguet-Smirgel J. Der Perverse und das Ichideal. In: Dieselbe: Anatomie der menschlichen Perversion. Stuttgart: DVA, 1989: 53-69; Khan MMR. Entfremdung bei Perversionen (wie Anm. 14): 59; McDougall J. Theater der Seele (wie Anm. 16): 284 - 301. Schon Freud schrieb: „Es ist lehrreich, daß das Kind unter dem Einfluß der Verführung polymorph pervers werden, zu allen möglichen Überschreitungen verleitet werden kann.” Siehe Freud S. Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie. In: Derselbe: Gesammelte Werke, 5. Bd. Frankfurt/M.: Fischer, 4. Aufl., 1968: 27-145, hier: 91

23 Zitiert nach Khan MMR. Entfremdung bei Perversionen (wie Anm. 14): 29

24 Vgl. hierzu die Angaben bei Khan MMR. Entfremdung bei Perversionen (wie Anm. 14): 105. Hinweise auch bei Kestenberg J. On the development of maternal feelings in early childhood. The Psychoanalytic Study of the Child 1956; 11: 257-291

25 Zur Entwicklung des Körperbildes bei der Perversion vgl. Greenacre P. Certain relationships between fetishism and faulty development of the body image. The Psychoanalytic Study of the Child 1953; 8: 79-97

26 Man vgl. nur die von Khan MMR. Entfremdung bei Perversionen (wie Anm. 14): 170-196 und 197-252 mitgeteilten Fallgeschichten. Das von Khan hier entwickelte und in seiner Anwendung demonstrierte Konzept des „montierten inneren Objekts” umfaßt als seinen wesentlichen Bestandteil das Introjekt eines mütterlichen Phallus. Bak RC. The phallic woman. The ubiquitous fantasy in perversions. The Psychoanalytic Study of the Child 1968; 23: 15-36, scheint das Bild der phallischen Frau dagegen für eine einseitig-halluzinatorische Produktion des Säuglings zu halten.

27 Kutter P, Müller T. Psychoanalyse der Psychosen und Persönlichkeitsstörungen (wie Anm. 11): 263, 265, sprechen hier wie andere Autoren auch von der „archaischen Matrix des Ödipus-Komplexes”. Vgl. ferner Vogt R. Zur „archaischen Matrix des Ödipus-Komplexes”. Psyche 1990; 44: 915-952

28 Diese Bezeichnung findet sich bei Khan MMR. Entfremdung bei Perversionen (wie Anm. 14): 28

29 Der Bericht findet sich bei Shengold L. The effects of overstimulation: rat people (wie Anm. 17): 408

30 Lessing T. Haarmann (wie Anm. 1): 59

31 Morgenthaler F. Die Stellung der Perversionen in Metapsychologie und Technik. Psyche 1974; 28: 1077-1098, bezeichnet die Perversion als eine Art ‚Plombe‘, die die Lücke des in der narzißtischen Entwicklung gestörten Selbst füllen soll.

32 So meint er im Gespräch mit dem Psychiater Schultze: „Ich sagte dann immer, wenn so was passiert war, ich muß doch ein Mensch mit zwei Seelen sein, wenn ich so was tue, ich bin doch sonst gut.” Zitiert nach Pozsár C, Farin M (Hg.). Die Haarmann-Protokolle (wie Anm. 1): 323

32 Zu den Problemen, die die vertikale Spaltung für die psychoanalytische Theorie und Therapie aufwirft, vgl. Goldberg AJ. Perversion aus der Sicht psychoanalytischer Selbstpsychologie. Psyche 1998; 52: 709-739; ferner Guntrip H. The Manic-Depressive Problem (wie Anm. 12): 130-164, jeweils mit weiteren Nachweisen.

33 Dieser Begriff findet sich bei Khan MMR. Entfremdung bei Perversionen (wie Anm. 14): 9-36, insbes. 14 und 29-31

34 Zur Rolle von Hass und Feindseligkeit in der Perversion vgl. vor allem Stoller RJ. Perversion. Die erotische Form von Haß. Gießen: Psychosozial-Verlag,1998: 125-149

35 Vgl. zum Folgenden besonders Pozsár C, Farin M (Hg.). Die Haarmann-Protokolle (wie Anm. 1): 606-611

36 Zu Haarmanns Unfähigkeit zur Phantasie- und Symbolbildung vgl. Lessing T. Haarmann (wie Anm. 1): 60, 61

37 So bei Pozsár C, Farin M (Hg.). Die Haarmann-Protokolle (wie Anm. 1): 224

38 Siehe hierzu Pozsár C, Farin M (Hg.). Die Haarmann-Protokolle (wie Anm. 1): 267

39 Glasser M. From the analysis of a transvestite. The International Review of Psycho-Analysis 1979; 6: 163-173, hier 164

40 In diesem Sinne m.E. zutreffend Kutter P, Müller T. Psychoanalyse der Psychosen und Persönlichkeitsstörungen (wie Anm. 11): 263, 264

41 Zu diesem Begriff vgl. Chasseguet-Smirgel J. Das analsadistische Universum und die Perversion. In: Dieselbe: Anatomie der menschlichen Perversion. Stuttgart: DVA, 1989: 135-167

42 Joseph B. Ein klinischer Bericht über die Analyse einer Perversion (wie Anm. 21): 82

43 Das berichtet Lessing T. Haarmann(wie Anm. 1): 62, 63

44 Zur Gestalt der phallischen und der ödipalen Problematik bei Perversionen vgl. Bak RC. The phallic woman (wie Anm. 26): besonders 28-36; Becker N, Schorsch E. Die psychoanalytische Theorie sexueller Perversionen. In: Sigusch V (Hg.): Therapie sexueller Störungen. Stuttgart/New York: Thieme, 1980: 159-186, hier: 160-163, jeweils mit weiteren Nachweisen.

45 Lessing T. Haarmann (wie Anm. 1): 59, schildert den Eindruck, den Haarmann auf ihn macht: „Die Stimme, breiig, schleimig und nah am Diskant, erinnert an das Organ alter Frauen. Der ganze Habitus ist ‚androgyn‘. Man möchte sagen: nicht männlich, nicht weiblich, nicht kindlich. Aber männisch, weibisch und kindisch zugleich.”

46 Näher hierzu Khan MMR. Entfremdung bei Perversionen (wie Anm. 14): 9-18. Vgl. ferner McDougall J. Theater der Seele (wie Anm. 16): 284-305

47 Antwort im Rahmen eines persönlichen Gesprächs mit dem Verfasser.

48 Bei Khan MMR. Entfremdung bei Perversionen (wie Anm. 14): 215, 216

49 Man vgl. zur letztgenannten Phantasie den Fallbericht bei Greenacre P. Certain relationships (wie Anm.25): 86-90

50 Zur Rolle des Agierens bei der Perversion Khan MMR. Entfremdung bei Perversionen (wie Anm. 14): 33-37, mit weiteren Nachweisen.

51 Pozsár C, Farin M (Hg.). Die Haarmann-Protokolle (wie Anm. 1): 241

52 Pozsár C, Farin M (Hg.). Die Haarmann-Protokolle (wie Anm. 1): 260

53 Lessing T. Haarmann (wie Anm. 1): 178

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Autor:

Prof. Dr. iur. Hans - Joachim Behrendt

Kartäuserstr. 118 f
79104 Freiburg

Telefon: Tel. 0761 / 22255

eMail: e-mail: brep@uni-freiburg.de

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1 Der im folgenden mitgeteilte Lebenslauf stützt sich im wesentlichen auf die Angaben bei Lessing T. Haarmann. Die Geschichte eines Werwolfs und andere Gerichtsreportagen. München: DTV, 2. Aufl., 1996: 29-215, und bei Pozsár C, Farin M (Hg.). Die Haarmann-Protokolle. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1995: 55-119 (Fritz Haarmann - Eine Krankengeschichte. Aus in der Krankenakte der Göttinger Heil- und Pflegeanstalt befindlichen Abschriften), 205 - 461 (Gespräche in Göttingen), 463 - 477 (Ernst Schultze - Ärztliches Gutachten) und 479 - 561 (Das Urteil gegen Fritz Haarmann [Dezember 1924])

2 Mitgeteilt bei Pozsár C, Farin M (Hg.). Die Haarmann-Protokolle (wie Anm. 1): 80

3 Vgl. hierzu die Mitteilung bei Pozsár C, Farin M (Hg.). Die Haarmann-Protokolle (wie Anm. 1): 86, 87

4 Abgedruckt bei Pozsár C, Farin M (Hg.). Die Haarmann-Protokolle (wie Anm. 1): 506

5 Professor Dr. Ernst Schultze, Leiter der Provinzial - Heil- und Pflegeanstalt in Göttingen und Ordinarius für Psychiatrie und Neurologie an der Georgs-August-Universität, Gerichtsmedizinalrat Dr. Alex Schackwitz und Gerichtsmedizinalrat Brandt. Das schriftliche Gutachten Schultzes sowie das Protokoll seiner Gespräche mit Haarmann liegen vollständig vor (vgl. die Angaben bei Anm. 1). Schackwitz schloß sich dem in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Gutachten Schultzes in allen Punkten an. Über ein Tätigwerden des dritten Gutachters wird nichts berichtet.

6 Ein guter Überblick über den Aufbau der frühen Welt des Säuglings mit weiterführenden Literaturhinweisen findet sich bei Müller-Pozzi H. Psychoanalytisches Denken. Bern/Göttingen/Toronto/Seattle: Huber, 2. Aufl., 1995: 123-145

7 Zum Begriff des Übergangsobjekts vgl. Winnicott DW. Von der Kinderheilkunde zur Psychoanalyse. Frankfurt/M.: Fischer, 1983: 300-319

8 Winnicott DW. Von der Kinderheilkunde zur Psychoanalyse (wie Anm. 7): 70, 71

9 So treffen in Joseph Conrads Roman Herz der Finsternis menschliches Sinnbedürfnis und eine sinnabweisende ursprüngliche Natur unversöhnlich aufeinander. Man vgl. hierzu die sensiblen Ausführungen von Johann Hinrich Claussen: Flussreise in den Alptraum. Bilder und Zeiten. Beilage zur FAZ vom 22.1.2000: 1,2

10 Winnicott DW. Von der Kinderheilkunde zur Psychoanalyse (wie Anm. 7): 267-299, insbesondere 280, spricht hier vom „Stadium der Besorgnis”. Klein M. Gefühlsleben und Ich-Entwicklung des Säuglings unter besonderer Berücksichtigung der depressiven Position. In: Dieselbe: Gesammelte Schriften, Bd.1 Teil 2. Stuttgart: Fromann-Holzboog, 1996: 267-330, insbes. 288-292, nennt diese Entwicklungsstufe die depressive Position.

11 Zum Zeitpunkt des Auftretens der frühen Störung bei der strukturellen Perversion vgl. Kutter P, Müller T. Psychoanalyse der Psychosen und Persönlichkeitsstörungen. In: Hinz H (Hg.): Wolfgang Loch. Die Krankheitslehre der Psychoanalyse. Stuttgart/Leipzig: Hirzel, 6. Aufl., 1999: 3, 1-287, insbes. 263-268

11 Zu dem hier verwendeten Schema von Traumatisierung, Bewältigungsversuch und anschließenden Entwicklungsbrüchen vgl. das Verlaufsmodell psychischer Traumatisierung mit den ausdifferenzierten Momenten der traumatischen Situation, der traumatischen Reaktion und des traumatischen Prozesses bei Fischer G, Riedesser P. Lehrbuch der Psychotraumatologie. München/Basel: Reinhardt, 1998: 58-119

12 Winnicott DW. Von der Kinderheilkunde zur Psychoanalyse (wie Anm. 7): 72, 73, bezeichnet diese Art der Objektbeziehung als „primitive Erbarmungslosigkeit”. Klein M. Gefühlsleben und Ich-Entwicklung (wie Anm. 10): 315 - 317, spricht von einer paranoid-schizoiden Position, bei der die frühen destruktiven Impulse nicht integriert werden und sich in verfolgender Form gegen den Säugling selbst wenden. Normalerweise wird jedoch diese frühe Destruktivität von der genügend guten Mutter aufgefangen und ausgeglichen. Zur Bedeutung und Reichweite der schizoiden Position vgl. auch Fairbairn WRD. Schizoid Factors in the Personality. In: Psychoanalytic Studies of the Personality. London/New York: Routledge, 1999: 3-27; ferner Guntrip H. The Manic-Depressive Problem in the Light of the Schizoid Process. In: Derselbe: Schizoid Phenomena, Object Relations and the Self. London: The Hogarth Press, 6. Aufl., 1986: 130-164

13 Winnicott DW. Von der Kinderheilkunde zur Psychoanalyse (wie Anm. 7): 75

14 So bei Khan MMR. Entfremdung bei Perversionen. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1989: 11-13

15 Diese Mitteilung findet sich bei Lessing T. Haarmann (wie Anm. 1): 61

16 Berichtet von McDougall J. Theater der Seele. Illusion und Wahrheit auf der Bühne der Psychoanalyse. Stuttgart: Verlag Internationale Psychoanalyse, 2. Aufl., 1994: 284, 285. McDougall schreibt in diesem Zusammenhang ferner, die Bilder, die perverse Patienten von ihren Eltern entwerfen, seien einander so ähnlich, dass man glauben könnte, die Patienten seien alle Mitglieder ein- und derselben Familie.

17 Zu diesen Bildern vgl. die Ausführungen von Shengold L. The effects of overstimulation: rat people. The International Journal of Psychoanalysis 1967; 48: 403-414, hier 403. Die Verwendung dieser Imagines findet sich allenthalben in Geschichte und Literatur. Theodor Lessing gibt seinem Bericht über Haarmann bekanntlich den Untertitel: Die Geschichte eines Werwolfs (vgl. hierzu Anm. 1). Auch Hitlers Vorliebe für alles „Wölfische” (Wolfsschanze etc.) soll als Merkmal einer Perversion zumindest erwähnt werden.

18 Zur Bedeutung und Funktion der Sexualisierung in der Perversion siehe Khan MMR. Entfremdung bei Perversionen (wie Anm. 14): 11-18; Kutter P, Müller T. Psychoanalyse der Psychosen und Persönlichkeitsstörungen (wie Anm. 11): 261 - 268; McDougall J. Theater der Seele (wie Anm. 16): 263 - 283

19 Lessing T. Haarmann (wie Anm. 1): 87, 88, berichtet zum Verhältnis von Haarmann zu Grans, seinem Freund, folgende im behandelten Zusammenhang aufschlussreiche Einzelheit: „Haarmann liebte den Grans und das wußte dieser zu nutzen. Wenn der Alte tobte, so pflegte der Junge ihn um die Hüfte zu nehmen und seine Zunge ihm in den Mund zu stecken; dies erregte den Haarmann so, daß er wachsweich und dem hübschen Jungen zu willen wurde.”

20 Der Traum wird berichtet von Etchegoyen RH. The Fundamentals of Psychoanalytic Technique. Revised Edition.London: Karnac 1999: 190

21 Joseph B. Ein klinischer Beitrag über die Analyse einer Perversion. In: Dieselbe: Psychisches Gleichgewicht und psychische Veränderung. Stuttgart: Klett-Cotta, 1994: 81-104, hier: 100

22 Im gleichen Sinne etwa Chasseguet-Smirgel J. Der Perverse und das Ichideal. In: Dieselbe: Anatomie der menschlichen Perversion. Stuttgart: DVA, 1989: 53-69; Khan MMR. Entfremdung bei Perversionen (wie Anm. 14): 59; McDougall J. Theater der Seele (wie Anm. 16): 284 - 301. Schon Freud schrieb: „Es ist lehrreich, daß das Kind unter dem Einfluß der Verführung polymorph pervers werden, zu allen möglichen Überschreitungen verleitet werden kann.” Siehe Freud S. Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie. In: Derselbe: Gesammelte Werke, 5. Bd. Frankfurt/M.: Fischer, 4. Aufl., 1968: 27-145, hier: 91

23 Zitiert nach Khan MMR. Entfremdung bei Perversionen (wie Anm. 14): 29

24 Vgl. hierzu die Angaben bei Khan MMR. Entfremdung bei Perversionen (wie Anm. 14): 105. Hinweise auch bei Kestenberg J. On the development of maternal feelings in early childhood. The Psychoanalytic Study of the Child 1956; 11: 257-291

25 Zur Entwicklung des Körperbildes bei der Perversion vgl. Greenacre P. Certain relationships between fetishism and faulty development of the body image. The Psychoanalytic Study of the Child 1953; 8: 79-97

26 Man vgl. nur die von Khan MMR. Entfremdung bei Perversionen (wie Anm. 14): 170-196 und 197-252 mitgeteilten Fallgeschichten. Das von Khan hier entwickelte und in seiner Anwendung demonstrierte Konzept des „montierten inneren Objekts” umfaßt als seinen wesentlichen Bestandteil das Introjekt eines mütterlichen Phallus. Bak RC. The phallic woman. The ubiquitous fantasy in perversions. The Psychoanalytic Study of the Child 1968; 23: 15-36, scheint das Bild der phallischen Frau dagegen für eine einseitig-halluzinatorische Produktion des Säuglings zu halten.

27 Kutter P, Müller T. Psychoanalyse der Psychosen und Persönlichkeitsstörungen (wie Anm. 11): 263, 265, sprechen hier wie andere Autoren auch von der „archaischen Matrix des Ödipus-Komplexes”. Vgl. ferner Vogt R. Zur „archaischen Matrix des Ödipus-Komplexes”. Psyche 1990; 44: 915-952

28 Diese Bezeichnung findet sich bei Khan MMR. Entfremdung bei Perversionen (wie Anm. 14): 28

29 Der Bericht findet sich bei Shengold L. The effects of overstimulation: rat people (wie Anm. 17): 408

30 Lessing T. Haarmann (wie Anm. 1): 59

31 Morgenthaler F. Die Stellung der Perversionen in Metapsychologie und Technik. Psyche 1974; 28: 1077-1098, bezeichnet die Perversion als eine Art ‚Plombe‘, die die Lücke des in der narzißtischen Entwicklung gestörten Selbst füllen soll.

32 So meint er im Gespräch mit dem Psychiater Schultze: „Ich sagte dann immer, wenn so was passiert war, ich muß doch ein Mensch mit zwei Seelen sein, wenn ich so was tue, ich bin doch sonst gut.” Zitiert nach Pozsár C, Farin M (Hg.). Die Haarmann-Protokolle (wie Anm. 1): 323

32 Zu den Problemen, die die vertikale Spaltung für die psychoanalytische Theorie und Therapie aufwirft, vgl. Goldberg AJ. Perversion aus der Sicht psychoanalytischer Selbstpsychologie. Psyche 1998; 52: 709-739; ferner Guntrip H. The Manic-Depressive Problem (wie Anm. 12): 130-164, jeweils mit weiteren Nachweisen.

33 Dieser Begriff findet sich bei Khan MMR. Entfremdung bei Perversionen (wie Anm. 14): 9-36, insbes. 14 und 29-31

34 Zur Rolle von Hass und Feindseligkeit in der Perversion vgl. vor allem Stoller RJ. Perversion. Die erotische Form von Haß. Gießen: Psychosozial-Verlag,1998: 125-149

35 Vgl. zum Folgenden besonders Pozsár C, Farin M (Hg.). Die Haarmann-Protokolle (wie Anm. 1): 606-611

36 Zu Haarmanns Unfähigkeit zur Phantasie- und Symbolbildung vgl. Lessing T. Haarmann (wie Anm. 1): 60, 61

37 So bei Pozsár C, Farin M (Hg.). Die Haarmann-Protokolle (wie Anm. 1): 224

38 Siehe hierzu Pozsár C, Farin M (Hg.). Die Haarmann-Protokolle (wie Anm. 1): 267

39 Glasser M. From the analysis of a transvestite. The International Review of Psycho-Analysis 1979; 6: 163-173, hier 164

40 In diesem Sinne m.E. zutreffend Kutter P, Müller T. Psychoanalyse der Psychosen und Persönlichkeitsstörungen (wie Anm. 11): 263, 264

41 Zu diesem Begriff vgl. Chasseguet-Smirgel J. Das analsadistische Universum und die Perversion. In: Dieselbe: Anatomie der menschlichen Perversion. Stuttgart: DVA, 1989: 135-167

42 Joseph B. Ein klinischer Bericht über die Analyse einer Perversion (wie Anm. 21): 82

43 Das berichtet Lessing T. Haarmann(wie Anm. 1): 62, 63

44 Zur Gestalt der phallischen und der ödipalen Problematik bei Perversionen vgl. Bak RC. The phallic woman (wie Anm. 26): besonders 28-36; Becker N, Schorsch E. Die psychoanalytische Theorie sexueller Perversionen. In: Sigusch V (Hg.): Therapie sexueller Störungen. Stuttgart/New York: Thieme, 1980: 159-186, hier: 160-163, jeweils mit weiteren Nachweisen.

45 Lessing T. Haarmann (wie Anm. 1): 59, schildert den Eindruck, den Haarmann auf ihn macht: „Die Stimme, breiig, schleimig und nah am Diskant, erinnert an das Organ alter Frauen. Der ganze Habitus ist ‚androgyn‘. Man möchte sagen: nicht männlich, nicht weiblich, nicht kindlich. Aber männisch, weibisch und kindisch zugleich.”

46 Näher hierzu Khan MMR. Entfremdung bei Perversionen (wie Anm. 14): 9-18. Vgl. ferner McDougall J. Theater der Seele (wie Anm. 16): 284-305

47 Antwort im Rahmen eines persönlichen Gesprächs mit dem Verfasser.

48 Bei Khan MMR. Entfremdung bei Perversionen (wie Anm. 14): 215, 216

49 Man vgl. zur letztgenannten Phantasie den Fallbericht bei Greenacre P. Certain relationships (wie Anm.25): 86-90

50 Zur Rolle des Agierens bei der Perversion Khan MMR. Entfremdung bei Perversionen (wie Anm. 14): 33-37, mit weiteren Nachweisen.

51 Pozsár C, Farin M (Hg.). Die Haarmann-Protokolle (wie Anm. 1): 241

52 Pozsár C, Farin M (Hg.). Die Haarmann-Protokolle (wie Anm. 1): 260

53 Lessing T. Haarmann (wie Anm. 1): 178

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Autor:

Prof. Dr. iur. Hans - Joachim Behrendt

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