psychoneuro 2003; 29(12): 562-566
DOI: 10.1055/s-2003-814704
Schwerpunkt

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Schlaganfalltherapie nach Akutphase und Frührehabilitation

Frank P. Haukamp1
  • 1Neurologische Klinik im Klinikum Minden
Further Information
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Korrespondenzadresse:

Dr. med. Frank P. Haukamp

Leitender Oberarzt der Neurologischen Klinik im Klinikum Minden (Chefarzt Prof. Dr. med. Otto Busse)

Friedrichstr. 17

32427 Minden

Email: frank.haukamp@klinikum-minden.de

Publication History

Publication Date:
05 January 2004 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Schlaganfallerkrankungen führen häufig zum Tode oder zu bleibenden Behinderungen. Durch die zunehmend häufigere Behandlung in neurologischen Akutkliniken, insbesondere auf Schlaganfall-Spezialstationen (sog. Stroke Units) konnten die Letalität und der Behinderungsggrad gesenkt werden. Etwa 700.000 Menschen in Deutschland haben mindestens einen Schlaganfall überlebt und bedürfen einer suffizienten nachsorgenden ambulanten Behandlung. Diese erstreckt sich auf die Sekundärprophylaxe, symptomatische Therapien und die Hilfe bei der psychosozialen Bewältigung. Ebenso wie in der Akutphase bedarf es in der Nachsorge einer Fülle von sich rasch ändernden Spezialkenntnissen, sodass deren Umsetzung am besten von einem Schlaganfallzentrum mit umfassender Versorgungskette koordiniert werden sollte. Der vorliegende Artikel erläutert wesentliche Aspekte dieser Schlaganfallnachsorge. Die aktuellen Reformschritte im deutschen Gesundheitswesen (z.B. „integrierte Versorgung”) können zu verbesserten Rahmenbedingungen für Schlaganfallpatienten führen.

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Summary

Cerebrovascular diseases are an important cause of death and disability. Treatment by an especially trained team in a stroke unit leeds to a clear benefit with lower death rate und better functional outcome. In Germany approximately 700.000 people survived a stroke and need specific ambulatory medical care with secondary prevention, symptomatic treatment and psychosocial support. Similar to the acute stroke management, a lot of special knowledge is necessary for best poststroke care. This article provides the most important aspects of that care. Actual reformatory efforts concerning puplic health in Germany offer the opportunity to improve the conditions for stroke victims.

Die Hinwendung der Neurologie allgemein zur Behandlung von Schlaganfallpatienten in den letzten zehn Jahren hat deren Schicksal in vielfältiger Hinsicht verbessert. Die tatsächliche Öffnung der neurologischen Kliniken für einen wachsenden Anteil an der Gesamtpatientenpopulation ist die entscheidende Voraussetzung für die adäquate Berücksichtigung der zugrunde liegenden Pathophysiologie bei der individuellen Behandlung [12].

„Meilenstein” für die Optimierung der Akutphase war und ist die Einrichtung von Schlaganfall-Spezialstationen (sog. Stroke Units) - ohne spezielle Vorgaben führt allein die allgemeine Stroke Unit-Behandlung zu einer Reduktion der Letalität in den ersten Wochen um über 50 % und auch der Langzeitverlauf über fünf Jahre wird hinsichtlich Behinderungsgrad bzw. Pflegebedürftigkeit deutlich positiv beeinflusst (15). Zudem sind die Stroke Units häufig die Keimzelle eines weitgespannten Netzwerkes für die Patientenversorgung - beispielsweise haben sie dazu beigetragen, dass im Bedarfsfall eine stationäre Rehabilitationsbehandlung wirklich schon nach wenigen Tagen beginnt [2].

Das frührehabilitative Angebotsspektrum ist in den letzten Jahren ständig quantitativ und qualitativ erweitert worden: Neben der „klassischen” stationären Rehabilitation in Kliniken „auf der grünen Wiese” können geeignete Patienten immer häufiger wohnortnah in den Akutkliniken angegliederten oder auch davon unabhängigen Einrichtungen ambulant, teilstationär und/oder vollstationär rehabilitiert werden. Mit Rehabilitation ist hier nicht die Verordnung von Krankengymnastik zweimal pro Woche durch den Hausarzt, sondern eine intensive multiprofessionelle Teambehandlung unter fachärztlicher Leitung gemeint.

Trotz der genannten Fortschritte sind Schlaganfälle nach wie vor der häufigste Grund für eine bleibende Behinderung im Erwachsenenalter und die dritthäufigste Todesursache in den westlichen Industrienationen [6] [11]. Die Inzidenz von etwa 200 pro 100.000 Einwohner und eine Letalität von etwa 30 % im ersten Jahr bedingen die hohe Prävalenz von etwa 900 Erkrankten pro 100.000 Einwohner, wobei 85 % einen ischämischen Hirninfarkt und 15 % eine nicht-traumatische intrakranielle Blutung erlitten haben [1] [17].

Nach Abschluss der Akut- und eventuellen Rehabilitationsbehandlung kehren Schlaganfallbetroffene im Regelfall wieder in ihre häusliche Umgebung zurück oder werden in eine Pflegeinstitution verlegt [9]. Häufig fühlen sich die Patienten und ihre Angehörigen in dieser Situation nicht ausreichend unterstützt und zu sehr auf sich alleine gestellt. In vielen Fällen sollte die aktive Behandlung noch fortgesetzt werden, was aber nur teilweise auch tatsächlich praktiziert wird. Der „Verlassen-sein-Eindruck” der Patienten besteht deshalb leider oft zu recht. Eine aktiv und qualifiziert betriebene Nachsorge von Schlaganfallbetroffenen und ihrer Angehörigen kann hier Abhilfe schaffen.

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Nachsorge: Schlaganfall-therapie nach Akutphase und Frührehabilitation

Die Nachsorge [Tab. 1] erstreckt sich im Wesentlichen auf die Bereiche Sekundärprävention, symptomatische Therapie und Hilfe bei der psychosozialen Bewältigung (inklusive Angehörigenarbeit). In allen Bereichen sind wir noch weit von einer optimalen Versorgung entfernt. Theoretisch erscheint die Überwindung der Defizite am aussichtsreichsten, wenn die Nachsorge von einem multiprofessionellen Team eines Schlaganfallzentrums durchgeführt oder zumindest supervidiert wird. Die aktuellen Reformen des Gesundheitswesens mit „Gesundheitszentren” und „integrierter Versorgung” verbessern diese Möglichkeit durch Überwindung der strikten Trennung von ambulanter bzw. stationärer Medizin. Die dabei zu berücksichtigenden Details sollen im Folgenden exemplarisch dargestellt werden.

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Schlaganfallnachsorge: Sekundärprophylaxe

Bei den intrakraniellen Blutungen erstreckt sich die Sekundärprophylaxe auf eine spezifische Behandlung von evtl. zugrunde liegenden Gefäßmissbildungen und die strenge Einstellung des Blutdruckes (siehe unten), sofern eine hypertone Genese vermutet wird [16].

Die Patienten bzw. deren persönliches Umfeld müssen über das Krankheitsbild und den Sinn sowie die richtige Durchführung der Behandlung umfassend aufgeklärt werden. Die medikamentöse Therapie ist regelmäßig, z.B. im Rahmen der Rezeptierung infrage zu stellen. Dabei sind bei jedem einzelnen Wirkstoff die individuellen Vor- und Nachteile sowie die Compliance neu zu prüfen. Durch eine solche Verordnungspraxis werden die Therapiesicherheit und -qualität deutlich verbessert.

Nach einem ischämischen zerebralen Insult sind grundsätzlich und konsequent alle Möglichkeiten einer positiven Risikofaktoren-Beeinflussung [Tab. 2] in der Prophylaxe und Langzeittherapie auszuschöpfen. An erster Stelle steht oft die Empfehlung und Unterstützung für eine generell „gesündere” Lebensweise (regelmäßige körperliche Betätigung, Gewichtsnormalisierung; fettreduzierte, salzarme, vitaminreiche Ernährung; Nikotinkarenz bei Rauchern (ggf. auch durch Teilnahme an Nikotin-Entwöhnungsprogrammen). Die Anbindung an eine Selbsthilfe- und/oder Sportgruppe kann bei der Umsetzung zusätzlich motivieren helfen [5].

Der Blutdruck sollte bis auf die Fälle mit eingeschränkter zerebrovaskulärer Reservekapazität bei schwerer okkludierender Makroangiopathie unabhängig vom Alter sowohl systolisch als auch diastolisch in den Normalbereich (≤ 140/90 mmHg in Ruhe; bei Diabetikern ≤ 130/85 mmHg) gesenkt werden. Wirkstoffe der ersten Wahl sind je nach Patient ACE-Hemmer, AT2-Antagonisten, Betablocker, Diuretika (vom Thiazidtyp oder Indapamid) und Kalziumantagonisten, häufig ist auch eine Kombination erforderlich. Über die reine Blutdrucksenkung hinaus, kann das Schlaganfallrisiko relativ um bis zu 43 % gesenkt werden [11]. Schon lange ist bekannt, dass es eine lineare Korrelation zwischen der Blutdruckhöhe und dem Rezidivrisiko gibt: Je niedriger der Blutdruck, umso niedriger die Rezidivquote! Die relative Risiko-Reduktion beträgt bei Senkung des diastolischen Blutdruckes um 5 bis 6 mmHg 42 % [3], auch die konsequente Behandlung der isolierten systolischen Hypertonie reduziert die Schlaganfall-Inzidenz um ca. 40 % [14].

Auch der Blutzucker soll im Normalbereich gehalten werden. In der überwiegenden Zahl der Fälle handelt es sich um Typ II-Diabetiker. Hier ist die Gewichtsnormalisierung und die nach Broteinheiten kontrollierte Ernährung vordringlich. Bei den oralen Antidiabetika ist Metformin gerade bei übergewichtigen Patienten der Vorzug gegenüber Sulfonylharnstoffen zu geben [5].

Die Ziele bei der Regulation des Fettstoffwechsels sind: primär LDL-Cholesterin < 100 mg/dl, sekundär HDL-Cholesterin > 35 mg/dl, Triglyzeride < 200 mg/dl. Bei der Nahrungszusammensetzung gelten folgende Empfehlungen: < 30 % Gesamt-Fettanteil, < 7 % gesättigte Fette, < 200 mg/Tag Cholesterin-Zufuhr.

Bei der medikamentösen Therapie stehen die HMG-CoA-Reduktase-Hemmer („Statine”) an erster Stelle [5]. Über die positiven Effekte auf die Lipid-Zusammensetzung (Zunahme von HDL, Abnahme von LDL) hinaus zeigte sich eine Reduktion des Schlaganfall-Risikos um relativ ca. 20 bis 30 % unter Simvastatin, welche in erster Linie der Hochregulation der endothelialen Stickstoffmonoxid-Synthase zugeschrieben wird [4]. Weitere biologisch günstige Eigenschaften der Statine sind plaquestabilisierende und antithrombotische (Reduktion des Gewebsaktivators der plasmatischen Gerinnung, Verstärkung der Fibrinolyse, Thrombozytenaggregationshemmung) Effekte.

Im Rahmen der Sekundärprävention sollten Patienten mit zugrunde liegender Mikro- oder Makroangiopathie, bei denen eine Hyperhomozysteinämie vorliegt hinsichtlich eines Vitaminmangels (Folsäure, Vitamin B12 und B6) untersucht werden. Die eventuell notwendige Behandlung erfolgt isoliert oder kombiniert mit 0,4 mg Folsäure, 2 mg Vitamin B6 und 0,006 mg Vitamin B12 (Tagesdosen). Eine Homozystein-Spiegel-Kontrolle ist nach vier bis sechs Wochen sinnvoll [18].

Die antithrombotische Sekundärprävention wird nahezu immer im Rahmen der Akut- bzw. Rehabilitationsbehandlung begonnen, muss aber häufig im Verlauf modifiziert werden. Es kommen Thrombozytenfunktionshemmer oder Antikoagulanzien zum Einsatz, die Details sind in [Tab. 3] und [Tab. 4] festgehalten - in Einzelfällen wird bei besonders hohem Rezidivrisiko kombiniert behandelt [Tab. 5]. Letzteres sollte in Spezialambulanzen, wie eine Ultraschallambulanz für Patienten mit Makroangiopathie oder eine Antikoagulanzien-Ambulanz zur regelmäßigen Indikationsüberprüfung und Festlegung der Behandlungsintensität, gesteuert werden [11].

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Schlaganfallnachsorge: symptomatische Behandlung

Durch eine engagierte symptomatische Therapie kann vielen Schlaganfallpatienten und den eventuell pflegenden Angehörigen bzw. „Pflegeprofis” im Langzeitverlauf wesentlich geholfen werden. Neben einer medikamentösen Behandlung (z.B. mit Antispastika, Antidepressiva, Antiepileptika, Analgetika etc. - siehe [Tab. 6]), für welche regelhaft neurologisches Facharztwissen benötigt wird, haben insbesondere krankengymnastische, ergotherapeutische und logopädische Therapien eine große Bedeutung. Auf gar keinen Fall sollte davon ausgegangen werden, dass die genannten Therapien nach Durchführung einer stationären Rehabilitationsbehandlung „nicht mehr nötig” sind. Von ganz besonderer Bedeutung ist das in 25 bis 40 % aller Patienten zu beobachtende Auftreten einer Depression [8], welche zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Rehabilitationserfolges und der Lebensqualität führen kann. Risikofaktoren für das Auftreten einer Depression [Tab. 7] sind weibliches Geschlecht, Alter > 70 Jahre, ein hoher Behinderungsgrad durch die Folgen des Schlaganfalls und das Leben in einem „Ein-Personen-Haushalt” [10]. Therapeutisch sind Antidepressiva, wegen ihres günstigen Nebenwirkungsprofils vor allem selektive Serotoninwiederaufnahme-Hemmer (z.B. Citalopram), meist wirksam - daneben ist vor allem eine suffiziente psychosoziale Unterstützung notwendig, und sogar primärprophylatisch-antidepressiv wirksam. Die Depression des Patienten fördert eine ebensolche bei unmittelbaren Betreuungspersonen, welcher gezielte Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte.

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Schlaganfallnachsorge: psychosoziale Betreuung

Die Lebensqualität nach einem Schlaganfall kann durch Bestimmung des psychologischen Zustandes sowie der Teilnahme an sozialen Aktivitäten abgeschätzt werden. Sie ist im Regelfall gegenüber dem prämorbiden Zustand nach erlittenem Schlaganfall deutlich reduziert, auch wenn die Betroffenen ihren Alltag wieder selbstständig bewältigen können. Neben fokalen neurologischen Defiziten spielen hirnorganische Veränderungen, insbesondere depressive Verstimmungen, im Langzeitverlauf eine zunehmend bedeutsame Rolle.

Sofern die Betroffenen pflegebedürftig sind, werden sie meistens von ihren Ehepartnern oder Töchtern betreut, bei welchen dann im Regelfall ebenfalls eine bedeutsame Reduktion der Lebensqualität nachzuweisen ist [7].

Bei vorhandener aktiver Langzeitunterstützung der Betroffenen und ihrer Betreuungspersonen mittels professionellen Pflegekräften, bedarfsorientierter Sprach- und Physiotherapie und Selbsthilfegruppen ließ sich eine signifikante Reduktion der Häufigkeit und Schwere von depressiven Verstimmungen nachweisen. Ein Jahr nach dem Schlaganfall sind aber auch mit aktiver Langzeitunterstützung noch bei etwa 40 % der Betroffenen und ihrer Betreuungspersonen Depressionen nachweisbar.

Die effektivste Hilfe bei der psychosozialen Krankheitsbewältigung ist die „Hilfe zur Selbsthilfe” in Selbsthilfegruppen. Die sozialen Aspekte, insbesondere das „Wir-Gefühl” in der Gruppe und die solidarische Hilfe untereinander, stehen dabei ganz im Vordergrund. Den positiven Einfluss dieser Form der Nachsorge auf das Wohlbefinden der Betroffenen und ihrer Angehörigen sichtbar zu machen, ist im Einzelfall schwierig. Bei der Gruppengestaltung hat es sich als sinnvoll erwiesen, den unterschiedlichen Anliegen von Schlaganfallbetroffenen mit leichteren und schwereren Behinderungen Rechnung zu tragen, dabei aber die Gesamtgruppe nicht zu sehr auseinander zu dividieren. Auch den Angehörigen sollte eine eigene Gruppe zur Verfügung stehen, wo sie sich „frei” austauschen können. Die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe führte eine Befragung bei 110 registrierten Gruppen durch (13). Die Gruppen hatten eine Durchschnittsgröße von 28 Mitgliedern, etwa gleich viel Männer wie Frauen, zwei Drittel hatten selber einen Schlaganfall erlitten, ein Viertel waren Angehörige, die Übrigen „Professionelle”. Das Durchschnittsalter lag bei 53 Jahren, die Treffen fanden in der Regel einmal monatlich für eineinhalb bis zwei Stunden statt. Unterstützung erhielten ca. 80 %, z.B durch Krankenkassen (48 %), die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe (44 %), Kontakt- und Informationsstellen (42 %) und Einzelpersonen (40 %). Insgesamt gibt es in der BRD viel zu wenige Gruppen, oft sind die Anfahrtswege zu lang.

Eine noch in den Kinderschuhen steckende Möglichkeit der Nachsorge ist die Etablierung einer Sportgruppe, wie es auf kardiologischem Sektor bereits als Standard angesehen wird. Sport, welcher weniger die Leistung als das Spiel betont, kann unter Anleitung von auch pädagogisch-psychologisch geschulten Sporttherapeuten die Mobilität, das seelische Wohlbefinden und einen aktiven Lebensstil fördern. Eine enge Kommunikation zwischen Sportgruppe und Akut- bzw. Rehabilitationsklinik ist notwendig, insbesondere um die tatsächlichen Belastungen individuell anzupassen und etwaige körperliche Beschwerden während des Sports im Kontext richtig einzuordnen. Die vorhandenen Organisations- und Informationsstrukturen sind allerdings in Bezug auf die Sporttherapie noch stark unterentwickelt.

Tab. 1 Nachsorge: Behandlung nach Akutphase und Frührehabilitation
  • Sekundärprävention

  • Symptomatische Therapie

  • Hilfe bei der psychosozialen Bewältigung

Tab. 2 Risikofaktoren-Management (nach [5])
  • Hypertonie: systolisch < 140, diastolisch < 90 mmHg in Ruhe bei Diabetikern < 130/85 mmHg

  • Diabetes: nü BZ < 126 mg/dl (7,0 mmol/dl), normales HbA1c

  • Hyperlipidämie: Diät und/oder medikamentöse Therapie Ziel: LDL-Cholesterin < 100 mg/dl

  • Rauchen beenden!, ggf. professionelle Entwöhnung

  • Körperliche Aktivität: 30-60 min ≥ 3x per Woche

  • Alkohol: max. 2 „drinks”oder 1 Glas Wein oder 1 Fl. Bier/Tag

  • Übergewicht: Diät + Bewegung, Ziel < 120 % des Idealgewichtes

  • Hyperhomozysteinämie: (Multivitamin-präparate, Mindesttagesdosen) 0,4 mg Folsäure, 2 mg Vitamin B6 und 0,006 mg Vitamin B12

Tab. 3 Sekundärprophylaxe: Antikoagulation mit Cumarinderivaten

INR[1]-Zielbereich

Kardiale Emboliequellen mit hohem Embolie-Risiko (z.B. akuter Vorderwandinfarkt, mechanischer Klappenersatz, Vorhofflimmern bei Mitralstenose u./o. mit Thromben im linken Vorhof)

3-4

Chronisches Vorhofflimmern (Alter > 60 J., oder "Risikofaktoren" [2]) andere kardiale Emboliequellen mit nicht-hohem Embolie-Risiko

2-3

Gerinnungsstörungen (z.B. Protein S-, Protein C-Mangel)

2-3

Okkludierende Atherosklerose der großen Arterien intra- oder extrakraniell, Einzelfälle [3]

2-3

Kontraindikationen gegen oder Rezidive unter Thrombozyten-funktionshemmern bei nicht kardiogen-embolischen Hirninfarkten

2-3

Dissektionen [4]

2-3

Hirnvenen-/Sinusthrombose 4

2-3 [4]

1 INR = international normalized ratio

2 arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, KHK, AVK, Herzinsuffizienz

3 ggf. plus TFH, Indikation anfangs alle 3 Monate überprüfen

4 bis zur sicheren Stabilisierung der Kollateralisierung bzw. Organisation des Wandhämatoms/der Thrombose

Tab. 4 Sekundärprophylaxe mit Thrombozytenfunktionshemmern

Wirkstoff

Auswahlkriterien

Einleitung Dosierung/Tag

Wichtige Nebenwirkungen

Azetylsalizylsäure (ASS)

Wirkstoff der 1. Wahl bei nicht-kardialer Genese 2. Wahl bei kardialen Embolien

Initialdosis ≥ 100 bis 500 mg Dauertherapie: 100 (50-325) mg

Magenschmerzen (gastrointestinale) Blutungen Überempfindlichkeitsreaktionen

Dipyridamol

In Kombination mit ASS stärker wirksam als ASS allein

2x 200 mg retard (in Kombination mit 2x 25 mg ASS2)

Kopfschmerzen übrige wie ASS (s.o.)

Clopidogrel (C), Ticlopidin (T)*

ASS-Unverträglichkeit Rezidive unter ASS bei zusätzlicher AVK, KHK

1x 75 mg (C)

2x 250 mg (T)

Wirkmaximum nach 3-8 Tagen

Blutungen, Durchfall, Nausea

Neutrozytopenie (bei T häufiger als bei C)

1 Clopidogrel ist das nebenwirkungsärmere Thienopyridin-Derivat. Eine Umstellung von Ticlopidin auf Clopidogrel ist bei gut verträglicher Dauertherapie aber nicht indiziert.

2 fixe Kombination ASS + Dipyramidol (Aggrenox®)

Tab. 5 Sekundärprophylaxe: antithrombotische Kombinationstherapie

Primäre Sekundärprophylaxe

zusätzlicher Wirkstoff

A. Phenprocoumon

B. Azetylsalizylsäure, bei ASS-Unverträglichkeit Clopidogrel (Ticlopidin)

A. Thrombozytenfunktions-hemmer (TFH) ASS

  • atherothrombotische Genese

    • B.1. Dipyridamol

    • B.2. Clopidogrel

    • B.3. Phenprocoumon INR 2 bis 3

  • rezidivierende Embolien

    • B.1. Phenprocoumon INR 2 bis 3

    • B.2. zweiter TFH

Tab. 6 Schlaganfallnachsorge: symptomatische Therapie

Symptome

Therapieoptionen (z.T. „off label”)

Symptomatische epileptische Anfälle

Medikation prüfen, z.B. cave Theophyllin Antiepileptika:

  1. Wahl Carbamazepin (Oxcarbazepin)

  2. wenig Interaktionen, gut verträglich: Gabapentin, Levetiracetam

  3. bei Therapieresistenz z.B. Phenobarbital zur Nacht

Antriebsstörung

Geregelte Schlaf-Wach-Phasen

Ergotherapie/Neuropsychologie

Amantadin, Citalopram, Modafinil

Depression

Selbsthilfegruppe, psychosoziale Hilfen

evtl. gezielte Angehörigenunterstützung

evtl. Psychotherapie

Antidepressiva: 1. Wahl (wg. Verträglichkeit) Serotonin- Reuptake-hemmer, z.B. Citalopram

Spastik

Krankengymnastik

Antispastika: Baclofen, Tizanidin, Dantrolen, evtl. Botulinumtoxin

Demenz

psychosoziale Hilfen, gezielte Angehörigenunterstützung

Ergotherapie/Neuropsychologie

Antidementiva: Memantine, zentrale Cholinesterasehemmer

Schmerzen

Meist sekundär muskuloskelettal: physikalische Maßnahmen, Krankengymnastik, Analgetika

Selten primär zentral: Anafranil, Antiepileptika, zentrale Analgetika, TENS

Aphasie

Logopädie Selbsthilfegruppe, evtl. gezielte Angehörigen-unterstützung

Ataxie, senso-motorische Defizite

Krankengymnastik, Ergotherapie bei Paresen evtl. Versuch mit L-Dopa

Tab. 7 Risikofaktoren für eine Depression nach Schlaganfall (nach [10])
  • Weibliches Geschlecht

  • Alter > 70 Jahre

  • Hoher Behinderungsgrad durch die Folgen des Schlaganfalls

  • Leben im „Ein-Personen-Haushalt”

  • Depression des Patienten und engster Betreuungspersonen fördert sich gegenseitig

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Literatur

  • 1 Bonita R. Epidemiology of stroke.  Lancet. 1992;  339 342-344
  • 2 Busch E, Diener HC. Schlaganfallversorgung - mit Netzwerken auf innovativen Wegen.  Dtsch Arztebl. 2003;  100 2567-2569
  • 3 Collins R, Peto R, MacMahon S. et al. . Blood pressure, stroke and coronary heart disease. Part 2, short term reductions in blood pressure: overview of randomized drug trials in their epidemiological context.  Lancet. 1990;  335 827-838
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  • 5 Goldstein LB, Adams R, Becker K. et al. . (Stroke Council of the American Heart Association). Primary Prevention of Ischemic Stroke.  Circulation. 2001;  103 163-182
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  • 7 Hackl M, Holzner B, Günther V, Saltuari L. Pflege von Schlaganfallpatienten durch Angehörige - soziale Unterstützung und Bewältigungsstrategien.  Dtsch Med Wschr. 1997;  122 669-675
  • 8 Huff W, Steckel R, Sitzer M. „Poststroke Depression - Epidemiologie, Risikofaktoren und Auswirkungen auf den Verlauf des Schlaganfalls.  Nervenarzt. 2003;  74 104-114
  • 9 Kommision „Stroke Units” der Deutschen Gesellschaft für Neurologie . Empfehlungen für die Einrichtung von Schlaganfallspezialstationen.  Nervenarzt. 1998;  69 180-185
  • 10 Kotila M, Numminen H, Waltimo O, Kaste M. Depression after stroke.  Stroke. 1998;  29 368-372
  • 11 Diener HC, Ringelstein EB, Hacke W, Hamann GF, Hennerici M, Busse O, Bode D, Allenberg G. Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (2002) Expertengruppe . Primäre und sekundäre Prävention des Schlaganfalls.  www.dgn.org.
  • 12 Lopez-Yunez A. The Management of Stroke Patients by Neurologists: Common Questions and New Observations.  Seminars in Neurology. 2002;  22 53-61
  • 13 Stiftung Deutsche Schlaganfall-Stiftung . Selbsthilfegruppen-Befragung 1996. Interne Mitteilung.  www.schlaganfall-hilfe.de.
  • 14 Straessen JA, Fagard R, Thijs L. et al. . (Systolic Hypertension in Europe-Studie). Randomisierte Doppelblind-Vergleichsstudie von einer Plazebo- und Wirkstoffbehandlung bei älteren Patienten mit isolierter systolischer Hypertonie.  Lancet. 1997;  350 757-764
  • 15 Stroke Unit Triallist' Collaboration . How do Stroke Units improve patients outcomes?.  Stroke. 1997;  28 2139-2144
  • 16 Warlow CP, Dennis MS, van Gijn J. et al. . Stroke. A practical guide to management.  London, Blackwell Science. 2001; 
  • 17 Weimar C, Diener HC. Diagnose und Therapie der Schlaganfallbehandlung in Deutschland.  Dtsch Arztebl. 2003;  100 2576-2582
  • 18 Weiss N, Pietrzik K, Keller C. Atheroskleroserisikofaktor Hyperhomocyst(e)inämie: Ursachen und Konsequenzen.  Dtsch med Wschr. 1999;  124 1107-1113
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Dr. med. Frank P. Haukamp

Leitender Oberarzt der Neurologischen Klinik im Klinikum Minden (Chefarzt Prof. Dr. med. Otto Busse)

Friedrichstr. 17

32427 Minden

Email: frank.haukamp@klinikum-minden.de

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Leitender Oberarzt der Neurologischen Klinik im Klinikum Minden (Chefarzt Prof. Dr. med. Otto Busse)

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