PiD - Psychotherapie im Dialog 2004; 5(2): 163-170
DOI: 10.1055/s-2003-814961
Aus der Praxis
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Der beziehungsorientierte Ansatz zur Behandlung von Inzest[1]

Peter  Fraenkel
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Publication Date:
28 May 2004 (online)

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Abstract

Es wird der systemische Ansatz zur Behandlung von Inzest auf familientherapeutischer Grundlage beschrieben. Dem Ansatz zufolge ist die wesentliche und unvermeidliche Auswirkung von Inzest die Traumatisierung von Familienverhältnissen. Der systemische Ansatz versucht daher, diese Verhältnisse zu klären, indem er die Beziehungen, die das missbrauchte Kind unterstützen, stärkt und das Kind vor weiterem möglichen Missbrauch schützt. Der Ansatz verbindet Ideen und Praktiken des sozialen Konstruktivismus, des Feminismus und des familiensystemischen Denkens und stützt sich auf eine multimodale Herangehensweise (Familienbehandlung, Zweier-, Einzel- und manchmal Gruppenbehandlung). Eine kurze Fallgeschichte wird dargestellt, um die Arbeit mit einem jugendlichen Täter im Kontext seiner Familie herauszustellen.

1 Übersetzt von Angela Breitenbach, Berlin, und Jochen Schweitzer. Anmerkung der Herausgeber zur Übersetzung: Wir haben den englischen Ausdruck „offending family member” im Deutschen in diesem Text in der Regel mit „Täter” übersetzt und „non-offending family members” mit „nicht tatbeteiligte Familienmitglieder”. Das widerspricht dem Konzept des Autors, der lieber von „einer Person, die eine Tat begangen hat” spricht als von einem „Täter”. „Offending family member” betont, dass das Begangenhaben der Tat nicht die gesamte Person charakterisiert - dass sie z. B. nicht nur Vergewaltiger oder inzestuöse Handlungen ausführender „Täter”, sondern in anderen Kontexten auch eine sympathische und von ihren Angehörigen zu Recht geschätzte Person sein kann. „Non-offending family members” umfasst alle Familienmitglieder außer dem Täter, potenziell also auch das Opfer, das hiervon nicht abgehoben wird. Insofern ist es falsch, das Opfer in der deutschen Übersetzung den „nicht tatbeteiligten Familienmitgliedern” zuzurechnen. Es wäre aber schrecklich holprig gewesen, die englischen Ausdrücke unübersetzt zu belassen. Wo aber im Text besonders die Eigenschaft des Täters angesprochen war, auch Familienmitglied zu sein, haben wir andere Übersetzungen gewählt. So macht dieses Übersetzungsproblem ganz im Sinne des von Peter Fraenkel erwähnten narrativen Ansatzes deutlich, wie viele ideologische Implikationen in scheinbar „klaren” Worten stecken können.