Um es vorwegzunehmen, es sind mehr als 14 Nothelfer, die von denen um Hilfe angerufen
werden können, die an einer Hauterkrankung, genauer: an einer auf der Haut sichtbaren
Erkrankung, leiden. Unter den populären Heiligen, die in Vierzehnheiligen verehrt
werden (der Bau von Balthasar Neumann wurde 1772 geweiht), ist jedoch keiner, der
sich ganz besonders der Hautkranken annimmt.
Die Hauterkrankung, die eine der ältesten Darstellungen in der kunstgeschichtlichen
Überlieferung gefunden hat, ist Lepra und, in diesem Zusammenhang ebenfalls zu nennen,
die Pest. Sichtbare Unterschiede zwischen den Krankheitsbildern sind nicht nur in
den frühen Darstellungen nicht auszumachen. „Aussatz” ist die umfassende Bezeichnung,
was immer im Einzelnen darunter verstanden wurde. Mit dieser Wortwahl ist allerdings
nicht nur die Krankheit, sondern auch die soziale Ausgrenzung umschrieben. Hiob, das
alttestamentarische Sinnbild allen Elends und aller Aussätzigen, sagt von sich (Hiob
30, 28 - 30, zitiert nach der lutherischen Übersetzung): „Ich gehe schwarz einher,
und brennt mich doch die Sonne nicht ... Ich bin ein Bruder der Schakale und ein Geselle
der Strauße. Meine Haut über mir ist schwarz geworden”.[1]
In der frühchristlichen Zeit wurden jedoch öfter Berichte des Neuen als des Alten
Testaments dargestellt. Die Wunder Jesu gehörten zu den ausgesuchten Themen, insbesondere
die Heilung der Blinden und der Lahmen. Die Heilung vom Aussatz fand seltener eine
Darstellung. Immerhin taucht sie einmal in der unter strenger theologischer Kontrolle
stehenden Katakombenmalerei (Nunziatella-Katakombe) auf, ist aber in einem recht schlechten
Zustand erhalten.
Die unheilbare Krankheit blieb in Darstellungen aller Jahrhunderte in allen Medien
präsent, ob in der Buchmalerei oder im Kunstgewerbe. Auf einem Elfenbeindiptychon
versucht der Künstler, die Krankheit „genauer” darzustellen und stanzt dazu die Aussatz/Lepra-Flecken
aus der Elfenbeintafel heraus (Abb. [1]).
Abb. 1 Elfenbeinrelief, 9. Jh. (?); Schiller, Bd. 1, Abb. 531.
Das verblüffende Wunder der Heilung ist in der Buchmalerei des 1185 vollendeten „Hortus
deliciarum” (als Autorin gilt Herrad von Landsberg) dargestellt: Wie in 3. Mose 14
gefordert wird ein Vogel geopfert, sein Blut mit Wasser gemengt und dies (hier von
Christus) dem Kranken aufgetragen. Ein Vogel fliegt mit den Lepra-Flecken davon (Abb.
[2 a, b]).
Abb. 2 a und b Rosalie Green (Hrsg), Herrad of Hohenbourg, Hortus Deliciarum, London Warburg Institute
1979, Bd. 2, S. 403.
Im Pisaner Campo Santo findet sich eine der ersten realistischen Darstellungen eines
Lepra-Kranken. Auf den großen Wänden des Innenhofs waren neben Darstellungen zum „Jüngsten
Gericht” und der „Hölle” auch ein sehr großes Fresko „Triumph des Todes” zu Beginn
des 14. Jahrhunderts in Auftrag gegeben worden, also zu einer Zeit, als die ersten
großen Pestepidemien in Italien um sich griffen. Dieses Fresko läßt sich, so Belting[2], als Darstellung der Todesmacht beschreiben, die alle weltliche Hoffnung zunichte
macht. Das wird besonders in dem hier gezeigten Bildausschnitt deutlich: der Lahme,
der Bettler und der verkrüppelte Lepra-Kranke flehen vergebens den Tod um Erlösung
an (Abb. [3]).
Abb. 3 Meiss, Millard. An Illuminated Inferno and Trecent Painting in Pisa, in: Art Bulletin
47, 1965, S. 31
Die Zahl der Heiligen, die bei Hautkrankheiten - sofern man darunter so unspezifisch
wie möglich alle Arten von sichtbaren Hautleiden versteht - angerufen werden können,
ist sehr groß. Mehr als vierzig Heiligen wird ein Patronat bei der Pest zugeschrieben,
eine Zahl, die um Lokalheilige noch erheblich zu vermehren wäre.
Zu den früh verehrten Märtyrern gehört Sebastian, der wahrscheinlich um 288 in Rom
starb. Da er an seinem Glauben festhielt, ließ ihn (nach der Legenda Aurea[3]) Kaiser Diokletian an einen Baum binden und durch Bogenschützen erschießen. Solche
Pfeile als „Pestpfeile” zu deuten, entsprach alter Tradition. Homer beginnt die Ilias
mit der Erzählung, dass Apollo seinen von den Griechen nicht geachteten Priester rächt:
Er beschießt mit seinen Pfeilen zunächst das Vieh, dann die Griechen selbst, worauf
ein großes Peststerben bei ihnen beginnt.[4] Sebastian wurde bereits in der „Depositio martyrum”, einem „Heiligenkalender” des
Jahres 354, genannt. Die in Rom und Pavia 680 ausgebrochene Pest („ein großes Sterben”)
erlosch erst, nachdem „einem guten Menschen von Gott kund getan” worden war, dass
die Reliquien des heiligen Sebastian von Rom nach Pavia zu überführen seien und ihm
dort eine Kirche gewidmet werden sollte.
Zahlreiche Legenden sind zum Leben des Bischofs Silvester überliefert (gest. 31. Dezember
335). Noch unter Diokletian zum Priester geweiht (284) wurde er ein Jahr, nachdem
Kaiser Konstantin das Christentum zur Staatsreligion erklärt hatte, Bischof von Rom.
Die „Konstantinische Schenkung” ist mit seinem Namen verknüpft. Einer späten Legende
nach soll er Kaiser Konstantin vom Aussatz geheilt haben - „Aussätzige” erflehten
deshalb Hilfe von ihm.
Beim Auftreten von Hautkrankheiten aller Art, Lepra, Pest, Syphilis, Tierseuchen u.
a. m., wurde der in Ägypten lebende Antonius d. Gr. (geb. um 250, gest. um 356) angerufen.
Als junger Mann hatte er seinen Besitz verkauft und zog sich in die Einöde zurück.
Es erschienen ihm böse Geister und „mancherlei greulicher Tiere Gestalt und zerzerrten
ihn ... mit ihren Hörnern und Zähnen und Krallen gar jämmerlich” (Legenda Aurea).
Doch er widerstand allen Versuchungen und Plagen. Obgleich Antonius sich immer wieder
in die Einsamkeit zurückzog, besaß er bereits zu Lebzeiten einen großen Einfluss.
Er wurde früh verehrt, im Osten als vorbildlicher Eremit, im Westen als „Wundertäter
und Krankheitspatron”. Hier sei verwiesen auf Boschs Gemälde (Lissabon) und Grunewalds
Isenheimer Altar, beides Belege für die häufige Darstellung des heiligen Antonius
im 16./17. Jahrhundert.
Vor allem in Frankreich wurde Markulf (Marcon) von Nauteuil (geb. 490 in Bayeux, gest.
1. Mai 558 in Nanteuil) verehrt. Beim Einfall der Normannen 906 wurden seine Reliquien
in die Nähe von Reims (Corbény) überführt. Diesen Ort suchten die französischen Könige
nach ihrer Krönung auf und wurden dabei durch Marculf mit der Gnade ausgestattet,
selbst Skrofulöse zu heilen (Abb. [4]). Sigmund Freud berichtet spöttisch über ähnliche Heilungen der englischen Könige
Karl I. (1625 - 1648) und Karl II. (1660 - 1685).[5]
Abb. 4 Michel Bouillon, Der heilige Markulf und ein französischer König (2. Hälfte 17. Jht,
Église Saint-Brise, Tournai), in : Marc Bloch, Les Rois Thaumaturges, Straßburg 1924,
S. 287.
Über das Leben des heiligen Fiakrius (geb. um 610 in Irland, gest. am 18. August 670
in Meaux, Frkr.) ist sehr wenig bekannt. Er musste aus Irland fliehen, lebte als Einsiedler
in Frankreich und legte um seine Behausung einen Garten mit sehr vielen Heilpflanzen
an. Erst um 1170 erscheint sein Namen in irischen Martyrologien, etwa seit 1500 wird
er im Elsaß verehrt. Ihm sind verschiedenste Patronate zugeschrieben: Gärtner, Blumenhändler,
Notare und Hautkranke. Sebastian Brant empfahl ihn in seinem „Heiligenleben”: den,
„der in eret jnniclich”, er „wöl behüten vor der schweren kranckheit der blatern und
wartzen, die leider zu dieser Zeit fast regierent”[6] (Abb. [5]). Genauso wie er im 16. Jahrhundert um Hilfe bei der um sich greifenden neuen Krankheit
Syphilis angerufen wurde, so sollen sich nun die von AIDS Betroffenen an ihn wenden.
Abb. 5 Holzskulptur des heiligen Fiakrius (Württembergisches Landesmuseum), John L. Flood,
S. 199.
Schon durch seinen Lebenslauf ist Rochus von Montpellier (geb. um 1295 in Montpellier,
dort auch am 16. August 1327 gestorben) für ein Patronat prädestiniert. Der Legende
nach unternahm er eine Pilgerfahrt nach Rom. Unterwegs half er Pestkranken und wurde
auf der Rückreise selbst krank. Da er wegen seiner Armut keine Unterkunft fand, zog
er sich in die Einsamkeit zurück, nur ein Hund brachte ihm Brot. Durch ein Wunder
wurde er geheilt. Auf Gemälden wird er oft mit einem Pestausschlag dargestellt. Seuchen,
Cholera und natürlich Pest fallen unter sein Patronat. Wiederholt wird er zusammen
mit Sebastian dargestellt (Abb. [6]).
Abb. 6 Quinten Massys (1465/66 - 1530), Flügelaltar. Alte Pinakothek München, Erläuterungen
zu den ausgestellten Werken, München 1983, S. 311.
In dieser kurzen Übersicht soll noch auf zwei später lebende, heilig gesprochene Männer
verwiesen werden:
Als in Mailand 1576/1578 wiederum die Pest ausbrach, setzte sich Karl (Carlo) Borromäus
(geb. 2. Oktober 1538 in Arona, gest. 3. November 1584 in Mailand) tatkäftig für die
Kranken seiner Diözese ein. Als Sohn einer hochadeligen Familie studierte er zunächst
Jura (in Pavia), bis ihn sein Onkel Papst Pius IV. nach Rom rief. Dort begann er mit
dem Theologiestudium, wurde Erzbischof von Mailand und Kardinal. Seine familiären
Beziehungen nutzte er zu Kirchenreformen, sein Lebenswandel galt als vorbildlich.
Er starb wahrscheinlich an der Pest. 28 Jahre nach seinem Tod wurde er selig, 1610
von Papst Paul V. heilig gesprochen.
Eine ähnliche vita ist von seinem Schüler Aloisius (Luigi) von Gonzaga (geb. am 9.
März 1568 in Mantua, gest. am 21. Juni 1591 in Rom) überliefert. Als Erbprinz geboren
trat er gegen den Willen seines Vaters in den Jesuitenorden ein. Er widmete sich in
Rom theologischen Studien, vor allem aber setzte er sich für die Pflege Pestkranker
ein. Auch er steckte sich an und starb. Paul V. sprach ihn ebenfalls selig, 1726 wurde
er heilig gesprochen.
Borromäus und Aloisius von Gonzaga sind oft zusammen dargestellt. Sie gelten als Schutzheilige
für Pestkranke, der als überaus keusch beschriebene Aloisius auch als Patron der studierenden
Jugend. Neuerdings wird beiden ein Patronat für AIDS-Kranke zugeschrieben.[7]