Kernaussagen
Anaphylaxie ist eine schwerwiegende systemische Hypersensitivitäts-Reaktion mit potenziell tödlichem Verlauf. Eine allgemein akzeptierte klinische Definition fehlt. Allergische Formen (unter Vermittelung von IgE) und nicht-allergische Formen (keine Ag-Ak-Komplexe nachweisbar) sind möglich. Beide Pathomechanismen führen zum gleichen klinischen Krankheitsbild, das als „Anaphylaxie“ bezeichnet wird.
Periphere Vasodilatation, gesteigerte Kapillarpermeabilität und verstärkte Schleimhautsekretion führen zu Bronchospasmus und Larynxödem, Hypotension und Tachykardie, gastrointestinalen und kutanen Symptomen.
Klinischer Verlauf
In der Regel bilden sich die typischen Symptome innerhalb von 30 bis 60 min nach Allergen-Exposition aus. Deutlich schnellere und deutlich langsamere Verläufe sind möglich. Das Ausmaß einer vorangegangenen Reaktion hat keinerlei Vorhersagekraft für den Ablauf weiterer Episoden [[17]].
Nach der Ausprägung der beschriebenen klinischen Symptome hat sich eine Einteilung in vier Stadien etabliert.
Typische Auslöser sind Insektengifte, Nahrungsmittel, Medikamente, Natur-Latex und eine Reihe weiterer Substanzen. Physische und psychische Anstrengung können anaphylaktische Reaktionen begünstigen oder auch selbst auslösen.
Häufigkeit
Bis zu 5 % der Bevölkerung zeigen systemische allergische Reaktionen auf Insektengifte, 2 - 3 % haben eine Nahrungsmittelallergie ausgebildet. Schwerwiegende Verläufe werden mit 1 - 30 Fällen pro 100 000 Einwohnern und Jahr angegeben. Davon dürfte etwa 1 % tödlich sein. Der vorherrschende Auslöser ist je nach Untersuchung unterschiedlich.
Therapie
Nicht-medikamentös
Entfernung des Allergens; Lagerung nach den Bedürfnissen des Patienten; Gabe von Sauerstoff (möglichst über Maske mit der Möglichkeit für die Vernebelung von Adrenalin); ggf. frühzeitige Intubation; Anlage großlumiger Venenzugänge; intraossären Zugang erwägen.
Medikamentös
Die Therapie orientiert sich an der klinischen Symptomatik der jeweiligen Organsysteme. Im Stadium 1 erfolgt eine Basistherapie mit Histamin-Antagonisten und Kortikosteroiden. In den Stadien 2 und 3 steht die Behandlung von intravasalem Volumenmangel und bronchialer Obstruktion im Mittelpunkt.
Der Volumenmangel wird zunächst mit Vollelektrolyten (Stadium 2), dann mit HAES (ab Stadium 3) behandelt. Als Vasopressor wird in erster Linie Adrenalin eingesetzt. Mit einer verminderten Wirksamkeit von Adrenalin ist bei einer vorbestehenden Dauermedikation mit Betablockern zu rechnen. Bei Adrenalin-Versagen können Vasopressin oder Glucagon Alternativen sein.
Die bronchiale Spastik wird mit Beta-2-Mimetika oder mit Adrenalin therapiert, zunächst inhalativ, später i. m. oder i. v.
Im Stadium 4 wird zusätzlich die kardiopulmonale Reanimation durchgeführt, unter gleichzeitiger Behandlung von Volumenmangel und Bronchospasmus.
Die Prognose ist grundsätzlich günstig.
Anschließende Überwachung
Eine anschließende Überwachung sollte für 8 - 24 h erfolgen, je nach vorausgehendem klinischem Verlauf. Eine intensivmedizinische Überwachung sollte ab dem Stadium 2 erfolgen.
Nachfolgende Diagnostik
Zur Strategieplanung für den weiteren Lebenslauf des Patienten muss nach der Akutbehandlung eine spezifische Diagnostik eingeleitet werden. Allergie-Ausweis und Patienten-Schulung sind wichtige Konsequenzen. Hyposensibilisierungs-Behandlungen sind bei einigen Allergenen hocheffektiv und lange wirksam.