Der Klinikarzt 2007; 36(2): 71-72
DOI: 10.1055/s-2007-970251
Medizin & Management

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

eHealth verspricht individuelle und bedürfnis-gerechte Betreuung der Patienten - Perspektive zur Steigerung von Qualität und Effizienz

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Korrespondenz

Dr. Reinhard Schwarz

Sana Kliniken Gmbh & Co. KGaA

Gustav-Heinemann-Ring 133

81739 München

Email: r.schwarz@sana.de

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Publication Date:
12 March 2007 (online)

 
Table of Contents

Ob elektronische Gesundheitskarte, elektronische Fallakte oder elektronische Patientenakte - geschickt kombiniert und eingesetzt könnten all diese Hilfsmittel den Zugang zu medizinischen Dienstleitungen oder telemedizinische Leistungen vereinfachen und verbessern. Die Möglichkeiten, die ein solches eHealth-System bietet, sind immens. Sie versprechen eine bedürfnisgerechte und individuelle Betreuung der Patienten, im Idealfall soll jeder Patient über eHealth den eigenen Behandlungsprozess mitbestimmen können. Kritiker jedoch befürchten, dass der persönliche Kontakt zwischen Arzt und Patient zu kurz kommt und sorgen sich um einen vermeintlich fehlenden Schutz der Privatsphäre.

Böse Zungen behaupten, die öffentlichen Initiativen zu eHealth wären nur dem Umstand zu verdanken, dass die Bürgerinnen und Bürger in den vergangenen 20 Jahren das Vertrauen in die staatlich gelenkte Gesundheitsversorgung zunehmend verloren haben. Der Sozialstaat mache sich deshalb gerne neue Trends zunutze, um sich zu reorganisieren. Bedeutet nun eHealth am Ende ein neues, effizientes Geschäftsmodell oder wieder "nur" eine andere Lösung zur Verteilung knapper Ressourcen?

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eHealth bietet viele Möglichkeiten

Unter den Begriff eHealth fällt zunächst eine Reihe von Konzepten und Instrumenten, die für mehr Effizienz und Qualität im Gesundheitswesen stehen soll. Darunter versteht man so unterschiedliche Themen wie den elektronischen Zugang zu medizinischen Dienstleistungen oder die Telemedizin, die den Behandlungsweg des Patienten verbessern und vereinfachen sollen. Letzteres soll nebenbei natürlich auch die Gesundheitskosten dämpfen.

Einige erwarten wahre "Wunderdinge" von elektronischen Medien: Bedürfnisgerecht und individuell soll die künftige Patientenbetreuung mit ihrer Hilfe werden. Im Idealfall soll eHealth dem Patienten die eigene Mitwirkung am medizinischen Behandlungsprozess ermöglichen. Jeder soll immer und überall Zugang zu den gewünschten Informationen oder geeigneten Experten haben.

Kritiker dieser Entwicklung behaupten allerdings, dass der hohe Stellenwert vergessen werde, den der persönliche Kontakt des Patienten zum Arzt oder Apotheker seines Vertrauens habe. Der Zugang zu Informationen über den Computer könne die persönliche Beziehung nicht ersetzen. Dies war aber nie das Ziel der neuen Technologien. Sie sollen vielmehr die traditionellen medizinischen Methoden durch neue Wege ergänzen, über die sich Patienten Zugang zu medizinischen Fakten verschaffen können.

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Die elektronische Gesundheitskarte als Zankapfel

Das Symbol für die zentrale Stellung des Patienten und seiner Fähigkeit, im Gesundheitswesen endlich selbst Verantwortung zu übernehmen, ist die elektronische Gesundheitskarte - ein Instrument das das riesige Potenzial besitzt, die Gewohnheiten der Patienten und der Gesundheitsfachleute radikal verändern zu können. Dank ihrer Eigenschaften als technologisches Instrument, kann die elektronische Gesundheitskarte dazu beitragen, den Selbstbestimmungsprozess des Patienten zu unterstützen, zugleich aber auch die heutige Rolle des Patienten und des behandelnden Arztes im Gesundheitswesen revolutionieren und über den raschen Zugang zu Notfalldaten (Allergien, Impfungen, Medikation, wichtige Ereignisse in der Gesundheitsgeschichte) sogar Leben retten.

Die Art und Weise, wie in Deutschland trotz dieser unbestrittenen Vorteile der Einführungsprozess der elektronischen Gesundheitskarte vor sich hin dümpelt, ist wohl nur durch die Konstellation der Betreibergesellschaft zu erklären. Als Tochter der Spitzenverbände im Gesundheitswesen soll die Gematik das unmögliche Kunststück zu Wege bringen, allen gerecht zu werden. Doch egal was sie tut, es findet sich immer ein Lobbyist, der dagegen ist. Die Medien tun ihr Übriges und bezeichnen das Vorhaben in Anspielung auf die Anlaufschwierigkeiten beim Mautsystem freudig als "MediCollect". Die Karte könnte jedoch das ideale Bindeglied sein, um das herum ein elektronisches Gesundheitsnetz aufgebaut werden kann.

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Patienten profitieren von der elektronischen Fallakte

Dass es auch anders gehen kann, zeigt eine Initiative von Sana, die zusammen mit anderen privaten deutschen Klinikkonzernen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft das Konzept der elektronischen Fallakte (eFA) aus der Taufe gehoben hat. Hiermit soll der Weg für einen Austausch von medizinischen Behandlungsdaten über Sektoren-, Software- und Unternehmensgrenzen hinweg freigemacht werden.

Die im Sozialgesetzbuch (SGB V) vom Gesetzgeber beschriebene elektronische Patientenakte (ePA) ist von ihrem Charakter her eine patientengeführte Akte. Das bedeutet, dass ein Patient einerseits Zugang zu den Inhalten der Akte besitzen wird, andererseits Zugriffe von Behandelnden auf die Daten explizit freigegeben muss.

Bei der elektronischen Fallakte sehen die Bedürfnisse aber etwas anders aus. Hier geht es um die Kooperation zwischen verschiedenen Leistungserbringern, um gemeinsam die Behandlung der Versicherten zu optimieren. Die Pflege einer elektronischen Fallakte beschneidet daher nicht die Rechte des Patienten oder macht die Existenz einer elektronischen Patientenakte obsolet, sondern ist eine eigenständige Anwendung.

Große Vorteile bringt dies vor allem bei einer Indikation oder Diagnose, bei deren Behandlung mehrere Leistungserbringer zusammenwirken und eine gemeinsame Datenbasis benötigen. Alle Daten liegen weiterhin bei den jeweiligen Leistungserbringern in den lokalen Systemen und müssen dort entsprechend der Gesetzeslage auch archiviert werden. In die Erstellung und Nutzung einer elektronischen Fallakte muss der Patient einwilligen, die Kontrolle liegt jedoch bei den behandelnden Ärzten. Allerdings endet ihr Lebenszyklus mit der Beendigung des Bearbeitungsgrundes. Bei einer elektronischen Patientenakte dagegen bestimmt der Patient über alle Daten und deren Lebenszyklus.

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Sektor- und einrichtungsübergreifender Datenaustausch

Gegenstand unserer Initiative zur elektronischen Fallakte ist deshalb eine Architektur, mit der bei Krankenhäusern vorgehaltene Patientendaten über verschiedene Zugangswege im Kontext sektorübergreifender Behandlungsszenarien nutzbar gemacht werden können. Dadurch bleiben die dezentralen Strukturen der Verwaltung medizinischer Daten bestehen, und Mehrfachspeicherungen lassen sich vermeiden.

Neben einem auf den Spezifikationen der Gesundheitskarte basierenden Zugang für Patienten und Ärzte können Daten eines Behandlungsfalls zu einer "Fallakte" zusammengefasst werden, die den behandelnden Ärzten einen sektor- und einrichtungsübergreifenden Datenaustausch ermöglicht. Einsatzszenarien für Fallakten sind insbesondere Disease-Management-Programme und die zunehmend an Bedeutung gewinnende integrierte Versorgung - beides Anwendungsgebiete, die eine effiziente intersektorale Zusammenarbeit mit ambulanten Leistungserbringern erfordern.

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Die neueste Innovation: D2D

Für den Transport der elektronischen Fallakte zwischen Krankenhaus und Arztpraxis soll eine weitere Neuerung, der sogenannte D2D ("doctor-to-doctor"), zum Einsatz kommen. D2D steht als Synonym für eine Dienstleistung zur gerichteten und sicheren Übertragung von medizinischen Daten zwischen medizinischen Leistungserbringern, die zahlreiche Kassenärztliche Vereinigungen als Ergänzung zu existierenden Praxissystemen (PVS) anbieten. Die so neu gestaltete Kommunikationsbeziehung soll dabei mit einer standardisierten "eEinweisung" beginnen.

Der niedergelassene Arzt füllt dazu das elektronische Einweisungsformular aus und signiert es. Das Dokument selbst wird verschlüsselt. Der Arzt überträgt die signierte und verschlüsselte elektronische Einweisung aus dem Praxissystem an einen D2D-Server, wo das Dokument abgelegt wird. Falls der Patient selbst ein Krankenhaus auswählt, legt er dort seinen Authentifizierungsschlüssel vor.

Danach kann das Dokument abgerufen und in das Klinikinformationssystem übertragen werden. Erfolgt die Einweisung im Kontext einer elektronischen Fallakte, speichert der behandelnde Krankenhausarzt dieses Dokument in der Fallakte.

Bei der Entlassung wird der Entlassbrief als elektronisches Dokument parallel zur Übermittlung an die Niedergelassenen auch in die elektronische Fallakte eingestellt. Dazu benennt der Patient bei seiner Entlassung die Empfänger des Entlassbriefes und hat dazu im Rahmen des Behandlungsvertrags der Übermittlung zugestimmt.

Der vom behandelnden Krankenhausarzt erstellte elektronische Entlassbrief wird digital signiert, für den Empfänger verschlüsselt und auf dem D2D-Server gespeichert. Die Empfänger des Entlassbriefes werden über entsprechende D2D-Funktionen über das Vorhandensein eines an sie gerichteten Entlassbriefs informiert und können das Dokument nun mithilfe ihrer Praxissysteme abrufen.

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eHealth wird die zukünftige Entwicklung mit bestimmen

Die Kritiker der Entwicklung eHealth begründen ihre Skepsis mit dem vermeintlich fehlenden Schutz der Privatsphäre und der fehlenden Erfahrung mit der Abwicklung medizinischer Praktiken unter Zuhilfenahme der Informatik. Doch die heutigen Verfahren bei der Übermittlung von Patientendaten über Post, Telefon und Fax haben noch zu keiner Zeit die Garantie dafür geboten, dass der gewollte Empfänger die Daten auch immer erhalten hat. Der unkontrollierte Zugang zu Papierarchiven ist ebenfalls immer noch gängige Praxis.

Die aus den aufgezeigten Möglichkeiten resultierenden Vorteile sind jedoch immens: Die zunehmende Vernetzung des Patienten über die Gesundheitskarte wird es ihm erlauben, Schritt für Schritt zu entscheiden, für wen die ihn betreffenden Informationen auf sichere Art zugänglich sein sollen. Zudem wird durch die Vernetzung jeder Beteiligte in der Behandlungskette sehr schnell auf die bereits vorliegenden Informationen zugreifen können, falls der Patient dies will. Dies wird die Qualität steigern und die Kosten absehbar senken.

Die zunehmende Verbreitung der EC-Karte hat nach der lautlosen Beerdigung des Papierschecks diesen Lern- und Gewöhnungsprozess bereits erfolgreich bestanden. Dass damit ein fundamentaler Wandel im bürgerlichen Geldverkehr herbeigeführt wurde, der nicht nur den einzelnen Zahlungskunden, sondern die gesamte Branche des bargeldlosen Zahlungsverkehrs vollständig verändert hat, begründet die Behauptung, dass über diesen Weg die Effizienz des Geldverkehrs gesteigert wurde. Wünschen wir uns dasselbe für das Gesundheitswesen!

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Dr. Reinhard Schwarz

Sana Kliniken Gmbh & Co. KGaA

Gustav-Heinemann-Ring 133

81739 München

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