Der Klinikarzt 2007; 36(3): 126
DOI: 10.1055/s-2007-973920
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Intensivmedizin - Die Rolle der Angehörigen bei der Pflege Schwerstkranker ist nicht zu unterschätzen

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Publication Date:
03 April 2007 (online)

 
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Früher waren die Angehörigen in die Pflege Verletzter oder Schwerstkranker eng eingebunden - heute ist dies fast in Vergessenheit geraten. In unserem modernen Familienmodell haben das Älterwerden und der Tod nur wenig Platz. Meist werden Schwerstkranke auf der Intensivstation von Medizinern und ausgebildeten Pflegekräften betreut und gepflegt, die Angehörigen bleiben außen vor.

Nach Ansicht des "American College of Critical Care Medicine" ist dies jedoch falsch, die Bedeutung der Angehörigen für die psychosozialen Bedürfnisse dieser Patienten werde generell unterschätzt. "Die Einbeziehung der Angehörigen in die medizinische Entscheidungsfindung und Pflege sowie deren Unterstützung ist für die möglichst schnelle Wiederherstellung der Gesundheit von Intensivpatienten - oder auch für die optimierte Begleitung der Patienten im Sterbeprozess - von essenzieller Bedeutung", meinte Prof. Dr. Chales G. Durbin, Charlottesville (Virginia, USA).

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Bedürfnisse und Wünsche des Patienten

Wie man dies realisieren kann, haben das "American College of Critical Care Medicine" und die "Society of Critical Care Medicine" jetzt in gemeinsam erstellten Richtlinien definiert [1]. Damit gibt es zum ersten Mal evidenzbasierte Standards und Empfehlungen, die dazu beitragen können, die Angehörigen besser in den medizinischen Entscheidungsprozess und in die Pflege einbeziehen zu können.

Wichtigste Forderung der Experten ist dabei die Umorientierung von einem krankheitszentrierten in ein patientenzentriertes System, in dem Therapieempfehlungen und Entscheidungsprozesse eng an den Wünschen und Bedürfnissen der Patienten ausgerichtet sind und mit den Angehörigen als Mittler abgestimmt werden. "Nirgendwo ist der Bedarf an patientenzentrierter Pflege so groß wie auf der Intensivstation", meinte Judy E. Davidson, San Diego (Kalifornien, USA), da ein solches Vorgehen hier direkt mit einer besseren Prognose der Patienten assoziiert sei.

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Beistand der Familie ist extrem wichtig

Auch dem verständlichen Wunsch der Angehörigen, vor Ort zu sein, sollte man nicht gegensteuern. "Dass die Anwesenheit von Familienmitgliedern den Heilungsprozess verlangsamt oder sogar gefährlich für den Patienten ist, dafür gibt es keine Hinweise. Vielmehr wird das Leiden der Patienten eher verstärkt, wenn keine familiäre Unterstützung besteht", fuhr Davidson fort. Die Richtlinien fordern daher offene und flexible Besuchszeiten für die Angehörigen. Auch der Visite oder Wiederbelebungsmaßnahmen sollten Angehörige beiwohnen dürfen.

"Intensivmediziner sollten die Beteiligung der Familien sogar aktiv einfordern", mahnte Prof. Joseph E. Parillo, Camden (New Jersey, USA), "da wir alle danach streben sollten, die Bedingungen für unsere kritisch kranken Patienten so ideal wie möglich zu gestalten. Die neu veröffentlichten Richtlinien sind ein gutes Beispiel für das Streben nach Spitzenleistungen in der Intensivmedizin"

sts

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Literatur

  • 01 Davidson JE . Powers K . Hedayat KM . et al . Clinical practice guidelines for support of the family in the patient-centered intensive care unit: American College of Critical Care Medicine Task Force 2004-2005.  Crit Care Med. 2007;  35 (2) 605-622
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Literatur

  • 01 Davidson JE . Powers K . Hedayat KM . et al . Clinical practice guidelines for support of the family in the patient-centered intensive care unit: American College of Critical Care Medicine Task Force 2004-2005.  Crit Care Med. 2007;  35 (2) 605-622