Früher waren die Angehörigen in die Pflege Verletzter oder Schwerstkranker eng eingebunden
- heute ist dies fast in Vergessenheit geraten. In unserem modernen Familienmodell
haben das Älterwerden und der Tod nur wenig Platz. Meist werden Schwerstkranke auf
der Intensivstation von Medizinern und ausgebildeten Pflegekräften betreut und gepflegt,
die Angehörigen bleiben außen vor.
Nach Ansicht des "American College of Critical Care Medicine" ist dies jedoch falsch,
die Bedeutung der Angehörigen für die psychosozialen Bedürfnisse dieser Patienten
werde generell unterschätzt. "Die Einbeziehung der Angehörigen in die medizinische
Entscheidungsfindung und Pflege sowie deren Unterstützung ist für die möglichst schnelle
Wiederherstellung der Gesundheit von Intensivpatienten - oder auch für die optimierte
Begleitung der Patienten im Sterbeprozess - von essenzieller Bedeutung", meinte Prof.
Dr. Chales G. Durbin, Charlottesville (Virginia, USA).
Bedürfnisse und Wünsche des Patienten
Bedürfnisse und Wünsche des Patienten
Wie man dies realisieren kann, haben das "American College of Critical Care Medicine"
und die "Society of Critical Care Medicine" jetzt in gemeinsam erstellten Richtlinien
definiert [1]. Damit gibt es zum ersten Mal evidenzbasierte Standards und Empfehlungen, die dazu
beitragen können, die Angehörigen besser in den medizinischen Entscheidungsprozess
und in die Pflege einbeziehen zu können.
Wichtigste Forderung der Experten ist dabei die Umorientierung von einem krankheitszentrierten
in ein patientenzentriertes System, in dem Therapieempfehlungen und Entscheidungsprozesse
eng an den Wünschen und Bedürfnissen der Patienten ausgerichtet sind und mit den Angehörigen
als Mittler abgestimmt werden. "Nirgendwo ist der Bedarf an patientenzentrierter Pflege
so groß wie auf der Intensivstation", meinte Judy E. Davidson, San Diego (Kalifornien,
USA), da ein solches Vorgehen hier direkt mit einer besseren Prognose der Patienten
assoziiert sei.
Beistand der Familie ist extrem wichtig
Beistand der Familie ist extrem wichtig
Auch dem verständlichen Wunsch der Angehörigen, vor Ort zu sein, sollte man nicht
gegensteuern. "Dass die Anwesenheit von Familienmitgliedern den Heilungsprozess verlangsamt
oder sogar gefährlich für den Patienten ist, dafür gibt es keine Hinweise. Vielmehr
wird das Leiden der Patienten eher verstärkt, wenn keine familiäre Unterstützung besteht",
fuhr Davidson fort. Die Richtlinien fordern daher offene und flexible Besuchszeiten
für die Angehörigen. Auch der Visite oder Wiederbelebungsmaßnahmen sollten Angehörige
beiwohnen dürfen.
"Intensivmediziner sollten die Beteiligung der Familien sogar aktiv einfordern", mahnte
Prof. Joseph E. Parillo, Camden (New Jersey, USA), "da wir alle danach streben sollten,
die Bedingungen für unsere kritisch kranken Patienten so ideal wie möglich zu gestalten.
Die neu veröffentlichten Richtlinien sind ein gutes Beispiel für das Streben nach
Spitzenleistungen in der Intensivmedizin"