Diabetologie und Stoffwechsel 2022; 17(06): 445-460
DOI: 10.1055/a-0894-1860
CME-Fortbildung

Früherkennung und Prävention des Typ-1-Diabetes

Early diagnosis and prevention of type 1 diabetes
Anna Hofelich
,
Benjamin A. Marcus
,
Peter Achenbach

Technologischer Fortschritt und das Verständnis der zugrunde liegenden Immunpathogenese der Erkrankung Diabetes mellitus Typ 1 (T1D) haben zu Veränderungen in den präventiven und therapeutischen Ansätzen geführt. Diese zielen darauf ab, das Entstehen des Autoimmunprozesses zu verhindern oder dessen Voranschreiten zumindest zu verlangsamen bzw. die Zerstörung von Betazellen aufzuhalten oder hinauszuzögern. Die Zulassung erster Medikamente für den Einsatz bei Kindern und Jugendlichen im fortgeschrittenen Frühstadium oder kurz nach klinischer Manifestation ist bereits in Aussicht [1].

Abstract

Insights into the autoimmune nature of type 1 diabetes provide the opportunity to diagnose early, preclinical stages of islet autoimmunity. The development of therapies aimed at prevention or potential cure requires early identification of high-risk infants, of children with asymptomatic early stages, and rapid beta cell-preserving treatment of patients after clinical manifestation. Screening is offered to high-risk families, but also feasible and useful in the general population. Complications at clinical manifestation can be prevented by early diagnosis. Primary prevention aims at preventing the onset of the autoimmune reaction. Immunotherapy in presymptomatic stages has successfully delayed progression to clinical diabetes in patients in stage 2. This article provides an overview of screening programs, primary prevention approaches and clinical trials aimed at delaying disease progression and preservation of beta cells.

Kernaussagen
  • Die Identifikation von Säuglingen mit hohem genetischem Risiko für die Entstehung einer Inselautoimmunität ist in Studien möglich.

  • Primäre Präventionsansätze haben das Ziel, das Entstehen und Fortschreiten des Autoimmunprozesses zu verhindern oder zu verzögern.

  • Schon Monate bis Jahre vor einer klinischen Manifestation beginnt der Inselautoimmunprozess.

  • Durch den Nachweis von multiplen Inselautoantikörpern kann die Diagnose Typ-1-Diabetes (T1D) bereits im präsymptomatischen Frühstadium zuverlässig gestellt werden.

  • Eine frühe Diagnose mit frühem Behandlungsbeginn senkt die Wahrscheinlichkeit einer metabolischen Entgleisung mit diabetischer Ketoazidose (DKA), verbessert in der Folge langfristig die Blutzuckereinstellung und reduziert dadurch diabetische Folgeerkrankungen.

  • Interventionen im T1D-Stadium 1 und 2 sind Therapien des Frühstadiums der Erkrankung und sollen Betazellfunktion erhalten und die Progression zum klinisch-manifesten T1D verhindern oder verzögern.

  • Bevölkerungsweites Inselautoantikörperscreening ermöglicht allen Kindern bei Diagnose eines T1D-Frühstadiums die Teilnahme an Schulungen und Monitorings sowie ggf. an klinischen Studien zum Erhalt der Betazellfunktion.

  • Eine einmalige 14-tägige Behandlung mit Teplizumab im T1D-Stadium 2 kann den Zeitpunkt der klinischen Manifestation des T1D signifikant hinauszögern und die Betazellfunktion stabilisieren.

  • Durch adjuvante Immuntherapien mit gutem Sicherheitsprofil (wie z.B. mit Golimumab) kann die endogene Insulinproduktion auch nach klinischer Manifestation noch länger erhalten werden.

  • Bei Kindern ist die Zulassung derartiger Therapien im T1D-Stadium 2 und kurz nach klinischer Manifestation im Stadium 3 bereits absehbar.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
08. Dezember 2022

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