PSYCH up2date 2024; 18(04): 341-356
DOI: 10.1055/a-2078-1035
Persönlichkeitsstörungen, Impulskontrollstörungen und dissoziative Störungen

Die Depersonalisations-Derealisationsstörung

Matthias Michal

Sich über Monate die meiste Zeit abgetrennt, automatenhaft und unwirklich zu erleben, wie hinter Glass oder wie in einem Traum, umgeben von einer kulissenartigen Umwelt, entfremdet von den eigenen Angehörigen, kennzeichnet die Depersonalisations-Derealisationsstörung. Diese häufige Störung wird allerdings nur selten diagnostiziert oder spezifisch in der Behandlung berücksichtigt mit der Folge von Fehlbehandlungen und chronischen Verläufen.

Kernaussagen
  • Die Depersonalisations-Derealisationsstörung kommt mit einer Prävalenz von ca. 1% in der Allgemeinbevölkerung häufig vor.

  • Dauerhafte, über viele Monate die meiste Zeit des Tages anhaltende DP/DR lassen sich in der Regel nicht auf eine Depression, Angststörung oder Persönlichkeitsstörung reduzieren und sind klar von einer Psychose zu unterscheiden (erhaltene Realitätsprüfung, „Als-ob“-Charakter).

  • Es gibt kein Medikament, das zur Behandlung der DDS zugelassen ist. Jeder medikamentöse Behandlungsversuch erfolgt außerhalb der Zulassung. Die Definition von Zielsymptomen und das Überprüfen der Behandlungsziele sind deshalb zwingend geboten.

  • Aus psychodynamischer Perspektive werden DP/DR als Abwehrmechanismus gegen angstbesetzte Gefühle verstanden, der einsetzt, wenn die individuelle Affekttoleranz überschritten wird.

  • In der psychotherapeutischen Behandlung ist der Fokus auf das emotionale Erleben, die Angstregulation und die therapeutische Beziehung wichtig.



Publication History

Article published online:
10 July 2024

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