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DOI: 10.1055/a-2410-4314
Kommentar zu: Primär biliäre Cholangitis: Elafibranor durchläuft erfolgreich Phase-III-Prüfung
Es ist bemerkenswert, dass in derselben Ausgabe des New England Journal of Medicine gleich 2 randomisiert-kontrollierte Studien zu der seltenen Lebererkrankung primär biliäre Cholangitis (PBC) veröffentlicht wurden. Diese Konstellation illustriert, dass qualitativ hochwertige Studien zu seltenen Erkrankungen möglich sind und dies sogar im Kontext einer Zweitlinientherapie. Diese beispielhaften Entwicklungen können Patienten mit seltenen Erkrankungen und deren Behandler hoffnungsvoll in die Zukunft blicken lassen.
Neben der Studie von Hirschfield et al. zu Seladelpar, einem PPAR-(Peroxisom Proliferator Aktivierter Rezeptor-)δ-Agonisten, wurde auch die Studie von Kowdley et al. zu Elafibranor, einem dualen PPAR-α- und δ-Agonisten, publiziert [1] [2]. Bei beiden Studien wurden die PPAR-Agonisten bei PBC-Patient*innen eingesetzt, die unter Erstlinientherapie mit Ursodeoxycholsäure (UDCA) keinen ausreichenden Abfall der laborchemischen Cholestasewerte zeigten, was als prognostisch ungünstig gilt, oder die die Therapie mit UDCA aufgrund von Nebenwirkungen nicht vertragen hatten. Bisher standen als Zweitlinientherapien der PBC die Obeticholsäure (OCA), ein Farnesoid-X-Rezeptor-Agonist, und als Off-Label-Therapie Fibrate, vorrangig Bezafibrat, ein Pan-PPAR-Agonist, zur Verfügung [3] [4].
Die positiven Studienergebnisse von Kowdley et al. haben dazu geführt, dass Elafibranor seit Ende September 2024 in der EU als Zweitlinientherapie der PBC zugelassen ist. Bei Patient*innen im Stadium einer dekompensierten Leberzirrhose sollte es aufgrund von Sicherheitsbedenken nicht angewendet werden. Die Neuzulassung von Elafibranor ist sicherlich als Erfolg für Betroffene und Behandler zu werten, dennoch muss der Optimismus anhand der aktuellen und zeitlich parallelen Entwicklungen zur Zweitlinientherapie mit OCA etwas relativiert werden. OCA erhielt im Jahr 2016 eine bedingte Zulassung als Zweitlinientherapie der PBC, sodass Langzeitdaten zur Sicherheit und zur Prognoseverbesserung nachgeliefert werden mussten. Neuere Daten haben zunächst zu einem Sicherheitshinweis für Patient*innen mit dekompensierter Leberzirrhose und danach generell mit portaler Hypertonie geführt. Anhand der COBALT-Studie, die einen Beobachtungszeitraum unter Therapie mit OCA von ca. 8 Jahren abdeckt, wurden weitere Sicherheitsrisiken, aber auch eine Relativierung der Wirksamkeit evident, sodass das Beratungsgremium der europäischen Arzneimittelagentur (EMA) einen Widerruf der Zulassung von OCA Ende Juni 2024 empfohlen hat [5]. Es wurde dann durch den Hersteller im September 2024 gerichtlich eine Aussetzung der Entscheidung der Europäischen Kommission diesbezüglich erwirkt. Parallel hierzu hat das beratende Gremium der amerikanischen Arzneimittelagentur (FDA) Mitte September ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis für OCA festgestellt, wobei die finale Entscheidung der FDA über die Marktzulassung noch aussteht.
Auch für Elafibranor wurde seitens der EMA nun eine bedingte Zulassung ausgesprochen. Anhand der aktuellen Datenlage überwiegt der Nutzen von Elafibranor gegenüber den Risiken, aber auch Elafibranor muss sich wie OCA einer fortgesetzten Prüfung durch die Arzneimittelagenturen unterziehen, ob das Nutzen-Risiko-Verhältnis auch in Zukunft weiterhin positiv bewertet wird. Die jüngsten Entwicklungen bezüglich der Marktzulassung von OCA haben die Expertengemeinschaft zu autoimmunen Leberkrankungen deutlich aufgewühlt und diverse Fragen aufgeworfen, beispielsweise in Bezug auf den Prozess der bedingten Zulassung oder die Verwendung laborchemischer Surrogatparameter für die Prognose seltener Lebererkrankungen. Insbesondere dürften aber die betroffenen Patienten unter Therapie mit OCA verunsichert worden sein. Die aktuelle Studie und die Neuzulassung von Elafibranor tragen sicherlich dazu bei, das Vertrauen der Patient*innen in die medikamentösen Therapie der PBC zurückzugewinnen. Dennoch muss allen Beteiligten bewusst sein, dass weiterhin gilt, dass die Kenntnisse über die Sicherheit (und zum Teil auch über den Langzeitnutzen) von Arzneimitteln zum Zeitpunkt ihrer erstmaligen Zulassung nicht vollständig sind und neu zugelassene, aber auch off-label verwendete Medikamente sich einer diesbezüglichen kontinuierlichen und objektiven Prüfung unterziehen müssen.
Publication History
Article published online:
11 December 2024
© 2024. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Hirschfield GM, Bowlus CL, Mayo MJ. et al. A Phase 3 Trial of Seladelpar in Primary Biliary Cholangitis. N Engl J Med 2024; 390: 783-794
- 2 Kowdley KV, Bowlus CL, Levy C. et al. Efficacy and Safety of Elafibranor in Primary Biliary Cholangitis. N Engl J Med 2024; 390: 795-805
- 3 Nevens F, Andreone P, Mazzella G. et al. A Placebo-Controlled Trial of Obeticholic Acid in Primary Biliary Cholangitis. N Engl J Med 2016; 375: 631-643
- 4 Corpechot C, Chazouillères O, Rousseau A. et al. A Placebo-Controlled Trial of Bezafibrate in Primary Biliary Cholangitis. N Engl J Med 2018; 378: 2171-2181
- 5 Kowdley KV, Hirschfield GM, Coombs C. et al. COBALT: A Confirmatory Trial of Obeticholic Acid in Primary Biliary Cholangitis With Placebo and External Controls. Am J Gastroenterol 2024;