Diabetologie und Stoffwechsel 2015; 10(05): 240-242
DOI: 10.1055/s-0034-1398227
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Referat – Intensivmedizin: Implementierung evidenz- basierter Empfehlungen

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Publication Date:
13 January 2016 (online)

Hintergrund: Grundlage der Analyse waren die Leuven-I- und die NICE-SUGAR-Studie. Leuven I wurde 2001 publiziert und hat für Patienten auf Intensivstationen einen Blutzuckerwert zwischen 80 und 110 mg / dl empfohlen. Verglichen mit der Standardeinstellung reduzierten die geringeren Werte signifikant die Mortalität. In der NICE-SUGAR-Studie wurde 2009 festgestellt, dass die strengen Blutzuckergrenzen die Häufigkeit schwerer Hypoglykämien und die 90-Tage-Mortalität steigerten und empfahl daher eine weniger aggressive Blutzuckerkontrolle.

Methoden: Niven et al. stand das „acute physiology and chronic health evaluation“ (APACHE)-Register zur Verfügung mit Daten von US-amerikanischen Intensivpatienten. Zwischen 2001 und 2012 wurden 353 646 Patienten auf 113 Intensivstationen behandelt. Das Durchschnittsalter betrug 61,8 Jahre und 56 % waren Männer. Zwei Drittel der Patienten litten unter internistischen und lebensbedrohlichen Erkrankungen.

Ergebnisse: Vor der Veröffentlichung von Leuven I erhielten 17,2 % die intensivierte Insulintherapie, 3 % waren hypo- und 40,2 % hyperglykämisch. Nach der Publikation nahm der Anteil der Normo- und Hypoglykämien signifikant zu und der Prozentsatz an Hyperglykämien ab (jeweils p < 0,001). Der absolute Anstieg der angestrebten Werte war mit 5 % in 7 Jahren begrenzt und vollzog sich schleppend. Die NICE-SUGAR-Studie wirkte sich schneller, aber nicht nachhaltig aus. Der relative Anteil schwerer Hypoglykämien nahm sofort um 22,4 % ab (p < 0,001). 2012 wurden 27,5 % der Patienten auf strenge Blutzuckerwerte eingestellt, 5,2 % hatten eine Hypoglykämie und 33 % eine Hyperglykämie. Somit lag der Anteil der gezielten Kontrolle mindestens im Bereich vor der NICE-SUGAR-Studie.

Die aggressive Blutzuckereinstellung war mit medizinischen und strukturellen Faktoren assoziiert. Sie erfolgte häufiger bei Diabetes mellitus, chirurgischen Krankheiten, nicht septischen Erkrankungen und intensivmedizinischen Interventionen am Aufnahmetag. Einheiten, die nicht in einem Lehrkrankenhaus waren und ein mittleres Volumen aufwiesen, hielten häufiger an den niedrigen Zielwerten fest.

Folgerung: Die Ergebnisse aus Leuven I wurden langsam in die Praxis umgesetzt. Die NICE-SUGAR-Studie reduzierte im Sinne eines Strohfeuer-Effektes die Hypoglykämierate, aber führte nicht langfristig zur Abschaffung der normoglykämischen Zielwerte. Laut den Autoren sollte insbesondere die evidenzbasierte Änderung von Standards nicht langsam und passiv, sondern in einem aktiven „Knowledge-to-Action“-Rahmen erfolgen.

Dr. Susanne Krome, Melle