Diabetologie und Stoffwechsel 2016; 11(04): 268
DOI: 10.1055/s-0036-1580377
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Referat – Intensivierte Lebensstiländerung oder Magenbypass?

Beat Müller
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Publikationsdatum:
20. September 2016 (online)

Hintergrund: Bis zu 90 % der Patienten mit einem Typ-2-Diabetes erreichen bei konservativer Strategie nicht die angestrebten Therapieziele mit konsekutiv persistierenden Folgerisiken. Die höhere Effektivität bariatrischer Operationen zeigten Untersuchungen, die überwiegend mit einer weniger herausfordernden Lebenstiländerung verglichen. Die randomisierte CROSSROAD (Caloric Reduction Or Surgery: Seeking to Reduce Obesity And Diabetes Study)-Studie kam trotz verschärfter Auflagen für die Kontrollgruppe zu vergleichbaren Ergebnissen.

Methoden: Aus der Datenbank einer Krankenversicherung mit > 600 000 Mitgliedern ermittelten die Autoren Patienten mit einem BMI von 30–45 kg / m2, die Antidiabetika erhielten. In der operativen Gruppe (laparoskopischer proximaler Roux-en-Y-Bypass; n = 15) und der Gruppe mit intensiver Lebensstiländerung (ILMI; n = 17) hatten 5 bzw. 6 Teilnehmer einen BMI < 35 kg / m2. Der durchschnittliche BMI betrug 37,7 kg / m2. Das HbA1c lag bei 7,5 %. Alle Patienten wurden 1 Jahr begleitet. ILMI bestand aus einem herausfordernden Sportprogramm, das überwiegend begleitet erfolgte. Insgesamt sollte an 5 Tagen pro Woche ≥ 45 Minuten Sport getrieben werden. Im ersten halben Jahr fanden wöchentliche Sitzungen statt mit dem Ziel einer kognitiven Verhaltensänderung und konsekutiven Gewichtsreduktion. In der zweiten Studienhälfte fanden wöchentliche Telefongespräche statt. Die operative Gruppe wurde überwiegend telefonisch betreut und erhielt Standardempfehlungen. Primärer Studienendpunkt war HbA1c < 6 % nach 12 Monaten.

Ergebnisse: Der Gewichtsverlust nach 1 Jahr betrug 25,8 % (Operation) und 6,8 % (ILMI). Die fettfreie Körpermasse blieb nach ILMI stabil und nahm postoperativ um 10 % ab. Verglichen mit ILMI induzierte der Magenbypass signifikant häufiger eine Remission des Diabetes (60 % vs. 5,9 %; OR 19,8; 95 %-KI 2,0–194,6; p = 0,003). Das durchschnittliche HbA1c der Gruppen unterschied sich nicht. Nach 12 Monaten lagen die Werte bei 6,4 und 6,9 % (p = 0,04). Die Operation bewirkte jedoch häufiger einen progredienten Abfall, während mit ILMI nach 6 Monaten der Nadir erreicht war und anschließend ein Wiederanstieg eintrat. Die chirurgische Gruppe benötigte seltener orale Antidiabetika und Insulin. Der Nüchternblutzucker änderte sich in beiden Gruppen nicht wesentlich, während Nüchterninsulin und HOMA-IR in der OP-Gruppe deutlicher abnahmen. Die maximale Sauerstoffkapazität stieg mit ILMI signifikant stärker an (p < 0,0001). Operierte Patienten hatten eine deutliche Zunahme des HDL-Cholesterins, einen reduzierten systolischen Blutdruck und nahmen seltener Antihypertensiva ein. Schwerwiegende chirurgische Nebenwirkungen kamen nicht vor. Insgesamt traten 64 (ILMI) und 31 (Operation) Komplikationen auf. Diese schlossen 43 respektive 16 Hypoglykämien ein. Bei häufigeren Unterzuckerungen mit ILMI waren 4 schwere Fälle mit neuroglykopenischen Symptomen (BZ < 2,2 mmol / l).

Folgerung: Die bariatrische Operation war sicher und führte effektiver zu einer Diabetes-Remission als die intensive Lebensstilintervention. Die Autoren weisen darauf hin, dass der übliche BMI-Grenzwert für den operativen Eingriff bei einigen Patienten nicht vorlag. Dieser sei nach den günstigen Ergebnissen zu überdenken.

Dr. med. Susanne Krome, Melle