Ultraschall Med 2005; 26(3): 183-184
DOI: 10.1055/s-2005-858336
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Quantifizierung des Nicht-Quantifizierbaren oder: Maß und Zahl sind Schall und Rauch

Quantification of the Non-Quantifiable: Images, Imaging, Imagination, and the Real TruthL. Greiner1
  • 1Helios-Klinikum, Wuppertal
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Publication Date:
10 June 2005 (online)

deutsch

Bildgebungsverfahren sind ohne jede Ausnahme abhängig von den lokalen Differenzen der Interaktionen zwischen den Gewebekomponenten und den verwendeten diagnostischen Energieformen, die allgemein über ihren Wellen-(Teil-)Charakter beschrieben werden - seien es nun optische Wellen bei der direkten Visualisierung oder seien es andere Wellentypen wie mechanisch-akustische oder elektromagnetische, die zur dann indirekten Bildgebung verwendet werden. Diese Abbilder spiegeln morphologische Eigenschaften wider, die wir als Individuen optisch aufnehmen und mental verarbeiten, einschließlich aller Irrtumsmöglichkeiten.

Die Morphometrie - das metron (die Messung) von morphe (der Gestalt) - müht sich um Objektivität zur Vermeidung, gar zur Abschaffung subjektiver Willkür und Ungenauigkeit durch präzise Messungen, wie sie von Gaitini et al. [1] vorgeschlagen werden. Dass es sich hierbei jedoch eher um Wunschdenken handelt, ist bekannt - gibt es doch in der Tat keine letztlich präzise Messung, nirgendwo, weder in der Welt von Newton noch in der der Heisenberg’schen Unbestimmtheiten, der Quarks oder sonst wo. Messungen bedeuten immer nur Annäherungen, insbesondere in der Morphologie [2]. Für Ultraschallbilder gilt dies zweifellos ebenfalls. Sie werden generiert durch die Umsetzung schwächster Echos, die von multiplen schlecht definierten weit entfernt gelegenen akustischen Grenzflächen reflektiert, gestreut, gebeugt und gebrochen werden, wobei diese Grenzflächen in Organen und Gewebsumgebungen von ausgeprägter Individualität zustande kommen - mit wiederum allenfalls grob bekannten Parametern der aktuellen Variablen der Perfusion, der metabolischen Situation oder möglicher diffuser pathologischer Gewebsveränderungen. Nicht zufällig muss zu deskriptiven Ausdrücken wie „Textur” Zuflucht genommen werden - einem bemerkenswert schlecht definierbaren Terminus, der wohl letztlich den Eindruck dessen zusammenfasst, was im deutschen Sprachgebrauch mit einem typischen Sono-Wortungetüm bedacht wurde: das Binnenreflexmuster.

Der Begriff des „Goldstandards” [1] ist mithin in jeder Morphologie und Morphometrie nett, aber naiv - Wunschdenken und keine Realität. Die subjektive Ausmessung willkürlich definierter Parameter ist keine zuverlässige morphometrische Grundlage und die Eingabe dieser Daten in ein noch so ausgereiftes Rechenprogramm kann ihre ursprünglichen Schwächen nicht verdecken.

Die Korrelation zwischen Ultraschall-Schnittbildern und den Bildern der (pathologischen) Anatomie ist ausgesprochen zuverlässig in der Abbildung von Organgröße und -konfiguration. Die beiden Bildgebungsverfahren - (Patho-)Anatomie und Sonographie - stimmen mithin recht gut überein in der makroskopischen Morphologie. Dies gilt (leider) nicht für die Mikroskopie. Diese mit der Sonographie zu korrelieren, ja sie so zu ersetzen, ist ein alter Wunsch der Ultraschalldiagnostik - mehr oder weniger unerfüllt und unerfüllbar, wiederum nur Wunschdenken.

Dennoch ist die Suche nach objektiven Parametern fördernswert und wichtig - immer nur verstanden als Näherungen, nicht als „Wahrheiten” [2] [3]. Unverändert müssen wir uns den Herausforderungen der Bildgebung stellen als einem vielfach beeinflussten sozusagen relativistischen Vorgang. Die visuelle Wahrnehmung, die verstandesmäßige Verarbeitung einschließlich des Bildervergleichs im individuellen Erinnerungsarchiv des Untersuchers sind ebenfalls kaum verstandene Prozesse, nicht mehr.

Aber auch nicht weniger. Denn trotz aller Einschränkungen und Mängel des Ultraschalls (und der sekundären Schnittbildverfahren, Computer- und Magnetresonanztomographie) - diese Bilder sind wirklich informativ und sie haben zweifellos Diagnostik und Therapie ganz entscheidend - sozusagen paradigmenwechselnd - verändert und verbessert [4]. Das erkrankte Abdomen beispielsweise ist heute diagnostisch weitgehend geklärt, noch bevor ein operativer Schnitt erfolgt, womit dem Chirurgen nur eine affirmative und oft keine entscheidende Rolle mehr in der Diagnostik zukommt - aber das ist eine andere Geschichte.

english

All imaging depends on local differences in tissue components and their interaction and correspondence with an energy input in the form of waves - either optical ones with directly visualisation, or (acousto-) mechanical or electromagnetic ones, which are subsequently transformed into visual images. These reflect morphology, which we perceive in the form of mental images, all of which are subject to several kinds of sampling and processing errors.

Morphometry - the metron (measuring) of the morphe (feature, configuration) - attempts to be more objective, avoiding subjective influences and arbitrariness through precise measurements as described in the paper by Lederman et al. [1]. One of the problems encountered here, however, concerns the impossibility of absolute certainty in measurement anywhere, both in the Newtonion and in the quantum world of Heisenberg. Any measurement means approximation, especially in morphology [2]. This is undoubtedly true for ultrasound images generated by faint and multimodulated echoes reflected from ill-defined and distant acoustical interfaces in, for example, an individual liver with an unknown actuarial status of perfusion, metabolics, and possible pathology. It is not by coincidence that the term „texture” is remarkably vague, describing only the impression of the overall reflexibility of a given parenchyma.

It is clear from these considerations, that the idea of a „gold standard” [1] in morphology or in morphometry is nice but naïve. It reflects wishful thinking but not reality. Arbitrary measurement of a set of arbitrarily defined parameters cannot be a reliable basis for morphometry, and exposing such vague data to a high-end software calculation work-up cannot eradicate their genuine weakness.

Correlating the morphology of sonographic sectional images with the pictures of (patho-) anatomy turned out to be highly reliable with respect to the shape and size of organs including the greater vessels. So the two different imaging modalities: (patho-)anatomy and ultrasonography correlate well in macroscopic morphology. However, this does not hold true on the level of microscopy, which remains an exclusively optical modality, a class of its own, constituting the basis for most of our disease classification (nosology). Correlating and maybe substituting microscopy with sonographic diagnosis has been a hope and a challenge from the first days of clinical ultrasound applications but, burdened with the stigma of wishful thinking, it has remained more or less unfulfilled.

The search for objective parameters is nevertheless needed and welcome, but only as an approximation, not as an ultimate truth [2] [3]. We must attempt to cope with all those puzzling, delicate matters encountered with the images, imagings and our imagination, whilst accepting the fact that generating any picture is a highly sensitive, easily influenced and relative process. Visual perception, mental analysis and comparison with individual memory archives are processes which are still barely understood.

But, notwithstanding all the shortcomings and restraints of ultrasonography (and the secondary sectional imaging modalities, computed tomography and magnetic resonance), these images are truly informative, and have radically affected diagnosis and treatment in most fields [4]. Diseases of the abdomen, for example, can be identified nowadays well before any surgical cut has been made, granting the surgeon more of a confirmative than a decisive role in diagnostics - but that is another story.

Literatur

Prof. Dr. med. Lucas Greiner

Director of Medical Clinic 2, Helios-Klinikum

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