Zusammenfassung
Fragestellung Das synthetische Prostaglandin-E1-Analogon Misoprostol ist das effektivste Medikament
zur Geburtseinleitung, wobei es meist im Off-Label-Use angewendet wird. Aus diesem
Grund sowie wegen seiner potenziellen Nebenwirkungen und der unterschiedlichen Anwendung
stand es zuletzt wieder in der Diskussion. Ziel dieser Umfrage war daher die Erhebung
der Anwendung von Misoprostol zur Geburtseinleitung an deutschen Kliniken sowie des
Einflusses, den die negative Berichterstattung auf den geburtshilflichen Alltag hatte.
Material und Methodik Im Rahmen dieser Querschnittstudie wurden 635 Abteilungen für Geburtshilfe und Gynäkologie
in Deutschland angeschrieben und gebeten, im Februar/März 2020 an dieser Umfrage teilzunehmen.
Es sollten insgesamt 19 Fragen zur Klinik, Verwendung von Misoprostol vor und nach
der kritischen Berichterstattung, Anwendung von Misoprostol (Bezug, Applikationsart,
Dosierung, Überwachung) und anderen Einleitungsmethoden online beantworten werden.
Ergebnisse Insgesamt komplettierten 262 (41,3%) der angeschriebenen Kliniken den Fragebogen.
Es gab keinen Unterschied bezüglich der Versorgungsstufe (Perinatalzentrum Level I,
Perinatalzentrum Level II, Perinataler Schwerpunkt oder Geburtsklinik/Belegklinik;
p = 0,2104) und der Anzahl der Geburten (p = 0,1845). Meist wurde Misoprostol in der
eigenen Apotheke hergestellt (54%) oder aus dem Ausland importiert (46%) und oral
als Tablette (95%) verabreicht. Es kamen verschiedene Misoprostol-Dosierungen zum
Einsatz (25 µg [48%], 50 µg [83%], 75 µg [6%], 100 µg [47%] und > 100 µg [5%]). Die
meisten Kliniken verwendeten vorgefertigte Tabletten/Kapseln (59%), jedoch wurden
auch Cytotec-Tabletten geteilt (35%) oder in Wasser aufgelöst (5%). Die Misoprostol-Gaben
erfolgten vor allem in 4-stündigen (64%) oder 6-stündigen Intervallen (30%). Eine
CTG-Kontrolle vor und nach einer Misoprostol-Gabe (78% und 76%) bzw. einer Prostaglandin-E2-Gabe
(jeweils 88%) wurde meist
durchgeführt. Im Falle von Kontraktionen wurde überwiegend kein Misoprostol (59%)
oder kein Prostaglandin E2 (64%) verabreicht. Die kritische Berichterstattung führte
dazu, dass in 17% der Kliniken, vor allem kleinere Geburtskliniken/Belegkliniken mit
weniger als 1000 Geburten, kein Misoprostol mehr verwendet wurde. Wehencocktails kamen
vor allem in Geburts- und Belegkliniken zum Einsatz (61%).
Schlussfolgerung Misoprostol zur Geburtseinleitung ist in deutschen Kliniken etabliert. Es kommen
verschiedene Dosierungsschemata zum Einsatz. Insbesondere das derzeit übliche Management
im Rahmen der Geburtseinleitung (CTG-Kontrolle vor und nach einer medikamentösen Geburtseinleitung,
keine Prostaglandin-Gabe bei Wehentätigkeit) sollte jedoch verbessert werden. Die
mediale Diskussion um die Verwendung von Misoprostol hat dazu geführt, dass vor allem
kleinere Kliniken auf Misoprostol verzichten haben.
Schlüsselwörter Misoprostol - Geburtseinleitung - Cytotec