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DOI: 10.1055/s-0028-1109693
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Fokale Leberprozesse: „Das Bessere ist des Guten Feind”: CEUS auf der Überholspur
Focal Liver Processes: ”Better is the Enemy of Good”: CEUS in the Fast LanePublication History
Publication Date:
17 August 2009 (online)
Die Entwicklung der Ultraschalldiagnostik verlief in den letzten Dezennien wissenschaftlich und technisch mit Kontinuität und in Quantensprüngen: Vom A-Bild zum B-Bild, von der Compound-Technik zum Real-Time-Verfahren. Quantensprünge waren die Einführung der Farbdoppler-Sonografie und zuletzt die Etablierung der Kontrastmittel-Sonografie (CEUS). Dies hat auch zu einer größeren Anzahl von Publikationen in dieser Zeitschrift geführt [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14] [15] [16] [17] [18] [19] [20] [21] [22].
Die abdominale Ultraschalldiagnostik ist weltweit das erste und am häufigsten eingesetzte bildgebende Verfahren zur Klärung von Bauchschmerzen, dyspeptischen Beschwerden, zur Tumorsuche, zum Tumorstaging und zur Verlaufskontrolle von Tumoren. Dabei werden in der Leber häufig und oft „zufällig” fokale Läsionen gefunden, die wegen unspezifischer Echomuster und selbst mittels Farbdoppler-Sonografie in vielen Fällen nicht zu klären sind. Diese Inzidentalome, unzulängliche sonografische Untersucherkompetenz und die Initiierung weiterer Diagnostik zur Klärung der Läsionen, führten zu der süffisanten Aussage: „5 Sonografiker alimentieren einen Computertomografen”.
Die höhere Aussagekraft von CT und MR im Vergleich zur konventionellen Sonografie in der Detektion und in der Differenzierung von Leberherden begründet sich im Wesentlichen auf den obligaten Einsatz von Kontrastmitteln bei diesen Methoden. Dadurch werden die Beschreibung von Vaskularisationsmustern, die spezifischen Leberprozessen zugeordnet werden können, und die Beurteilung der Kontrastmittelaufnahme im Leberparenchym ermöglicht.
Mit dem Einsatz von Ultraschallkontrastmitteln, deren Sicherheit belegt ist [1] [23] [24] [25], und die zunächst für die Verbesserung insuffizienter Dopplersignale entwickelt wurden, konnte die Sonografie die Vorteile von CT und MR mehr als wettmachen. Für die 4 häufigsten Leberläsionen, das Hämangiom, die FNH, Metastasen und das hepatozelluläre Karzinom, ist inzwischen in großen, zum Teil geblindeten Untersuchungsreihen belegt, dass die CEUS der Kontrastmittel-CT und der Kontrastmittel-MR zumindest ebenbürtig, wenn nicht sogar tendenziell überlegen ist [18] [26] [27] [28] [29] [30] [31] [32] [33].
Die CEUS macht sich die doppelte Blutversorgung der Leber über die A. hepatica und die Pfortader zu Nutze. Innerhalb weniger Sekunden nach i. v. Injektion von SonoVue® werden charakteristische Vaskularisationsmuster wie arterielle Hypervaskularisation mit Radspeichenmuster und Irisblendenphänomen und Kontrastmittelenhancement fokaler Prozesse im Vergleich zum Leberparenchym darstellbar.
Die Publikationen der Arbeitsgruppe um Deike Strobel [34] und Karl-Heinz Seitz [35] in diesem Heft belegen die hohe Aussagekraft der CEUS in der Differenzialdiagnose von Leberläsionen im klinischen Alltag. In der multizentrischen DEGUM-Studie konnte an 1349 Patienten mit einem im B-Bild und mittels Farbdoppler-Sonografie unklaren Lebertumor gezeigt werden, dass die nach einem standardisierten Protokoll durchgeführte CEUS in circa 90 % zu einer korrekten Diagnose, die zu 75 % auf histologisch gesicherten Befunden basierte, führte. Die Aussagekraft und der prädiktive Vorhersagewert der CEUS waren vergleichbar mit der triphasischen CT.
Bei gleicher Aussagekraft der Schnittbildverfahren Sonografie, CT und MR hat die CEUS trotz der derzeit bestehenden Abrechnungsprobleme [32] [36] [37] entscheidende Vorteile.
Die Kaskade unnützer Untersuchungen bei B-Bild- und farbdopplersonografisch unklarem Leberherd wird nicht mehr, wie im klinischen Alltag oft beobachtet, ablaufen: Kontrastmittel-CT, danach MR und dann Empfehlung zur CT- oder MR-Verlaufskontrolle, oder in Einzelfällen zur Feinnadelpunktion.
Die oft elementare Verunsicherung von Patienten und die Unsicherheit bei sonografierenden Ärzten kann ohne zeitlichen Verzug durch die unmittelbar und innerhalb weniger Minuten durchgeführte CEUS in den meisten Fällen beseitigt werden (bei typischen echogenen Hämangiomen, Zysten und den meisten FNH-Herden gelang dies bereits mittels B-Bild- oder Farbdoppler-Sonografie).
Bei den wenigen noch unklar bleibenden Leberläsionen – in der Studie von Strobel et al. [34] waren es lediglich noch 6,9 % – müssen weitere Untersuchungen zeigen, ob die Durchführung von CT und MR oder nicht unmittelbar die Feinnadelpunktion zur Klärung indiziert sind.
Die Kosten von CEUS sind geringer als von Kontrastmittel-CT und deutlich geringer als von Kontrastmittel-MR [32] [36] [38] [39].
In diesen Kostenrechnungen sind die indirekten Kosten, die, durch die Applikation von circa 45 g Jod, zu einer aussagekräftigen abdominalen CT-Untersuchung erforderlich sind, noch nicht eingerechnet. Dazu zählen die zum Teil folgenschweren Kontrastmittelreaktionen, die Auslösung einer manifesten Hyperthyreose und die Verschlechterung der Nierenfunktion.
Da latente Hyperthyreosen in Jodmangelgebieten mit einer Prävalenz von 10 – 20 % vorkommen, ist die Gefahr der Initiierung einer manifesten Hyperthyreose ein individuell und ökonomisch relevantes Problem [40] [41] [42]. Die MR als Reservemethode bei Unverträglichkeit von jodhaltigen Kontrastmitteln ist angesichts der Beschreibung der nephrogenen systemischen Fibrose im Einzelfall kritisch zu hinterfragen [43] [44].
Mit zunehmendem Umweltbewusstsein und Sensibilisierung der Bevölkerung für Strahlenbelastung muss der großzügige Einsatz von Kontrastmittel-CT-Untersuchung kritisch gesehen werden, zumal heute schon davon auszugehen ist, dass ein erheblicher Anteil an Tumoren dem Einsatz von CT geschuldet ist [45] [46] [47] [48] [49] [50].
Bleibt nach so hervorragenden Ergebnissen der Leberkontrastmittel-Sonografie, die auch in diesem Heft präsentiert werden, die Frage, warum CEUS in der Diagnostik fokaler Leberläsionen (noch) nicht bildgebender Goldstandard ist. Dafür gibt es (noch) eine Vielzahl von Gründen: zu wenige High-End-Ultraschallgeräte, die einen hoch sensitiven CEUS ermöglichen, gesundheitspolitische Gründe, bürokratische Hürden, die eine Überweisung zur ambulant durchgeführten CEUS verhindern, derzeitige Abrechnungsmodalitäten und das bei Ärzten und Patienten noch unterentwickelte Bewusstsein für die Problematik der Strahlenbelastung und Kontrastmittel-Gabe.
Das größte Hindernis in Deutschland, wie in Österreich, dürfte derzeit die fehlende Abrechnungsmöglichkeit von CEUS sein und in der Klinik die Tatsache, dass Ultraschall bisher lediglich bei Interventionen in einer OPS abgebildet wird [36] [37]. Dies induziert in einer ökonomisch durchdrungenen Gesundheitsversorgung, dass eine (wissenschaftlich belegte und volkwirtschaftlich sinnhafte) Methode, die sich nicht rechnet, nicht stattfindet. Dass sie dennoch heute schon in vielen Kliniken erfolgreich praktiziert wird, ist ein Beweis für die Qualität der Methode und den Enthusiasmus der Sonografiker!
Mit Optimismus ist davon auszugehen, dass das G-DRG-System und insbesondere das DRG-Institut InEK (Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus) „lernfähig” sind und sowohl die wissenschaftlich gesicherten als auch die ökonomischen Vorteile von CEUS [32] [38] Eingang in Kostenerstattung und in OPS-Ziffern finden werden. Dann wird sich eine Methode, die von vielen jungen Ärzten, die sich nicht mit der Einorganmedizin zufrieden geben, sondern im klinischen Alltag empathisch und mit Begeisterung Ultraschall zum Wohle ihrer Patienten betreiben, rasch durchsetzen.
Wenn es gelingt, CEUS mit seinem großen Potenzial in der Leberdiagnostik umzusetzen, wird dies ein wichtiger Beitrag sein, um unnütze Untersuchungen einzusparen, Verunsicherung von Patienten zu vermeiden und in der Weiterbildung junge Ärzte für diese Patienten zentrierte Methode zu begeistern.
Nach den exzellenten Studien zur Aussagekraft von CEUS bleiben somit 2 Hauptaufgaben: Gute Weiterbildung der jungen Ärzte in der patientennahen Sonografie und politische Einwirkung, damit das G-DRG-System im Rahmen der Fallpauschalen und die Abrechnungsmodalitäten im Ambulanzbereich der „Diagnostik-Wirklichkeit” angepasst werden.
Gelingt dies, ist die Prognose zu wagen, dass sich in wenigen Jahren CEUS flächendeckend und in spezialisierten Kliniken und Praxen und im Vergleich zu CT und MR nach dem Motto „Das Bessere ist des Guten Feind” durchsetzen wird. Diese Entwicklung kündigt sich bereits an, da nicht wenige und innovative Radiologen CEUS selbst durchführen oder Patienten mit unklaren Leberläsionen oder zur besseren präoperativen Ausschlussdiagnostik von Lebermetastasen vor Tumorchirurgie bei Magen-, Pankreas-, bronchialen oder kolorektalen Karzinomen zur Kontrastmittel-Sonografie überweisen. In vielen Kliniken ist CEUS schon heute Goldstandard zum Nachweis und auch präoperativen Ausschluss kleiner Lebermetastasen und zur Klärung bzw. Charakterisierung des inzidentellen fokalen Leberbefunds.
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Prof. Dr. Bernd Braun
Medizinische Klinik I, Klinikum am Steinenberg, Kreiskliniken Reutlingen
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