Geburtshilfe Frauenheilkd 2009; 69(7): R67-R88
DOI: 10.1055/s-0029-1185816
GebFra-Refresher

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Rationelle Diagnostik in der gynäkologischen Endokrinologie und Reproduktionsmedizin – Teil 2: Besondere Aspekte der Sterilitätsdiagnostik

A. Müller1 , R. Dittrich1 , C. E. Reissmann1 , D. Kronawitter1 , M. W. Beckmann1 , P. G. Oppelt1
  • 1Universitätszentrum für Fortpflanzungsmedizin Franken (UFF), Frauenklinik, Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen
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Publication Date:
27 July 2009 (online)

Einleitung

Ungewollte

Von Sterilität spricht man, wenn trotz regelmäßigem, ungeschütztem Geschlechtsverkehr für mindestens 6 Monate keine Schwangerschaft eintritt.

Bei gesunden 20- bis 24-jährigen Frauen liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Schwangerschaft bei ca. 80 % pro Jahr und sinkt bei 40- bis 44-Jährigen auf ca. 30 % ab.

Kinderlosigkeit ist ein zunehmend häufiger auftretendes Problem in unserer Zeit. Die Diagnose Sterilität trifft zu, wenn trotz regelmäßigem, ungeschützten Geschlechtsverkehr über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten keine Schwangerschaft eintritt. Neben der manifesten Sterilität von Paaren aufgrund organischer Schäden ist das steigende Alter von Erstgebärenden ein nicht unwesentlicher Aspekt der ungewollten Kinderlosigkeit in der industrialisierten Welt. Die Zeitphase der Familienplanung wird von vielen Paaren in einen Lebensabschnitt verschoben, in dem sich das biologische Fenster für die Reproduktion schon wieder zu schließen beginnt. Dies trifft insbesondere für die Frau zu, aber auch Männer zeigen mit zunehmendem Alter Einschränkungen ihrer Fertilität. Während die Wahrscheinlichkeit für eine Schwangerschaft bei gesunden 20–24-jährigen Frauen über 80 % pro Jahr liegt, sinkt diese bereits mit einem Alter von 30–34 Jahren auf ca. 60 % ab. In einem Alter von 40–44 Jahren liegt diese dann nur noch bei ca. 30 % [1]. In Deutschland werden pro Jahr ca. 40 000 künstliche Befruchtungen bei Paaren durchgeführt und über 13 000 Kinder nach Anwendung von Methoden der künstlichen Befruchtung geboren [2]. Die Behandlung der ungewollten Kinderlosigkeit verläuft dabei in Stufen von weniger invasiven Methoden, wie der Zykluskontrolle und dem Verkehr zum optimalen Zeitpunkt (VZO) oder intrauteriner Insemination (IUI), bis hin zu invasiven Techniken, wie der hormonellen Stimulationsbehandlung mit anschließender In-Vitro-Fertilisation (IVF) oder der Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) bei männlicher Subfertilität. Um die richtige Behandlungsmethode für das einzelne Paar zu ermöglichen, sollte vor jeder Behandlung eine Diagnostik der Sterilitätsursache erfolgen, die im Folgenden kurz beschrieben wird. Die Sterilitätsbehandlung ist dabei immer eine Behandlung beider Partner und muss somit im Rahmen der Diagnostik mögliche Sterilitätsursachen sowohl bei der Frau als auch beim Mann berücksichtigen. Selbstverständlich ist am Anfang bei der Anamnese zu erfragen, ob regelmäßige, ungeschützte Kohabitationen mit intravaginaler Samendeposition stattfinden.

Grundsätzlich zu beantwortende Fragen

Ziel

Ziel der Diagnostik ist es, die Ursache herauszufinden, warum keine Schwangerschaft eintritt.

der Diagnostik ist es, die Ursache zu identifizieren, warum es nicht zum Eintritt einer Schwangerschaft kommt. Dies soll primär mit möglichst geringem diagnostischen Aufwand und möglichst wenigen, nicht invasiven Verfahren erfolgen. Von einigen Prozessen, die im Rahmen der Reproduktion ablaufen, haben wir noch keinerlei Kenntnis oder können diese nicht beeinflussen. Somit ist nur die Befunderhebung sinnvoll, die zu therapeutischen Konsequenzen führt. Es soll in erster Linie nach möglichen Ursachen gesucht werden, die entweder mit den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten therapierbar sind oder die im Rahmen der Planung einer assistierten Reproduktionstechnik (ART) zu berücksichtigen sind. Was nützt ein aufwendig erhobener Befund, wenn dieser weder interpretierbar ist noch therapeutische Konsequenzen daraus erwachsen? Nachdem die Diagnostik abgeschlossen ist, werden in erster Linie zwei Fragen mit dem Paar zu diskutieren sein:

  1. Wie sind die Chancen, auf natürlichem Wege schwanger zu werden?

  2. Welche Maßnahmen der assistierten Reproduktionstechnik (ART) sollen ggf. angewandt werden?

Ganz

Zu einem Drittel liegt die Ursache einer Sterilität beim Mann, zu einem Drittel bei der Frau. In einem weiteren Drittel der Fälle lässt sich keine Ursache finden.

Zunächst sollte eine männliche Infertilität abgeklärt werden, da dies nichtinvasiv möglich ist.

am Anfang sollte daher die Frage nach einer möglichen Einschränkung der männlichen Fertilität stehen, da diese immerhin ca. ein Drittel aller Sterilitätsursachen ausmacht. Die Untersuchung der männlichen Ursachen ist mit nicht invasiven Methoden möglich. Idealerweise erfolgt daher die andrologische Untersuchung des Partners einschließlich Spermiogrammanalyse ganz am Anfang der Diagnostik, bevor aufwendigere oder gar invasive Untersuchungen bei der Partnerin durchgeführt werden.

Konkrete Störungen oder Pathologien der Frau machen ein weiteres Drittel der Sterilitätsursachen aus. Bei der Frau sollten daher im Rahmen der Diagnostik folgende Fragen beantwortet werden:

  1. Finden eine regelrechte Follikelreifungsphase, zeitgerechte Ovulation und adäquate Lutealphase statt?

  2. Bestehen bei der Frau Anomalien des äußeren oder inneren Genitales, insbesondere des Uterus?

  3. Sind die Tuben durchgängig, ist die Tubenfunktion gestört?

  4. Bestehen Begleiterkrankungen, die sich auf die Fertilität negativ auswirken?

Die Zyklusanamnese gibt erste Hinweise auf möglichen Störungen der Ovarfunktion. Die Untersuchung des äußeren Genitales, der Vagina und der Portio cervicalis erfolgt durch die klinische Untersuchung einschließlich Inspektion und Palpation. Die anschließenden diagnostischen Schritte sollten strukturiert und in ein diagnostisches Gesamtkonzept integriert sein. Hier bietet sich die Durchführung eines sogenannten „diagnostischen Zyklus“ an, in den die einzelnen Untersuchungen zu den jeweiligen Zeitpunkten integriert sind. Somit können mit ca. 3 Konsultationen alle Aspekte der Ovarfunktion einschließlich Uterusanomalien und Tubendurchgängigkeitsprüfung abgeklärt werden.

Letztendlich gibt es ein Drittel von Paaren, bei denen keine Ursache der Sterilität fassbar bzw. diagnostizierbar ist. Bei diesen Paaren sprechen wir dann von „idiopathischer“ Sterilität. Die Verteilung der Ursachen einer Sterilität ist in [Abb. 1] dargestellt.

Abb. 1 Verteilung der möglichen Ursachen bei Sterilität.

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PD Dr. med. Andreas Müller

Frauenklinik, Universitätsklinikum Erlangen

Universitätsstraße 21–23

91054 Erlangen

Email: andreas.mueller@uk-erlangen.de