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DOI: 10.1055/s-0029-1245585
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Gibt es noch eine Indikation zur Duplex-Sonografie der Nierenarterien?
Is There Still a Place for Renal Artery Duplex Scanning?Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
11. August 2010 (online)
Stenosen der Nierenarterie können durch die verminderte Perfusion einerseits über die Aktivierung des Renin-Angiotensin-Systems zur Erhöhung des systemischen arteriellen Blutdrucks und andererseits zu einem Funktionsverlust bis hin zur terminalen Niereninsuffizienz führen. In diesem Heft berichten Hoeffel et al. [1] über eine neue, vielversprechende Technik zur genaueren Quantifizierung des renalen Blutflusses. Basierend auf der Analyse kontrastverstärkter Echosignale konnte tierexperimentell zuverlässig die parenchymatöse Perfusion bestimmt werden. Die potenziellen Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig, man denke nur beispielhaft an die Evaluation pharmakologischer Wirkungen auf die Nierenperfusion. Analog könnte auch die Funktionsbeurteilung der Transplantatniere von Interesse sein [2] [3]. Die Methode reiht sich nahtlos in das Spektrum früherer Publikationen (Niere [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12], Leber [13] [14] [15] [16] [17] [18], Pankreas [19] [20], Darm [21] [22], Hirn [23], u. a. [24] [25] [26]) in unserem Journal ein. Der bisherige Schwachpunkt der Kontrastsonografie, die Quantifizierung, wird hier, ebenso wie in der ebenfalls in diesem Heft publizierten Arbeit von Peronneau P et al. [27], konstruktiv bearbeitet.
Nierenarterienstenose – Diagnostik und Kathetertherapie
In den aktuellen internationalen Guidelines hat sich in den letzten Jahren die Duplex-Sonografie als Standardmethode der Wahl zur Diagnose einer Nierenarterienstenose etabliert [28]. Gerade bei Niereninsuffizienz sind die radiologischen Methoden CT-Angiografie (Kontrastmittelnephropathie) und MR-Angiografie (Nephrogene Systemische Fibrose) eindeutig Methoden 2. Wahl bzw. kontraindiziert.
Parallel zur Diagnostik hat sich in den vergangenen Jahrzehnten mit dem Aufkommen der perkutanen Ballonangioplastie und Stenteinlage (PTRA) auch die Therapie der Nierenarterienstenose rapide entwickelt. Aus Zentren mit hohem Patientenaufkommen und großer Erfahrung werden gute Resultate nach PTRA berichtet. In einer Übersichtsarbeit gibt Zeller für die moderne PTRA-Technik eine radiologische Erfolgsrate von 98 – 100 % und eine Rezidivrate von nur 10 % an [29]. Bereits früh hat man aber realisiert, dass bei atherosklerotischer Nierenarterienstenose die Heilungsrate der Hypertonie nur etwa 15 % beträgt, insgesamt immerhin rund zwei Drittel von der Intervention profitieren, während ein Drittel unverändert bleibt. Bei der fibromuskulären Dysplasie können demgegenüber 50 % als geheilt und insgesamt 90 % als verbessert beurteilt werden, und bei nur 10 % bleiben die Blutdruckwerte unverändert [29].
Negative Studien: time to be less aggressive?
Dieser prinzipiell positiven Bewertung der PTRA wurde kürzlich in mehreren Studien widersprochen [30] [31] [32] [33]. Prospektiv und randomisiert wurde die Kathetertherapie mit der konservativen medikamentösen Behandlung verglichen und es war kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den beiden Studienarmen betreffend Blutdrucksenkung und Verbesserung der Nierenfunktion nachweisbar, die Komplikationsrate war jedoch nach PTRA signifikant höher. Der Einsatz der PTRA wäre somit nicht mehr zu rechtfertigen und wenn unabhängig vom Befund die medikamentöse und nicht die kathetertechnische Therapie einzusetzen ist, erübrigt sich auch die differenzierte Diagnostik. Strikte genommen gäbe es somit auch kaum noch eine Indikation zur reno-vaskulären Duplex-Sonografie und eine der aufwendigsten und schwierigsten Sonografien könnte eingespart werden.
Mangelhafter Studienaufbau
Die Negativstudien wurden durchwegs in hochrangigen Journals publiziert [30] [31] [32] [33]. Offensichtlich sind auch diese nicht vor statistischen Mängeln und groben Fehlern im Studiendesign gefeit, welche all diesen Arbeiten anhaften [34]. Die Rekrutierung war schwierig, dauerte in der ASTRAL-Studie 7 Jahre und in den 57 Zentren wurden durchschnittlich 1 – 2 Patienten pro Jahr rekrutiert [30]; in der DRASTIC-Studie war die Rekrutierungsrate noch geringer [33]. Dies belegt eine unzulässige Patientenselektion (selection bias) und/oder eine ungenügende Erfahrung in der Kathetertechnik. Entsprechend wurden in der ASTRAL-Studie nur 317 von den 403 randomisierten Patienten (79 %) erfolgreich revaskularisiert und die Komplikationsrate war mit 8 % im Vergleich zu den in der Literatur noch akzeptierten 2 % übermäßig hoch [30].
Ein Eckpfeiler korrekt geplanter Studien ist die Randomisierung. Durch die theoretische und praktische Auseinandersetzung mit einem Krankheitsbild werden wir geprägt und damit die klinische Entscheidungsfindung subjektiv beeinflusst. Ziel der Randomisierung ist es, diese subjektive Komponente zu umgehen und Patienten, bei denen beide zur Diskussion stehende Therapieoptionen möglich sind, sollen nach dem Zufallsprinzip einem Studienarm zugeteilt werden. Diese grundlegende Regel wurde in den genannten Studien nicht berücksichtigt, respektive durch ein unzulässiges Wechseln vom einen in den anderen Studienarm (z. B. 44 % in der DRASTIC-Studie) umgangen [30] [33]. Ein weiterer statistischer Anspruch, die Intention-to-treat-Analyse der Daten, wurde dadurch ausgehöhlt.
Ein weiteres grundlegendes Problem liegt in der Definition der Endpunkte. Wenn die PTRA vorwiegend zur Senkung hoher Blutdruckwerte eingesetzt wird, wäre es nahe liegend, die Blutdrucksenkung als primären Endpunkt zu evaluieren (und nicht die Niereninsuffizienz [30]). In beiden Studienarmen wird die beste medikamentöse Therapie eingesetzt, in einem Arm zusätzlich die PTRA. Es scheint nicht sehr sachdienlich, wenn am Studienende zwischen den beiden Behandlungsarmen ein statistisch signifikanter Unterschied der Mittelwerte gesucht wird. Interessant wäre unter anderem zu wissen: Wie viele haben in den beiden Gruppen den vordefinierten Zielwert (z. B. < 140 / 90 mmHg) erreicht, wie viele Medikamente mussten dafür eingesetzt werden und welche prädefinierten Stoffklassen wurden benötigt. Bemerkenswert ist, dass in allen „negativen Studien” der Medikamentenbedarf zur Senkung des Blutdrucks in der jeweiligen PTRA-Gruppe signifikant kleiner war [30] [31] [32] [33].
Interpretation und Konklusion
Negativstudien können bedeuten, dass zwischen den beiden Studienarmen – hier beste medikamentöse Behandlung vs. Kathetertherapie – wirklich kein statistisch signifikanter Unterschied besteht. In der medizinischen Literatur findet man aber als Ursache der negativen Resultate immer noch Arbeiten mit mangelhaftem Studiendesign, einschließlich ungenügend großem Patientenkollektiv (Power). Eine statistisch korrekt durchgeführte Studie ist auch bei negativem Resultat klinisch sehr wertvoll, da man nun weiß, was gemacht, respektiv nicht gemacht werden sollte. Dies trifft leider nicht für die Kathetertherapie der Nierenarterienstenose zu, da sämtliche Studien multiple Mängel aufweisen und die Unsicherheit statt beseitigt noch vergrößert wurde. Auch dem zukünftigen Patienten ist damit kein Dienst erwiesen, da ihm möglicherweise eine für ihn effiziente Therapie vorenthalten wird [35]. Weitverbreitet ist zudem auch die Lehrmeinung, dass nur hochgradige Stenosen mit lang dauernder Hypertonie, respektive deutlicher Niereninsuffizienz zur Kathetertherapie kommen sollten. Es ist klar belegt, dass bereits bei einer > 50 %igen Stenose die Perfusion eingeschränkt und durch das aktivierte Renin-Angiotensinsystem der Blutdruck erhöht wird [36] [37]. Es wurde bisher nicht hinterfragt, warum mit einer Intervention zugewartet werden soll, bis das Nierenparenchym völlig beschädigt ist – dann noch einen Therapieeffekt zu erwarten, setzt viel blinden Optimismus voraus.
Zweifelsohne ist gerade in Hinblick auf die Negativstudien eine korrekte Patientenselektion für eine Erfolg versprechende Katheterintervention notwendig. Aus unserer Sicht kann und sollte die Duplex-Sonografie in diesem Zusammenhang ein wichtiger Baustein in der Diagnostik und Beurteilung von Nierenarterienstenosen sein [36] [37]. Neben der Unterscheidung, ob es sich um eine fibromuskuläre oder atherosklerotische Nierenarterienstenose handelt, kann der intrarenale Widerstandsindex einen Anhalt über das Ausmaß der Nierenparenchymschädigung liefern [9] [10]. Neue Ultraschallmethoden, wie von Hoeffel et al. beschrieben, können zukünftig den Aussagewert der Duplex-Sonografie vielleicht noch verbessern [1].
Bis zum Vorliegen sauberer wissenschaftlicher Daten werden wir bei der mehr als 50 %igen Durchmesserreduktion der Nierenarterie und erhaltenem Nierenparenchym (normaler Widerstandsindex) unseren Patienten mit geeigneter Konstellation weiterhin die Kathetertherapie anbieten. Voraussetzung dafür ist eine dedizierte Duplex-Sonografie und eine strikte interne Qualitätskontrolle.
Literatur
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Kurt A. Jaeger
University Hospital, Basel, Switzerland
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